Quarantäne
(Kontumaz), zeitweise Beschränkung der persönlichen
Freiheit und der
Verfügung über
das
Eigentum, welche
Personen oder
Sachen auferlegt wird, von denen man die Einschleppung ansteckender
Krankheiten befürchtet.
Gelegentliche
Absperrungen gegen den
Aussatz kommen bereits in den ältesten
Zeiten vor; als ständige Einrichtung erscheint
die Quarantäne
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zuerst im 14. Jahrh. in italienischen Städten zur Abwehr der Pest; die Bezeichnung Quarantäne
stammt von den 40 Tagen (quarante giorni),
während welcher Venedig
[* 3] die ankommenden Schiffe
[* 4] bei Pestgefahr unter Sperre legte. Anfangs mit barbarischer Strenge durchgeführt,
wurde die Handhabung der Quarantäne
im Lauf der Zeit durch Einführung zweckmäßiger Einrichtungen mehr und mehr
gemildert, und nachdem schon im 16. Jahrh. eine starke Opposition, welche die Ansteckung durch ein Kontagium leugnete, sich
geltend gemacht hatte, hob England 1720 zu gunsten des Handels die Quarantäne
im eignen Land auf, während es dieselbe in Gibraltar
[* 5] und auf Malta rigorös durchführte.
Gegenwärtig sind die Ansichten über die Quarantäne
durchaus geteilt. Französische Ärzte befürworten dieselbe,
während die Engländer bei Auftauchen der Cholera in Ostindien
[* 6] die Quarantäne
verbieten, die Truppen nicht zernieren und isolieren,
sondern auseinander ziehen und dislozieren. Auf Anregung Frankreichs trat 1851 in Paris
[* 7] die erste und 1866 in Konstantinopel
[* 8] die zweite internationale Sanitätskonferenz zusammen, welche die Absperrung im Prinzip empfahl. Österreich
[* 9] hatte bereits 1849 eine orientalische Sanitätskommission eingesetzt und berief 1874 die dritte internationale Konferenz nach
Wien,
[* 10] auf welcher alle europäischen Staaten die Errichtung einer ständigen internationalen Sanitätskommission befürworteten.
Man schlug vor, die Quarantänen
auf ein thatsächlich durchführbares Maß einzuschränken und dieselben im
allgemeinen durch ein zweckmäßiges Inspektionssystem zu ersetzen. Die vierte internationale Konferenz, welche 1885 in Rom
[* 11] tagte, beschäftigte sich hauptsächlich mit der Cholera, und ein technisches Komitee befürwortete internationale Maßnahmen
gegen die Verbreitung der Seuche im Orient und die Einschleppung nach dem Occident auf dem Seeweg, namentlich auch eine Besserung
der hygieinischen Verhältnisse und eine ärztliche Begleitung, Überwachung und wiederholte Inspektion
der Pilgerzüge (ähnlich die Beschlüsse des internationalen Gesundheitsrats in Konstantinopel vom Die Quarantäne
wird
gegenwärtig nur gegen Pest, gelbes Fieber und Cholera angewandt und stützt sich auf die Überzeugung, daß durch absolute
Absperrung die Übertragung des Krankheitskeims unmöglich gemacht wird.
Die Gegner der Quarantäne
wenden dagegen ein, daß eine absolute Absperrung unmöglich und daher unnütz sei, während die durch die
Quarantäne
dem öffentlichen Verkehr zugefügten Nachteile unerträglich und schlimmer seien als die zu bekämpfende Krankheit. Für
die praktische Ausführung ist von jeher wie noch heute die Seequarantäne
fast ausschließlich von Bedeutung
geblieben, während die schwierigen und kostspieligen Landquarantänen
sehr selten vorgekommen sind und nur in sehr bedingter
Weise verteidigt werden.
Von den Seehäfen aber kommen hauptsächlich die des Orients im Mittelmeer, im Roten und Kaspischen Meer in Betracht, weil sie die hauptsächlichsten Ausbruchsthore der für Europa [* 12] gefährlichste Seuchen bilden.
Vgl. v. Sigmund, Cholera, Pest und Gelbfieber vor den jüngsten internationalen Sanitätskonferenzen (Wien 1882);
Uffelmann, Darstellung des auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege in außerdeutschen Ländern bis jetzt Geleisteten (Berl. 1878);
Soyka u. a., Zur Ätiologie der Infektionskrankheiten (Münch. 1881).
Eine Zusammenstellung der wichtigsten zur Zeit geltenden Quarantäne
vorschriften der meisten Staaten Europas
und Nordamerikas gab Wernich in Eulenburgs »Realencyklopädie der gesamten Heilkunde« (2. Aufl., Wien 1884 ff.).