Titel
Potocki
(spr. -tótzki), poln. Grafenfamilie, deren Stammschloß Potok in der ehemaligen Woiwodschaft Krakau [* 2] lag, jetzt namentlich in Galizien und der Ukraine angesessen, unter deren Gliedern die bekanntesten folgende sind:
1) Stanislaw
Felix,
Graf, geb. 1745, nahm als Großfeldherr der polnischen
Artillerie in russischem
Interesse an den
Unruhen von 1788 teil,
stiftete, als die freisinnige
Verfassung vom von dem
Reichstag und dem König angenommen wurde,
mit
Rzewuski dagegen die berüchtigte
Konföderation von Targowice welche die Einmischung Rußlands und dadurch
den
Sturz
Polens herbeiführte, und erhob selbst die
Waffen
[* 3] gegen sein Vaterland. Als 1794
Polen unter
Kosciuszko sich empörte,
mußte Potocki
nach Rußland fliehen, wo er sich 1795 mit der schönen
Sophie
de Witt (geb. 1773 als Tochter
eines griechischen
Schuhmachers in
Konstantinopel,
[* 4] dann Gemahlin eines russischen
Generals, gest. 1823 in
Berlin,
[* 5] wo sich ihr
von
Graff gemaltes Pastellgemälde befindet) vermählte. Der oberste
Gerichtshof der
Republik verurteilte ihn als Vaterlandsverräter
zum
Tod und ließ seine
Güter konfiszieren, dagegen ernannte ihn die
Kaiserin
Katharina II. zum Oberfeldherrn.
Er starb 1805 auf seinen
Gütern in Tulczyn. -
Sein Sohn
Wladimir Potocki
, geb. 1789, diente seit 1809 in der polnischen
Armee mit
rühmlicher Auszeichnung, starb aber schon 1811 als Oberst. Seine
Bildsäule (von
Thorwaldsen) wurde in der
Krakauer
Kathedrale aufgestellt.
2) Ignazy, Graf, Vetter des vorigen, geb. 1751, gewann als Mitglied des mit der Abfassung eines Konstitutionsentwurfs beauftragte Ausschusses den König Stanislaus August für die Verfassung vom und ging 1792 nach Berlin, um Preußen [* 6] zur Anerkennung dieser Konstitution zu bestimmen, welche Sendung jedoch mißlang. Er mußte sich endlich nach Dresden [* 7] flüchten, worauf seine Güter konfisziert wurden. 1794 ward er Mitglied der provisorischen Regierung und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, aber nach der Einnahme von Warschau [* 8] verhaftet und als Staatsgefangener in Schlüsselburg eingekerkert. Erst 1796 erhielt er seine Freiheit wieder und begab sich nun nach Galizien, 1807 nach Warschau, wo er für das neugebildete Großherzogtum wirkte. 1809 reiste er als Chef der Deputierten des Großherzogtums Warschau zu Napoleon I. nach Wien, [* 9] starb aber daselbst 20. Aug. d. J.
3) Stanislaw Kostka,
Graf,
General der
Artillerie und Kultusminister,
Bruder des vorigen, geb. 1752, wirkte ebenfalls für die
Verfassung vom begab sich dann nach
Österreich
[* 10] und widmete sich hier wissenschaftlichen
Studien. Nach Errichtung
des Großherzogtums
Warschau (1807) wurde er
Präsident der Oberschul- und Erziehungsdirektion, und 1815 ernannte ihn
Kaiser
Alexander I. zum
Minister des
Kultus und des öffentlichen
Unterrichts. Er starb Potocki
schrieb unter
anderm eine Gedächtnisrede auf
Joseph
Poniatowski wie auch das Werk Ȇber
Beredsamkeit und
Stil« (Warsch. 1815, 4 Bde.).
Seine treffliche polnische Übersetzung von
Winckelmanns Werk Ȇber die
Kunst der Alten« (Warsch. 1815) ist unvollendet geblieben.
4) Jan, Graf, einer der besten slawischen Geschichtsforscher, geb. 1761, erwarb sich eine gründliche Kenntnis der orientalische Sprachen, bereiste, zum Teil mit Klaproth, alle Länder, wo sich slawische Stämme niedergelassen haben, lebte sodann in Petersburg, [* 11] in Podolien und Wolhynien und starb 1815 in Oladowka. Er schrieb: »Essai sur l'histoire universelle et recherches sur la Sarmatie« (Warsch. 1789, 4 Bde.);
»Histoire primitive des peuples de la Russie« (Petersb. 1802);
»Fragments historiques et géographiques sur la Scythie, la Sarmatie et les Slaves« (Braunschw. 1796, 4 Bde.) u. a.
5)
Alfred,
Graf, österreich. Staatsmann, aus der galizischen
Linie Potocki
-Pilawa, geb. 1817, Sohn des Geheimrats und galizischen
Obersthofmeisters
Grafen
Alfred (geb. 1785), widmete sich anfangs der diplomatischen Laufbahn,
dann aber der
Verwaltung seines ausgebreiteten Grundbesitzes in
Galizien und Russisch-Polen, wurde 1861 in den erblichen
Reichsrat
berufen und gleichzeitig in den galizischen
Landtag gewählt. Vom bis zum war er Ackerbauminister im
sogen. Bürgerministerium und wurde
Ministerpräsident. Er verkündete die Aufhebung des
Konkordats
und führte mit den autonomistischen
Parteien Ausgleichsverhandlungen, deren Erfolglosigkeit seinen Rücktritt
veranlaßte. 1875-83 war Potocki
Statthalter von
Galizien.