Titel
Portugal
,
[* 2] europäisches
Königreich (s.
Karte
»Spanien und Portugal«
),
erstreckt sich im W. der Pyrenäischen Halbinsel zwischen 36° 59'-42° 8' nördl. Br. und 6° 10'-9° 31' westl. L. v. Gr. und bildet ein längliches Viereck, [* 3] dessen größte Länge 558 km und dessen Breite [* 4] 107-220 km beträgt (die Diagonale von der Mündung des Minho bis zu der des Guadiana mißt 535 km). Das Königreich wird im N. und O. von Spanien, im W. und S. vom Atlantischen Ozean begrenzt. Außer dem kontinentalen Gebiet gehören zum europäischen Mutterland noch mehrere Inseln im Atlantischen Ozean, nämlich die Azoren und Madeira [* 5] (s. die betreffenden Artikel).
[Bodenbeschaffenheit, Klima.]
Portugal
wird von zahlreichen
Gebirgen
(Serras) durchzogen, welche sich zu drei Gebirgssystemen zusammenfassen
lassen, nämlich die
Gebirge von
Traz os Montes, die
Gebirge von
Beira und die
Gebirge südlich vom
Tejo. Zur
ersten
Gruppe gehören die Bergzüge nördlich vom
Douro, darunter
Serra Gerez (1442
m) und
Serra Peneda (1446 m) in der
Provinz
Minho und die
Serras Larouco (1580 m), Marão (1422 m), Nogueira (1320
m) und
Bornes (1202 m) in
Traz os Montes.
Alle diese Bergzüge bilden gewissermaßen Fortsetzungen des galicischen Berglandes, hängen durch die Serra de San Mamede mit dem Kantabrischen Gebirge zusammen und enden teils westlich in der Küstenebene, teils südlich im Dourothal. Das Bergsystem von Beira umfaßt die Gebirgszüge zwischen Douro und Tejo, welche sich im wesentlichen als Fortsetzung des kastilischen Scheidegebirges (Sierra de Guadarrama und Sierra de Gata) darstellen. Der Zug beginnt an der spanischen Grenze mit der Serra de las Mezas (1200 m). Von dieser zweigt südwestlich die Serra Gardunha (1224 m) ab, deren Fortsetzung, die Serra de Muradal, zwischen Zezere und Tejo ausläuft.
Nordwestlich von der
Serra de las
Mezas beginnt der Hauptgebirgszug Portugals
, die
Serra da
Estrella (s. d.), 1993 m, ein breiter,
in südwestlicher
Richtung streichender
Kamm, dessen Fortsetzung die
Serras Açor (1330
m) und Louzã (1202 m) bilden, und welcher
schließlich in der
Hochebene von
Aire und in einem 500-600 m hohen, parallel mit dem
Lauf des
Tejo streichenden
Bergrücken im
Cabo da
Roca endigt. Im nördlichen Teil von
Beira, zwischen
Mondego und
Douro, liegt noch eine größere Zahl
von Gebirgszügen, wie
Serra da Senhora da Lapa (940 m), Montemuro (1380 m),
Serra Gralheira (1122 m),
Serra do Caramullo
(1070 m),
Bussaco (630 m) u. a. Das transtejanische Bergsystem besteht aus vereinzelten, untereinander
nur durch
Hügel und
Ebenen zusammenhängenden Bergzügen und steht mit den spanischen
Gebirgen durch die
Serra de
San Mamede
(1025 m) in
Verbindung.
Hervorragendere Gruppen dieses Systems sind: die Serra d'Ossa (649 m), Serra Mendro (406 m), Serra Caldeirão (388 m) in Alemtejo, die Serra da Arrabida (499 m) in Estremadura, dann in Algarve die Serra do Malhão (575 m), Serra de Monchique (903 m), Espinhaço de Cão (253 m), welche mit dem Kap San Vincent ins Meer ausläuft. Im S. von Algarve breitet sich das fruchtbare Hügelland Barrocal aus. In geologischer Beziehung waltet im N. und in der Mitte der Granit vor. Von Traz os Montes besteht der größte Teil aus paläozoischen Gebilden (Schiefer etc.). Dieselben sind auch im S. von Beira, in Alemtejo und Algarve sehr ausgedehnt. Die tertiäre Formation ist besonders in Estremadura vertreten. Sekundäre Lagerungen kommen zwischen Aveiro und Lissabon [* 6] und im S. von Algarve vor, Porphyr nur in Alemtejo, Basalt bei Lissabon.
Die Hauptflüsse von Portugal
sind:
1)
Minho, der, die
Grenze bildend, oberhalb Melgaço in Portugal
eintritt und 40 km schiffbar ist (Nebenfluß Coura);
2)
Lima,
[* 7] oberhalb Lindoso in Portugal
eintretend, 37 km weit schiffbar (Nebenfluß Vez);
3) Cávado, auf der Serra de Larouco entspringend, 12 km weit schiffbar (Nebenflüsse Rabagão und Homem);
4) Ave, von der Serra da Cabreira (Nebenflüsse Vizella und Deste);
5)
Douro, bildet von oberhalb
Miranda do
Douro die
Grenze gegen
Spanien, tritt bei Barca da Alva ganz in Portugal
ein,
schiffbar für kleine Fahrzeuge gleich beim
Eintritt (Nebenflüsse links:
Cõa,
Teja, Torto, Tavora, Paiva; rechts: Sabor,
Tua,
Tamega);
6) Vouga, von der Serra da Senhora da Lapa, 42 km weit schiffbar (Nebenflüsse Agueda und Caima);
7) Mondego, von der Serra da Estrella, 84 km schiffbar (Nebenflüsse links: Alva, Ceira, Arunca; rechts: Dão);
8)
Tejo, aus
Spanien
(Tajo) kommend, bildet erst die
Grenze zwischen Portugal
und
Spanien, tritt, vor
Villa Velha bereits schiffbar,
in Portugal
ein, bildet bei
Lissabon einen großartigen
Hafen (Nebenflüsse links:
Sever,
Niza, Sorraia; rechts: Erjes, Ponsul, Ocreza,
Zezere);
9) Sado, von der Serra de Caldeirão, 61 km weit schiffbar (Nebenflüsse Roxo, Xarrama, Diege);
10) Küstenfluß Mira, 20 km schiffbar;
11)
Guadiana, aus
Spanien kommend, bildet unterhalb
Badajoz bis Monsaraz die
Grenze zwischen Portugal
und
Spanien, durchfließt den
östlichen Teil von
Alemtejo bis Pomarão, von wo an er wieder die
Grenze bildet bis zu seiner Mündung
(Nebenflüsse links: Ardilla, Chança; rechts: Degebe, Vascão, Foupana). Portugal
hat großen
Reichtum an
Mineralquellen. Dieselben
sind vorwiegend schwefelhaltig; doch gibt es auch kohlensäure-, salz-, kupfer-, arsenikhaltige. Man kennt deren 108, und
ihre
Temperatur variiert zwischen 20-69° C. Zu Heilzwecken sind jedoch nur sieben
Quellen mit den erforderlichen
Einrichtungen versehen.
¶
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Das Klima [* 9] ist gemäßigt, im Sommer oft heiß. An den Küsten mildert die Seeluft die Hitze. Selbstverständlich ist die Bodenhöhe von großem Einfluß. Auf den Höhen der Serra da Estrella liegt die Hälfte des Jahrs über Schnee, [* 10] am Alto Douro dagegen ist es warm genug für das Gedeihen herrlicher Weine. In Algarve herrscht oft nordafrikanisches Klima. Gewitter sind im ganzen selten und kommen nur um die Zeit der Äquinoktien und im Winter vor. Die angestellten meteorologischen Beobachtungen ergaben:
Ort | Jahrestemperatur in Graden Celsius | Regentage | ||
---|---|---|---|---|
mittlere | höchste | niedrigste | ||
Guarda (Beira) | 10.90 | 34.6 | -7.1 | 116.1 |
Porto | 15.66 | 37.4 | -0.8 | 114.7 |
Lissabon | 15.75 | 37.4 | -0.5 | 136.2 |
Coimbra | 15.22 | 40.4 | -2.1 | 130.5 |
Campo major (Alemtejo) | 16.28 | 44.3 | -3.6 | 95.3 |
Evora | 16.25 | 39.9 | +0.2 | 114.9 |
Lagos (Algarve) | 17.45 | 38.3 | +0.4 | 76.5 |
Die Flora Portugals
ist die des gemäßigten Europa.
[* 11] Es gedeihen unsre sämtlichen Obst- und Waldbäume. Besonders zu erwähnen
sind: die Korkeiche, die echte Kastanie (sehr zahlreich), der Ölbaum, Feigenbaum, Orangen, viele Palmen,
[* 12] in Algarve selbst die Banane, der Johannisbrotbaum, Mandelbaum, Maulbeerbaum etc. Auch mancherlei subtropische Pflanzen gedeihen
in Portugal.
Überall finden sich die Agave americana und Cactus opuntia. Viel verwendet werden auch die Tomatos (Solanum lycopersicum).
Die Fauna ist ebenfalls ganz die des gemäßigten Europa. Es werden 32 Arten Säugetiere und 326 Spezies der
Vögel
[* 13] gezählt. Meer und Flüsse
[* 14] bieten großen Reichtum von Fischen, Krustaceen und Mollusken.
[* 15] Von Fischen sollen 252 Spezies existieren.
[Areal und Bevölkerung.]
Der Flächenraum, die absolute und relative Bevölkerung sowie die Einteilung des Landes in die ehemaligen Provinzen und gegenwärtigen Distrikte ist aus nachfolgender Tabelle zu ersehen:
Provinzen und Distrikte | QKilometer | QMeilen | Einw. 1878 | Einw. auf 1 QKil. |
---|---|---|---|---|
Minho. | ||||
- Vianna do Castello | 2243 | 40.7 | 201390 | 94 |
- Braga | 2738 | 49.7 | 319464 | 123 |
- Porto | 2292 | 41.6 | 461881 | 204 |
Traz os Montes. | ||||
- Braganza | 6669 | 121.1 | 168651 | 26 |
- Villa Real | 4447 | 80.8 | 224628 | 51 |
Beira. | ||||
- Aveiro | 2909 | 52.8 | 257049 | 93 |
- Vizeu | 4973 | 90.3 | 371571 | 78 |
- Coimbra | 3383 | 61.4 | 292037 | 42 |
- Guarda | 5557 | 100.9 | 228494 | 90 |
- Castello Branco | 6621 | 120.3 | 173983 | 27 |
Estremadura. | ||||
- Leiria | 3478 | 63.2 | 192982 | 58 |
- Santarem | 6862 | 124.6 | 220881 | 33 |
- Lissabon | 7460 | 135.5 | 498059 | 70 |
Alemtejo. | ||||
- Portalegre | 6431 | 116.8 | 101126 | 16 |
- Evora | 7088 | 128.7 | 106858 | 16 |
- Beja | 10871 | 197.5 | 142119 | 14 |
Algarve. | ||||
- Faro | 4850 | 881 | 199142 | 42 |
Festland: | 88872 | 1614.0 | 4160315 | 48 |
Dazu die Inseln. | ||||
- Azoren | 2388 | 43.4 | 259880 | 113 |
- Madeira | 815 | 14.8 | 130584 | 162 |
Zusammen: | 92075 | 1672.2 | 4550779 | 51 |
Für das Jahr 1881 ergab eine offizielle Berechnung eine Einwohnerzahl von 4,708,178 Seelen. Die Zunahme der Bevölkerung [* 16] von Portugal ist eine stetige und ziemlich ansehnliche. 1835 zählte man im kontinentalen Portugal (ohne die Inseln) 3,076,000, 1851: 3,487,000, 1864: 3,986,558 und 1874: 4,160,315 Einw., wonach sich eine durchschnittliche jährliche Bevölkerungszunahme um ca. 0,8 Proz. ergibt. Dabei spielt aber die Auswanderung eine große Rolle. Im Dezennium 1872-81 sind im ganzen 133,008 Personen ausgewandert, welche sich hauptsächlich auf die Provinz Minho (51,531) und Beira alta (30,766) verteilten. Am geringsten ist hieran Alemtejo (42) und Algarve (225) beteiligt.
Das gewöhnliche Reiseziel ist Amerika [* 17] (129,549 Auswanderer), speziell Brasilien, [* 18] wo die Emigranten ihre Muttersprache und bisher auch günstige Erwerbsgelegenheit fanden. Auch in den Jahren 1882-84 blieb die jährliche Auswanderung ziemlich gleich (durchschnittlich 12,000 Emigranten). Die Bevölkerung von Portugal verteilte sich 1878 mit 2,175,829 auf das männliche und mit 2,374,870 auf das weibliche Geschlecht. Das Übergewicht des weiblichen über das männliche Geschlecht ist hiernach in Portugal auffallend stark, indem auf 1000 männliche Personen 1091 weibliche kommen (die höchste Verhältniszahl unter den europäischen Staaten).
Was die Bevölkerungsbewegung betrifft, so kommen auf 10,000 Bewohner im Jahresdurchschnitt 65 Trauungen, 310 Geburten und 230 Sterbefälle. Der Überschuß der Geburten über die Sterbefälle ist daher ein sehr beträchtlicher und erklärt die regelmäßige Zunahme der portugiesischen Bevölkerung trotz der großen Auswanderung. An größern Wohnorten besitzt das Land außer der Hauptstadt Lissabon (243,010 Einw.) und Porto (105,838 Einw.) 13 Städte mit einer Bevölkerung von 10,000 bis 20,000 Einw. Der Nationalität nach gehören die Bewohner fast durchweg dem portugiesischen Stamm an. Derselbe ist aus der Verschmelzung suevischer und romanischer Elemente entstanden; auch Araber und Israeliten haben sich damit vermischt. Zu bemerken ist trotz der nahen Verwandtschaft der beiden Nationen die geringe Sympathie zwischen Portugiesen und Spaniern.
Die Charakterschilderungen des portugiesischen Volkes gehen sehr auseinander; darin dürften aber alle übereinstimmen, daß der Portugiese höflich (namentlich gegen Fremde), gelehrig, mäßig, voll Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an die römisch-katholische Religion ist. In Portugal gibt es auch Zigeuner, und aus den überseeischen Provinzen kommen Farbige aller Art nach dem Festland. Die römisch-katholische Religion ist Staatsreligion; doch ist die Ausübung andrer Kulte in besondern Gebäuden, die aber nicht das Äußere von Kirchen haben dürfen, gestattet.
Die Geistlichkeit teilt sich in die hohe und niedere; zu ersterer gehören der Patriarch von Lissabon, dessen Großvikar, die 2 Erzbischöfe von Braga und Evora und 16 Bischöfe. Die hohe Geistlichkeit empfängt Subsidien vom Staat, während die niedere aus den kirchlichen Einkünften besoldet wird. Die Ausbildung von Geistlichen geschieht in Priesterseminaren (12 auf dem Kontinent), die höhere Ausbildung durch die theologische Fakultät in Coimbra. 1833 wurden die 380 Mönchsklöster aufgehoben; die Nonnenklöster erlöschen allmählich. Das Klostergut ist Staatseigentum geworden.
Für den Elementarunterricht gab es 1884: 5316 Schulen, deren Besuch obligatorisch ist. Für die Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen sorgen die Normalschulen (4 für Lehrer, eine für Lehrerinnen). Dem Unterricht für die gereiftere Jugend dienen die ¶
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Lyceen (21), außerdem Privatschulen, welche vorzugsweise die realistischen Fächer [* 20] betreiben, zusammen mit über 9000 Schülern. Für den höhern Unterricht ist in erster Linie die Universität von Coimbra (s. d.) bestimmt, ferner die polytechnische Schule in Lissabon, die polytechnische Akademie in Porto, die medizinisch-chirurgischen Schulen in Lissabon und Porto (auch in Funchal) und der höhere wissenschaftliche Kurs in Lissabon. An Fachlehranstalten bestehen: die Akademien der schönen Künste in Lissabon und Porto, das Konservatorium für Musik in Lissabon, die Gewerbeschulen in Lissabon und Porto, das landwirtschaftliche Institut, die Armee- und die Seeschule sowie das Militärkollegium in Lissabon. An sonstigen wissenschaftlichen Instituten sind zu erwähnen: die königliche Akademie der Wissenschaften in Lissabon, die astronomischen und meteorologischen Observatorien in Lissabon und Coimbra.
In den beiden letztgenannte Orten sind auch naturwissenschaftliche Museen. Anzuführen sind noch das archäologische Museum und das Museum der Akademie der Wissenschaften mit einer reichen numismatischen Sammlung in Lissabon, die königliche und mehrere andre Bibliotheken in Lissabon, die Universitätsbibliothek und die vom Kloster Santa Cruz in Coimbra. In Portugal herrscht jetzt vollständige Preßfreiheit, doch ist die Tageslitteratur noch nicht von großer Bedeutung.
Erwerbszweige, Handel.
Für Hebung [* 21] der Landwirtschaft ist in Portugal in diesem Jahrhundert manches geschehen. Insbesondere ging das Bestreben dahin, die Zahl der Grundbesitzer zu vermehren, so durch Veräußerung von Nationalgütern, Erleichterung des Übergangs von der Pachtung zum Eigentum von Kirchengütern etc. Doch befindet sich der größte Teil des Bodens in den Händen des höhern Adels, während die Bauern meist Pachter sind. Auch steht die landwirtschaftliche Kultur trotz der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens noch auf niederer Stufe.
Beinahe die Hälfte des gesamten Areals (48,2 Proz.) ist unproduktiver Boden. Auf Ackerland und Gärten kommen 22,6, auf Weinland 2,2, auf Olivenpflanzungen 2,3, auf Grasland 16,7, auf Wald 8 Proz. der Gesamtfläche. Die Cerealienproduktion reicht für den Bedarf nicht aus; sie liefert bei einer Mittelernte 3,4 Mill. hl Weizen, 2,5 Mill. hl Roggen, 1,2 Mill. hl Gerste [* 22] und Hafer, [* 23] 7,8 Mill. hl Mais, 3,2 Mill. hl Kartoffeln, 65,000 metr. Ztr. Reis und 600,000 metr. Ztr. Hülsenfrüchte.
Andre landwirtschaftliche Produkte sind: Gemüse (darunter Zwiebeln), Flachs (100,000 metr. Ztr.), Esparto, Obst, insbesondere Südfrüchte (Orangen, Zitronen, Feigen, Mandeln etc.), Kastanien, Oliven (Ertrag an Öl ca. 230,000 metr. Ztr.) und Wein. Der Ertrag an letzterm beläuft sich bei einer Anbaufläche von 2040 qkm bis zu 4 Mill. hl. Die wichtigste Gegend für die Weinkultur ist am Douro, woher der berühmte Portwein kommt. Doch ist der Weinbau auch auf den wellenförmigen Ebenen von Estremadura und in Alemtejo vertreten. Mehr als zwei Drittel der Produktion kommen auf Rotwein. In letzter Zeit hat auch in Portugal die Reblaus [* 24] große Verheerungen angerichtet. Das Grasland besteht hauptsächlich aus Weiden, nur im N. finden sich gute Wiesen.
Der Viehstand war nach der letzten Zählung (von 1870) folgender:
Pferde | 88000 Stück |
Maultiere | 50690 |
Esel | 137950 |
Rindvieh | 624568 |
Schafe | 2977454 |
Ziegen | 936869 |
Schweine | 971085 |
Die Pferdezucht [* 25] zeigt zwei Typen, das kleine und kräftige galicische Pferd [* 26] und das allgemein verbreitete bätisch-lusitanische Pferd. Beim Rindvieh werden acht Rassen unterschieden, die von den Gegenden, in denen sie gezogen werden, ihre Benennung erhalten. Von Ribatejo kommen zumeist die zu den noch üblichen, aber in Portugal durchaus ungefährlichen Stiergefechten verwandten Ochsen. Auf die Schafzucht wird wegen der Wolle großer Wert gelegt. Die Produktion an letzterer beläuft sich auf jährlich 50,000 metr. Ztr. Bedeutend ist auch die Seidenraupenzucht, welche jährlich ca. 15,000 kg Rohseide liefert, und die Seefischerei (auf Sardinen, Thunfische etc.), welche 4000 Fahrzeuge beschäftigt. Neuerdings ist man auch auf die zahlreichen Austernbänke [* 27] aufmerksam geworden. Der Waldstand ist in Portugal sehr klein; Forstkultur wird wenig betrieben. Erwähnenswert ist der Staatsforst von Leiria, der ca. 9000 Hektar Waldung (vorherrschend Strandkiefern) hat. Die übrigen Forsten gehören meist zu alten Klostergütern; der hauptsächlichste davon ist der prächtige Wald von Bussaco.
Der Bergbau [* 28] ist ziemlich ausgedehnt, wäre aber bei dem Reichtum des Landes an Mineralschätzen einer größern Entwickelung fähig. Er liefert namentlich Kupfererz (150,000 metr. Ton.), Manganerz (14,000 metr. T.), Eisen-, Blei- und andre Erze, ferner Kohle (16,000 metr. T.). Aus dem Meerwasser wird in 1200 Salzteichen an der Seeküste Salz [* 29] gewonnen, jährlich ca. 250,000 metr. T., wovon bedeutende Mengen zum Export gelangen. An Baumaterial ist großer Reichtum; besondere Erwähnung verdient der häufige und mannigfaltige Marmor. Umfangreich sind auch die Thon-, Mergel- und Sandlager (selbst Porzellanerde bei Porto). In der Serra Estrella finden sich Granaten [* 30] und Hyacinthe, bei Batalha Achate, in der Serra Gerez Amethyste.
Die Industrie ist in mehreren Zweigen entwickelt, doch deckt sie bisher nur einen Teil des einheimischen Bedarfs und steht hinsichtlich der Güte der Erzeugnisse der ausländischen Produktion nach. Ihre Hauptsitze sind Lissabon und Porto. Bemerkenswert ist die Webindustrie, insbesondere die Schafwollweberei (zu Covilhão, Portalegre etc.), die Leinweberei (zu Guimaraes), die Baumwollmanufaktur (zu Porto, Lissabon, Penafiel, Vizella) und die Seidenfabrikation.
Die früher noch bedeutendere Lederfabrikation ragt auch gegenwärtig durch die Erzeugung von Saffian und Korduan hervor und liefert ebenso wie die Schuhwaren- und Hutfabrikation Exportartikel. Sehr anerkennenswert sind die Gold- und Silberarbeiten, von Silber namentlich Filigranarbeiten. In der keramischen Industrie verdienen die Fabriken in Marinha grande (für Glaswaren), in Vista Alegre (für Porzellan), in Lissabon und Porto (für Steingut und Schmelztiegel) genannt zu werden.
Für Buchdruckerei ist namentlich die Imprenta nacional in Lissabon wichtig. Papierfabriken gibt es ohne die kleinen Papiermühlen 18. Endlich ist noch die Eisenwaren- und Maschinenindustrie, die Branntweinbrennerei, Zuckerraffinerie und Schokoladefabrikation, die Fabrikation von Seife, Kerzen, Tabak, [* 31] die Verfertigung von Spitzen (zu Peniche) und Korkwaren sowie der Schiffbau zu erwähnen. Im J. 1884 wurde durch eine Erhebung bei der gesamten Industrie die Zahl der Etablissements mit 1299, die der Arbeiter mit 90,144 und der Wert der Fabrikate mit 27 Mill. Milreis festgestellt. Auf die Wollindustrie allein kamen 97 Etablissements mit 39,597 Arbeitern.
Im Welthandel nimmt Portugal nicht die Stelle ein, die ihm nach seiner Lage u. seiner Einwohnerzahl ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Portugal.
[* 2] Der äußere Handel Portugals hat im J. 1889 in der Einfuhr einen Wert von 220½ Mill. Mk., in der Ausfuhr einen solchen von 137 Mill. Mk. ergeben. Während die Einfuhr gegen 1888 um 22¼ Mill. Mk. gestiegen ist, betrug die Zunahme der Ausfuhr nicht ganz 6 Mill. Mk. Es ergibt sich hiernach ein bedeutendes, im Jahre 1889 weiter gesteigertes Mißverhältnis zwischen Ein- und Ausfuhr. Eine Zunahme zeigen in der Einfuhr Seiden-, Schafwoll-, Baumwoll- und Leinenwaren; ferner in erheblichem Maße Rindvieh, wovon fast 50,000 Stück gegen 35,000 im Vorjahr eingeführt wurden, Bauholz (7,6 gegen 5 Mill. Mk.), was auf die starke Bauthätigkeit in Lissabon zurückzuführen ist, Steinkohle (559,000 gegen 482,000 Ton.), Metalle und Metallwaren, Maschinen und Instrumente (13,8 gegen 11,4 Mill. Mk., welcher Zuwachs auf Rechnung industrieller Maschinen kommt).
Zurückgegangen ist dagegen namentlich die Einfuhr von Weizen (von 2,050,000 auf 1,540,000 metr. Ztr.), für welche Erscheinung der Grund im folgenden liegt: Um die Interessen der Landwirtschaft und des Handels in Einklang zu bringen, war durch das Gesetz vom verfügt worden, daß der Importeur ausländischen Weizens (meist der Müller selbst) eine bestimmte Quantität davon erst dann aus dem Zollhaus gegen Entrichtung des Eingangszolls beziehen darf, wenn er mittels Certifikats nachweist, daß er bereits zweimal soviel portugiesischen Weizen gekauft habe, während die Einfuhr von Mehl [* 32] (ausgenommen für Staatsbedarf) gänzlich verboten wurde.
Infolge geringer Vorräte an einheimischem Weizen hat die obige Vorschrift bald den Bezug fremden Weizens unmöglich gemacht, die Mühlenindustrie zum Stillstand gebracht und die Gefahr einer Brotkrisis herbeigeführt, während reichliche Mengen fremden Weizens in den Zollämtern lagen, ohne bezogen werden zu dürfen, da die Bedingungen des obigen Gesetzes nicht erfüllt werden konnten. Um dieser Notlage abzuhelfen, wurde mit dem Gesetz vom der Einfuhrzoll auf fremden Weizen auf jene Ziffer herabgesetzt, welche die Müller für annehmbar erklärten, um dem Gesetz vom entsprechen zu können, nämlich von 20 auf 16 Reis das Kilogramm.
Auch wurde die Vorschrift der Beibringung des erwähnten Nachweises für die Zeit bis zum suspendiert. Es herrscht sonach in der Agrarpolitik Portugals ein Hin- und Herschwanken zwischen Einfuhrverboten und Einfuhrbewilligungen, welches dem Verkehr nur schaden, dem Lande aber keinen Nutzen bringen kann. Der Handel des Mutterlandes mit den Kolonien hat von 1887 auf 1889 eine ansehnliche Steigerung (von 25,6 auf 31,5 Mill. Mk.) erfahren, welche fast ganz auf den Verkehr mit der Provinz Angola kommt. In der Ausfuhr haben zugenommen: Kork und [* 33] Korkwaren (14 gegen 12 Mill. Mk.), dann Erze (6 gegen 5 Mill. Mk.). Abgenommen hat dagegen die Ausfuhr von Viel) (4 gegen 5 Mill. Mk.) und ganz besonders die von Wein, welche von 1,730,800 hl im Werte von 58½ Mill. Mk. auf 1,475,800 hl im Werte von 56 Mill. Mk. gesunken ist. ¶
mehr
Die Ursache dieser Abnahme dürfte in dem starken Wettbewerb spanischer Weine auf dem französischen Markte zu Preisen, bei welchen der portugiesische Weinbauer nicht mehr seine Rechnung findet, liegen. Auch die Ausfuhr von Fischen ist von 5½ auf 4½ Mill. Mk. zurückgegangen. Von den eingeführten und wieder ausgeführten Kolonialwaren (zusammen 31,5 Mill. Mk.) ist Kaffee in der Wiederausfuhr von 56,000 metr. Ztr. im Werte von 3 Mill. Mk. auf 110,000 metr. Ztr. im Werte von 6½ Mill. Mk., Kakao von 39,000 metr. Ztr. im Werte von 1¼ Mill. Mk. auf 45,000 metr. Ztr. im Werte von 2 Mill. Mk. gestiegen.
Von Kolonialkaffee sind im Inland selbst etwa 45,000 metr. Ztr. verbraucht worden. Die Differenzen zwischen Portugal und England hinsichtlich der afrikanischen Machtsphäre (s. unten) haben auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder zurückgewirkt. Mit Benutzung der tiefgehenden Erregung der öffentlichen Meinung gegen England hat zu Anfang des Jahres 1890 der portugiesische Handelsverein eine Bewegung eingeleitet, welche auf den Abbruch aller Geschäftsbeziehungen mit England abzielte (der Wert der jährlich aus England nach Portugal eingeführten Waren beträgt ca. 60 Mill. Mk.). Doch bleibt abzuwarten, ob diese mit südländischer Hitze eingeleitete Bewegung eine nachhaltige sein wird und ob überdies Portugal zum wirtschaftlichen Kriege gegen das mächtige Britannien kräftig genug ist.
Die Eisenbahnen Portugals haben im J. 1888 einen Zuwachs um 84 km erfahren und hatten Ende des Jahres eine Ausdehnung [* 35] von 1913 km. Um dem wachsenden Defizit der Staatsfinanzen abzuhelfen, wurde durch Gesetz vom auf die Zölle und die meisten sonstigen Steuern, Abgaben und fiskalischen Einkünfte ein 6proz. Zuschlag eingeführt. Auch hat durch Gesetz vom noch eine besondere Erhöhung des Einfuhrzolls auf Tabaksfabrikate (um 1000 Reis für 1 kg Zigarren und um 500 Reis für jedes Kilogramm andrer Tabaksfabrikate) stattgefunden.
Geschichte. Die nationale Erregung über das schroffe, rücksichtslose Vorgehen der britischen Regierung gegen Portugal in Südafrika [* 36] dauerte 1890 fort. Die progressistische und republikanische Presse [* 37] bemächtigte sich derselben, um die Regierung zu bekämpfen und ihr Ansehen zu untergraben. Indes das Ministerium Serpa Pimentel zeigte sich entschlossen, seine Herrschaft und die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten. Der Gemeinderat (Camara municipal) von Lissabon, welcher eine Brutstätte republikanischer Bestrebungen war und außerdem durch fahrlässige Finanzverwaltung die Schuldenlast der Stadt übermäßig vermehrt hatte, wurde 11. März aufgelöst und durch eine königliche Kommission ersetzt.
Die Festigkeit [* 38] der Regierung übte einen vorteilhaften Einfluß auf die Wahlen für die Kammer aus, welche 30. März in aller Ruhe stattfanden und zum Vorteil des Ministeriums ausfielen. Die neue Kammer bestand aus 114 Konservativen, 30 Progressisten, 10 Monarchisten andrer Parteistellung und 3 Republikanern. Die Session der Kammer wurde 19. April vom König mit einer Thronrede eröffnet, in welcher er sein Vertrauen auf einen ehrenvollen Abschluß der Verhandlungen mit England aussprach und hervorhob, daß die Einnahmen des Staates dauernd im Zunehmen seien, während es nicht nötig sei, die Ausgaben für den öffentlichen Dienst zu steigern. An Vorlagen wurden die Bildung eines Unterrichtsministeriums, die Reform der Strafrechtspflege, die Gewährung der Preßfreiheit und ein Gesetz über das Versammlungs- und Vereinsrecht angekündigt.
Die Streitfrage mit den Vereinigten Staaten [* 39] von Nordamerika [* 40] und England über die Eisenbahn von der Delagoabai ins Innere wurde der Schweiz [* 41] zum Schiedsspruch übertragen. Durch die voreilige Erteilung der Konzession für diese Eisenbahn an den amerikanischen Unternehmer Mac Murdo hatte Portugal einen großen Fehler begangen; denn nachdem dieser die Bahn nicht gebaut und Portugal den Bau übernommen hatte, verlangte Amerika für Mac Murdo 760,000 Pfd. Sterl. Entschädigung.
Über das Gebiet in Südostafrika am Sambesi kam es zu einem Abkommen mit England, in welchem Portugal das Hochland des Schire und Blantyre verlor, aber mit seiner Westgrenze an den Congostaat und den obern Sambesi stieß und seine Verbindung mit den Besitzungen in Westafrika wenigstens durch einen schmalen Landstreifen aufrecht erhielt. Ein Artikel des Abkommens, welcher die Zustimmung Englands zu etwanigen Gebietsabtretungen von seiten Portugals vorbehielt, wurde 20. Aug. auf Verlangen Portugals dahin abgeändert, daß England ein Vorzugsrecht bei Erwerbung portugiesischen Gebiets eingeräumt wurde.
Gleichwohl erregte das Abkommen, als es der auswärtige Minister Hintze Ribeiro 15. Sept. der Kammer vorlegte, einen Sturm der Entrüstung, so daß der Minister gar nicht zu Worte kommen konnte und sofort seine Entlassung einreichte. Auf den Straßen von Lissabon brachen von neuem Tumulte aus. Das ganze Ministerium Serpa Pimentel fühlte sich dem Sturme nicht gewachsen und verlangte seinen Abschied. Die Bildung eines aus Konservativen und Progressisten zusammengesetzten Ministeriums verzögerte sich, da der König in Cintra krank lag und der in Aussicht genommene neue Ministerpräsident, der Gesandte beim päpstlichen Stuhle, Martens Ferrao, erst von Rom [* 42] eintreffen mußte.
Da es demselben nicht gelang, ein Ministerium zu stande zu bringen, übernahm es der 80jährige General João Chrysostomo de Abreu e Souza. Aber auch dieser vermochte erst Mitte Oktober, nachdem durch das Eindringen englischer Kanonenboote in die Sambesimündung die Lage noch verwickelter geworden war und der König daher dringend zur Einigkeit gemahnt hatte, ein Koalitionsministerium aus den Vertretern der verschiedenen parlamentarischen Parteien zu bilden, in welchem er selbst den Vorsitz und das Portefeuille des Krieges, ein Mitglied der Regeneradores, Barbosa del Bocaye, das Auswärtige und ein Progressist, Ennes, Marine und Kolonien übernahmen.
Das neue Ministerium erklärte in den Cortes, es könne die Annahme des Abkommens vom 20. Aug. in der vorliegenden Fassung nicht empfehlen, werde sich aber bemühen, das Einvernehmen zwischen Portugal und seinem frühern Verbündeten wiederherzustellen und zugleich die Würde und die Interessen des Volkes zu wahren; ferner versprach es, der brennenden finanziellen Frage seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen und durch strenge Sparsamkeit und schonungslose Ahndung aller Mißbräuche die Ordnung des Staatshaushalts anzubahnen.
Darauf wurde die Tagung der Cortes geschlossen und die Eröffnung der nächsten ordentlichen Tagung auf anberaumt. Portugal schlug nun England die Vereinbarung eines modus vivendi auf 6 Monate vor, durch welches das Abkommen vom 20. Aug. aufgehoben, der status quo ante in Südafrika hergestellt und von Portugal sofort die Schiffahrt auf dem Sambesi und Schire für frei erklärt wurde. Unter dem Einfluß der freundschaftlichen Vorstellungen verschiedener europäischer Mächte, welche auf die Gefahren hinwiesen, die der Monarchie in Portugal infolge der nationalen Erregung drohten, ¶
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nahm die englische Regierung den modus vivendi an und trat in neue Verhandlungen ein, um bis zum Ablauf [* 44] desselben (Ende Mai 1891) zu einer definitiven Verständigung zu gelangen. Einstweilen schickte die Regierung einige Truppen nach Afrika; [* 45] auch ein Bataillon portugiesischer Freiwilliger aus Brasilien wurde dahin gesandt. Dies teilte der König den Cortes bei der Eröffnung ihrer Sitzungen in der Thronrede mit, nach deren Verlesung die Cortes sofort bis zum März vertagt wurden.
Die Erschütterung des Ansehens des Königtums und der Behörden kam zu Tage, indem in Oporto [* 46] ein Militäraufstand ausbrach, der die Errichtung einer Republik zum Ziele hatte. Doch schlossen sich nur wenige Bürger der Erhebung an, und sie wurde daher von den treu gebliebenen Truppen in wenigen Stunden unterdrückt. Einer Verbreitung des Aufstandes über andre Städte wurde dadurch vorgebeugt. Die Regierung nahm aber den Vorfall zum Anlaß, um gegen die republikanischen Zeitungen mit Strenge einzuschreiten und einige der schlimmsten Hetzblätter zu unterdrücken. Die Cortes wurden 4. März wieder zusammenberufen, um eine Anleihe zur Konsolidierung der schwebenden Schuld und die Einführung des Tabaksmonopols zu genehmigen. Nachdem dies geschehen, wurden die Cortes 21. März wieder geschaffen.