Pindaros
(Pindar), der größte lyr. Dichter der Griechen, geb. 522 v. Chr. zu Kynoskephalä bei Theben, stammte aus dem altadligen Geschichte der Ägiden. Den ersten Unterricht in der Musik erhielt er von seinem Vater, dem Flötenspieler Daiphantos, seine weitere Ausbildung von dem Musiker Lasos von Hermione und den böotischen Dichterinnen Myrtis und Korinna. Vom 20. Jahr an bis in sein hohes Alter war er dichterisch thätig. Meist lebte er in Theben, wegen seiner Kunst und Frömmigkeit weit und breit berühmt und geehrt von freien Gemeinden und Fürsten, wie von Amyntas von Makedonien, den Aleuaden in Thessalien, Arkesilas von Kyrene, Theron von Agrigent und Hieron von Syrakus, [* 2] an dessen Hof er [* 3] 476-472 lebte.
Als besonderer Liebling des Apollon [* 4] hatte er im delphischen Tempel [* 5] einen eignen Sessel und wurde zum Göttermahl der Theoxenien regelmäßig dorthin eingeladen. Die Athener erstatteten ihm nicht nur eine Geldbuße zurück, in die ihn seine Mitbürger wegen der Verherrlichung des mit Theben verfeindeten Athen [* 6] genommen hatten, sondern erteilten ihm auch die Ehre der Proxenie und errichteten ihm eine eherne Bildsäule. Er starb 442 zu Argos im Theater [* 7] eines sanften Todes.
Sein Andenken ehrte noch
Alexander d. Gr. dadurch, daß er bei
Thebens Zerstörung das
Haus des Dichters allein verschonte. Pindaros'
Dichtungen,
welche die alexandrinischen
Gelehrten in 17
Bände teilten, bestanden in
Hymnen,
Päanen, Dithyramben,
Parthenien,
Enkomien, Hyporchemata,
Threnodien,
Skolien und Epinikien. Außer Bruchstücken sind uns fast vollständig nur die 4
Bände
Siegeslieder (Epinikien) erhalten, welche
Sieger in den großen nationalen
Festspielen verherrlichen: 14 auf olympische, 12 auf
pythische, 11 auf nemeische und 8 auf isthmische
Sieger.
Die
Lieder, welche teils am Festort, teils bei der Siegesfeier in der
Heimat von einem
Chor gesungen wurden,
verherrlichen den
Sieg nicht durch eine eingehende
Beschreibung, sondern aus den Verhältnissen der
Heimat des Siegers; der
persönlichen
Stellung des letztern u. der Art seines
Sieges entnimmt Pindaros
einen Hauptgedanken, den er nach kunstvollem, freilich
oft durch Nebengedanken u. Einrichtung passender
Mythen verdunkeltem
Plan durchführt. Das kleinste wie
das größte Gedicht ist ein durch wunderbare
Harmonie von
Inhalt und Form
in sich ab geschlossenes Kunstwerk.
Der
Charakter der Pindarischen
Muse ist Großartigkeit und Erhabenheit in
Gedanken,
Ausdruck und
Metrum und tiefe, warme
Religiosität.
Pindaros'
Wörterschatz und
Dialekt beruhen auf Homerischer Grundlage, sind aber vielfach mit dorischen und
äolischen
Formen gemischt. Der vorherrschende
Bau der
Gesänge ist die Dreiteilung in
Strophe,
Antistrophe und
Epode. Als musikalische
Begleitung werden die
Lyra
[* 8] und
Phorminx, zuweilen auch die
Flöte genannt. Die besten
Ausgaben des Pindaros
lieferten: Böckh (Leipz.
1811-22, 2 Bde. in 4
Tln.),
Dissen (Gotha
[* 9] 1830, 2 Bde.; 2. Aufl.
von
Schneidewin, unvollendet, das. 1843-47),
Schneidewin (Leipz. 1865), T.
Mommsen (Berl. 1864, 2 Bde.;
Text, das. 1866),
Bergk
(Bd. 1 der »Poetae
lyrici graeci«, 4. Aufl., Leipz. 1879),
Christ (das. 1869);
Übersetzungen: Thiersch (mit griech. Text, Leipz. 1820, 2 Bde.), Hartung (desgl., das. 1855-56, 4 Tle.), T. Mommsen (das. 1846), Donner (das. 1860), M. Schmidt (Jena [* 10] 1869).
Eine Ausgabe der Scholien besorgte Abel (Berl. 1884 ff.); Wörterbücher gaben Rost (Leipz. 1831-33) und Rumpel (das. 1883) heraus.
Vgl. Friederichs, Pindarische Studien (Berl. 1863);
Bippart, Pindars Leben, Weltanschauung und Kunst (Jena 1848);
T.
Mommsen, Pindaros
(Kiel
[* 11] 1845);
L. Schmidt, Pindars Leben und Dichtung (Bonn [* 12] 1862);
Rauchenstein, Einleitung in Pindars Siegeslieder (Aar. 1843);
Mezger, Pindars Siegeslieder erklärt (Leipz. 1880);
Croiset, La poésie de Pindare et les lois du lyrisme grec (2. Aufl., Par. 1886).