Polarisation
,
galvanische.
Leitet man den
Strom einer galvanischen
Batterie mittels zweier mit den Poldrähten verbundener
Platinplatten durch verdünnte
Schwefelsäure,
[* 2] so scheidet sich an der negativen Polplatte Wasserstoffgas, an der positiven
Sauerstoffgas ab (s.
Elektrolyse).
[* 3] Unterbricht man nun den
Strom der
Batterie und setzt die beiden Platinplatten unter sich
durch einen
Schließungsbogen in leitende
Verbindung, so zeigt ein in diesen
Schließungsbogen eingeschaltetes
Galvanometer
[* 4] (s. d.)
einen elektrischen
Strom an, welcher innerhalb der
Flüssigkeit dem ursprünglich durchgeleiteten
Strom entgegengesetzt gerichtet
ist.
Die negative Platte hatte sich nämlich mit einer Schicht Wasserstoffs, welches elektropositiv ist, die positive Platte mit einer Schicht elektronegativen Sauerstoffs bedeckt; sobald der ursprüngliche Strom unterbrochen und eine äußere leitende Verbindung zwischen den beiden Platten hergestellt ist, können die beiden ausgeschiedenen Gase [* 5] ihrer Neigung, in ihre frühere Verbindung zurückzutreten, wieder folgen, und es stellt sich in der Flüssigkeit zwischen den beiden Polplatten derselbe Bewegungszustand her, welcher vorher bei der Zersetzung den Durchgang des Stroms vermittelte (vgl. Elektrolyse), nur in entgegengesetzter Richtung; es entsteht also ein dem ursprünglichen Strom entgegengesetzter elektrischer Strom, welcher so lange andauert, bis die beiden Gase sich wieder miteinander verbunden haben.
Während dieses Vorganges verhält sich der Zersetzungsapparat wie ein
galvanisches Element (s.
Galvanische Batterie),
[* 6] in welchem
die beiden mit
Wasserstoff und
Sauerstoff beladenen Platinplatten die
Rolle des positiven und des negativen Metalls spielen.
Um diesen ihren
Gegensatz zu bezeichnen, nennt man die in diesem Zustand befindlichen
Platten polarisiert
und den
Strom, zu welchem sie
Anlaß geben, den
Polarisationsstrom. Man kann aus solchen polarisierten Plattenpaaren von gleichem
Metall, indem man sie wie in der
Voltaschen
Säule miteinander verbindet, wirksame
Batterien zusammenstellen, welche man
Ladungssäulen
(sekundäre
Säulen)
[* 7] nennt, weil sie nach ihrer mehr oder weniger raschen Erschöpfung mittels Durchleitens
eines von einer gewöhnlichen galvanischen
Batterie gelieferten
Stroms immer wieder von neuem »geladen« werden müssen. Vgl.
Galvanische Batterie.
Die
»elektromotorische" Kraft, welche den
Polarisationsstrom in
Bewegung setzt, entspringt aus dem Verbindungsbestreben der
im Zersetzungsgefäß an dessen
Platten abgeschiedenen
Bestandteile; sie besteht nicht nur nach dem Aufhören des ursprünglichen
Stroms, sondern ist auch während seiner Dauer unausgesetzt thätig. Schaltet man daher in den Schließungskreis
einer galvanischen
Batterie ein Zersetzungsgefäß ein, so wird der
Strom nicht nur deswegen geschwächt, weil der Leitungswiderstand
durch Einschalten einer Flüssigkeitsschicht sich vergrößert hat, sondern auch, weil die
elektromotorische Kraft der im
Zersetzungsgefäß auftretenden Polarisation
[* 8] der elektromotorischen
Kraft
[* 9] der
Batterie entgegenwirkt. Da
der elektrische
Strom nicht nur durch den Schließungskreis, sondern auch durch die
Flüssigkeit eines jeden
Elements der
Batterie
geht, so wird auch diese
Flüssigkeit zersetzt, und die Gegenkraft der Polarisation
macht sich daher in jedem galvanischen
Element geltend.
Betrachten wir z. B. eine Zink- und eine Platinplatte (Smeesches Element), welche in ein Gefäß [* 10] mit verdünnter Schwefelsäure tauchen; wenn der Strom geschlossen ist, wird die Schwefelsäure zersetzt, ihr Wasserstoff scheidet sich an der Platinplatte aus, der Schwefelsäurerest verbindet sich mit dem Zink zu Zinkvitriol, welches Salz [* 11] sich in der Flüssigkeit auflöst. Diese Bildung von Zinkvitriol ist die Quelle [* 12] der elektromotorischen Kraft, welche in der Flüssigkeit einen elektrischen Strom in der Richtung von der Zink- zur Platinplatte in Bewegung setzt, während die Neigung des ausgeschiedenen Wasserstoffs, in seine ursprüngliche Verbindung ¶
mehr
mit dem Schwefelsäurerest zurückzutreten, jener Kraft als Polarisation
entgegenwirkt und einen Strom in entgegengesetzter
Richtung hervorzurufen bestrebt ist. Das Plattenpaar wird daher, bald nachdem es in Thätigkeit gesetzt ist, nur einen
schwachen Strom liefern, welcher dem Unterschied dieser beiden Kräfte entspricht. Nur unmittelbar nach dem Eintauchen der
Platten beobachtet man eine bedeutend größere Stromstärke, weil der in der Flüssigkeit absorbierte
atmosphärische Sauerstoff sich mit dem frei werdenden Wasserstoff sofort zu Wasser verbindet und dessen Ausscheidung und somit
auch die Polarisation
verhindert.
Sobald dieser absorbierte Sauerstoff aufgezehrt ist, sinkt der Strom auf die jenem Unterschied entsprechende viel geringere
Stärke
[* 14] herab und hört endlich ganz auf, wenn sich aus dem gebildeten Zinkvitriol metallisches Zink auf
der Platinplatte abzusetzen beginnt. Die Zusammenstellung Zink-Schwefelsäure-Platin oder das Smeesche Element bezeichnet man
daher als ein unbeständiges (inkonstantes) Element, weil sein Strom die anfängliche Stärke nicht behält, sondern sehr rasch
abnimmt. Um diese durch die Polarisation
bewirkte Abnahme möglichst zu vermeiden, braucht man nur dafür
zu sorgen, daß um die Platinplatte herum Sauerstoff verfügbar sei, welcher, indem er sich mit dem Wasserstoff verbindet,
dessen Ausscheidung verhindert.
Dies geschieht, indem man die Platinplatte nicht unmittelbar in die verdünnte Schwefelsäure stellt, sondern sie mit einer
porösen Thonzelle umgibt, welche konzentrierte Salpetersäure enthält. Diese an Sauerstoff reiche Säure
besitzt nämlich die Eigenschaft, einen Teil ihres Sauerstoffs an solche Stoffe, welche mit ihm in Verbindung zu treten fähig
sind (z. B. Wasserstoff), sehr leicht abzugeben. Die Zusammenstellung Zink in verdünnter Schwefelsäure, Platin in konzentrierter
Salpetersäure bildet daher ein konstantes (beständiges) Element (das Grovesche, s. Galvanische Batterie),
welches einen konstanten Strom liefert, der seine ursprüngliche Stärke längere Zeit unverändert beibehält. In derselben
Weise wirkt die Salpetersäure in dem Bunsenschen Element, welches sich von dem Groveschen dadurch unterscheidet, daß Kohle
die Stelle des Platins vertritt. In dem sehr konstanten Daniellschen Element (Zink in verdünnter Schwefelsäure,
Kupfer
[* 15] in Kupfervitriollösung) ist die Polarisation
dadurch vermieden, daß der Wasserstoff unter Schwefelsäurebildung aus
dem schwefelsauren Kupfer metallisches Kupfer abscheidet, welches sich statt des Wasserstoffs auf der Kupferplatte absetzt.