Titel
Poërio
,
1) Alessandro, ital. Dichter und
Patriot, geb. 1802 zu
Neapel
[* 3] als Sohn des
Patrioten
Baron Giuseppe Poërio
, der sich
in den
Parlamenten von 1799 und 1820 als Redner hervorthat und 1843 in
Florenz
[* 4] starb, kämpfte bei der
Erhebung von 1820 tapfer
in den
Reihen der revolutionären
Armee und teilte nach längerer Gefängnishaft das
Exil seines
Vaters.
Er besuchte in
Gesellschaft desselben
Deutschland,
[* 5] unterrichtete sich bei dieser Gelegenheit in deutscher
Sprache
[* 6] und Litteratur,
lag philosophischen und philologischen
Studien zu
Göttingen
[* 7] ob, verweilte auch in
Berlin,
[* 8]
Heidelberg
[* 9] und
Weimar,
[* 10] wo er von
Goethe
freundlich aufgenommen wurde.
Nach
Italien
[* 11] zurückgekehrt, ließ er, da seine engere
Heimat
Neapel ihm noch immer verschlossen blieb,
sich in
Florenz nieder, wo ihn neben andern gelehrten
Studien zunächst die Geschichte
Toscanas beschäftigte. Zugleich beteiligte
er sich lebhaft an der »Antologia«, einem belletristischen
Blatt,
[* 12] welches für den Fortschritt und die nationale
Einheit wirkte,
und begab sich 1831 nach
Marseille,
[* 13] wo er mit
General
Pepe konspirierte. Die geplante
Landung in
Italien kam
nicht zur Ausführung; ein neues
Exil war die
Folge des vereitelten Unternehmens. Als Poërio
1835 die Erlaubnis zur Rückkehr nach
Neapel erhalten, widmete er sich auf den
Wunsch seines
Vaters dem
Studium der
Jurisprudenz. Die Veröffentlichung eines
Bändchens Gedichte (Par. 1843) hatte, obschon anonym erschienen, eine neue Verfolgung und die
Beschlagnahme aller seiner
Papiere zur
Folge.
In den darauf folgenden
Jahren schrieb Poërio
mehrere patriotische
Gesänge von zündender
Wirkung. Seine Gedichte
erschienen jetzt unter seinem
Namen in
Rom,
[* 14]
Pisa
[* 15] und
Florenz; sie zählen zu den glutvollsten und wirksamsten
patriotischen Liedern der
Italiener. Das Jahr 1848 sah Poërio
in den
Reihen der
Kämpfer für die
Freiheit
Venedigs. Hier starb er 3. Nov. an
einer in einem
Gefecht bei
Mestre erhaltenen
Wunde. Seine
»Poesie« (neue Ausg.,
Flor. 1852) sichern dem Dichter ein dauerndes
Andenken.
Vgl.
Fr.
Marx, Alessandro Poërio
, ein Lebensbild mit lyrischem Anhang
(Graz
[* 16] 1868);
Imbriani, A. a Venezia; lettere e documenti (Neap. 1884).
2) Carlo, Baron, ital. Staatsmann, Bruder des vorigen, geb. 1803 zu Neapel, Advokat daselbst, ward wegen seiner freisinnige Bestrebungen eingekerkert, erhielt erst durch die Amnestie vom seine Freiheit wieder und wurde Anfang März Unterrichtsminister, nahm aber bald seine Entlassung. Er ward darauf in das Parlament gewählt, aber wegen Teilnahme an einem Geheimbund, welcher auf Italiens [* 17] Unabhängigkeit abzweckte, im September 1849 zu 24 Jahren Kettenstrafe verurteilt und im Februar 1851 in Nisida eingekerkert, wo seine grausame Behandlung auf Gladstones Betrieb die Intervention Englands veranlaßte. Von da ward er nach Ischia [* 18] und später nach Montesacchio gebracht und sollte 1858 nach Südamerika [* 19] deportiert werden, erlangte aber unterwegs die Freiheit. Er wurde hierauf sardinischer Senator und 1861 einer der Vizepräsidenten des italienischen Parlaments. Er starb in Florenz. In Neapel wurde ihm ein Denkmal errichtet.