Titel
Pitt
,
1)
Thomas, der
Gründer des
Hauses
Chatham, geb. 1653, wurde gegen das Ende des
Jahrhunderts
Gouverneur von
Madras.
[* 2] Hier brachte
er den unter dem
Namen
Pitts-Diamant bekannten großen
Diamanten (s. Tafel
»Diamanten«,
[* 3] Fig.
2)
an sich, den er später an den
Herzog von
Orléans
[* 4] als
Regenten von
Frankreich verkaufte. Pitt
saß in vier
Parlamenten und starb 1726.
2) William, Graf von Chatham, berühmter engl. Staatsmann, Enkel des vorigen, geb. zu Boconnock in Cornwall, trat in ein Dragonerregiment, erhielt aber 1735 durch die Herzogin von Marlborough einen Sitz im Parlament, wo er sein glänzendes Rednertalent in den Dienst der Opposition gegen Walpole stellte. 1746 wurde er Vizeschatzmeister von Irland und bald darauf Geheimrat und Generalzahlmeister der Armee. Nachdem er 1755 aus dieser Stellung geschieden, ward er 1756 zum Staatssekretär ernannt, erhielt aber schon nach zwei Monaten seine Entlassung, da er den Krieg nur mit Rücksicht auf die englischen Interessen und ohne Berücksichtigung der hannöverschen Erblande des Königs geführt wissen wollte.
Doch war die öffentliche Meinung so entschieden auf seiner Seite, daß schon nach einigen Monaten seine Wiederanstellung erfolgte. Er führte nun das Staatsruder so geschickt und kraftvoll, daß England bald über Frankreich in allen Weltteilen die größten Vorteile errang. Die ungeheuern Erfolge seiner Politik bewirkten, daß der große Staatsmann vom Volk bald vergöttert wurde. Als er nach Georgs III. Thronbesteigung von dem Familientraktat zwischen Frankreich und Spanien [* 5] Kunde bekam, drang er auf unverweilte Kriegserklärung gegen Spanien, ward aber durch den Einfluß des Grafen Bute im Kabinett überstimmt und trat daher zurück.
Vergebens versuchte
Bute 1762 und 1765 ihn wieder in das
Kabinett zu ziehen, Pitt
trat an die
Spitze der
Whigs
und blieb in der
Opposition. Im März 1766 übernahm er die
Bildung eines aus Männern aller
Parteien zusammengesetzten
Ministeriums,
worin er sich den
Posten eines
Siegelbewahrers vorbehielt, und trat gleichzeitig mit dem
Titel
Lord
Chatham
in das
Oberhaus. Als die unglückseligen Maßregeln gegen die nordamerikanischen
Kolonien ergriffen wurden, riet er umsonst
zur Mäßigung.
Als aber nach dem
Abschluß des Bündnisses der
Vereinigten Staaten
[* 6] mit
Frankreich die
Minister auf
Frieden drangen, eilte Pitt
vom
Krankenlager ins
Oberhaus und hintertrieb durch eine ergreifende
Rede diesen Schimpf. Kaum hatte er geendet,
als ihn eine
Ohnmacht überfiel; bald darauf, starb er auf seinem
Landgut
Hayes bei
Kent.
Vgl. Almon, Anecdotes of
William Pitt
,
Earl of
Chatham, with his speeches in Parliament (4. Aufl., Lond. 1810, 3 Bde.);
»Correspondance of the Earl of Chatham« (das. 1838-40, 4 Bde.);
Thackeray, Life of Chatham (das. 1827, 2 Bde.).
3) William, der jüngere, ebenfalls berühmter brit. Staatsmann, zweiter Sohn des vorigen, geb. studierte zu Cambridge und trat 1780, da ihm sein Vater nur ein unbedeutende Vermögen hinterlassen hatte, in London [* 7] als Sachwalter auf. Durch den Einfluß des Herzogs von Rutland erlangte er schon im folgenden Jahr einen Sitz im Unterhaus für Aggleby. Er schloß sich hier der Whigpartei an, die sein Vater bis zu seinem Tod geleitet hatte, sprach gegen den amerikanischen Krieg, trug 1782 wesentlich zu dem Sturz des Ministeriums North bei und errang sich durch sein Drängen auf Abschaffung der Testakte, Emanzipation der Katholiken und namentlich auf Reform des Parlaments große Popularität.
Untergeordnete
Ämter, die ihm angeboten wurden, lehnte er ab; als aber
Fox 1782 resignierte, trat Pitt
als Schatzkanzler in
das
Ministerium
Shelburnes ein. Seitdem war er der erklärte Gegner von
Fox und dessen
Politik.
In das nach
Shelburnes
Sturz 1783 gebildete Koalitionsministerium
Fox-North trat er deshalb nicht ein und bekämpfte die von
Fox eingebrachte
Indiabill, wonach alle
Rechte der
Kompanie an den
Staat übergehen sollten, im
Unterhaus auf das heftigste; sie ging zwar trotzdem
durch, wurde aber im
Oberhaus durch die unmittelbar Einwirkung des
Königs verworfen.
Georg III. entließ darauf das
Ministerium und ernannte den 24jährigen Pitt
zum
Premier; das
Unterhaus wurde 1784 aufgelöst,
und in dem neu zusammentretenden hatte Pitt
die überwältigende Mehrheit. Durch eine neue Indiabill, die er einbrachte,
wurde die
Ostindische
Kompanie einer von der
Krone zu ernennenden Kontrollbehörde unterworfen. Mit großer
Energie und Umsicht ordnete Pitt
darauf das zerrüttete
Finanzwesen und hob namentlich durch die Einführung von
Tilgungsfonds
den öffentlichen
Kredit. 1786 brachte er einen günstigen Handelsvertrag mit
Frankreich zu stande. Allein die Ausschreitungen
der französischen
Revolution machten Pitt
, dem sich seit 1791 viele ehemalige
Whigs unter
Führung
Burkes
anschlossen, immer konservativer, und er bestrebte sich, dem Umsichgreifen der demokratischen
Ideen in
England durch die
Fremdenbill,
die zeitweilige
Suspension der
Habeaskorpusakte, die Beschränkung des
¶
mehr
Vereins- und Versammlungsrechts und der Presse
[* 9] so energisch zu steuern, daß ihn der Konvent zu Paris
[* 10] für den »Feind des Menschengeschlechts«
erklärte. Der Aufstand der Irländer wurde mit blutiger Strenge unterdrückt und der infolge des kostspieligen, wenngleich
wenig erfolgreichen Kriegs mit Frankreich und wiederholte Mißernten gefährdete öffentliche Kredit 1797 durch die
Suspension der Bankakte und das Verbot der Bezahlungen vor völliger Vernichtung bewahrt, während die Einführung einer
Einkommensteuer und wiederholte Anleihen die Mittel zur Fortsetzung des Kriegs gewährten und Pitt
in den Stand setzten, die nach
dem 18. Brumaire gemachten Friedensvorschläge Bonapartes unbeantwortet zu lassen.
Durch kolossale Bestechungen und glänzende Vorspiegelungen wurde Irland, um ihm jede selbständige Bewegung
unmöglich zu machen, ganz mit England vereinigt (1800). Als aber der König sich weigerte, die von Pitt
den irischen Katholiken
in Aussicht gestellte Emanzipation gutzuheißen, resignierte derselbe und ihm folgte ein Ministerium Addington, das
im Mai 1802 den Frieden von Amiens
[* 11] schloß. Als 1803 der Krieg wieder entbrannte, übte Pitt
selbst eine kleine
Freischar dazu ein, stürzte demnächst mit Fox das kraftlose Ministerium Addington und übernahm wieder sein früheres
Amt. Er ordnete nun die großartigsten Rüstungen
[* 12] an und brachte die dritte Koalition gegen Frankreich zuwege.
Aber auf seine ohnehin schwächliche Konstitution wirkten die ungeheuern Geschäftsanstrengungen höchst
nachteilig ein. Die Nachricht von dem Ausgang der Schlacht bei Austerlitz
[* 13] gab ihm den Todesstoß. Er starb mit dem
Seufzer: »Oh my country!« (O mein Vaterland!). Es ward ihm ein Monument in der Westminsterabtei errichtet, und durch
Parlamentsbeschluß übernahm die Nation die Bezahlung von 40,000 Pfd. Sterl. Schulden, die Pitt
, der auch als Inhaber der höchsten
Ämter nie daran gedacht hatte, ein Vermögen zu sammeln, hinterließ.
Einfachheit und Liebenswürdigkeit zeichneten sein Privatleben aus. An P. als Redner rühmte man die klare Verständigkeit, die vortreffliche Dialektik, die vollendete innere und äußere Abrundung. Seine bedeutendern Reden sind in mehreren Ausgaben gesammelt.
Vgl. Gifford, A history of the political life of William Pitt
(Lond. 1809, 6 Bde.);
Tomline, Memoirs of the life of William Pitt
(das. 1821, 2 Bde.);
Stanhope, Life of William Pitt (4. Aufl., das. 1879, 3 Bde.);
Trauttwein v. Belle, William Pitt der jüngere (Berl. 1870);
Sergeant, W. Pitt (Lond. 1882).