Pharmakopöe
(griech., »Vorschrift für die Arzneibereitung«),
Bezeichnung für Werke, welche meist in alphabetischer
Folge die rohen Arzneistoffe
und, abgesehen von besondern ärztlichen
Verordnungen, auch gewisse Mischungen aufzählen, die in den
Apotheken vorrätig zu
halten oder anzufertigen sind, wozu noch einzelne für die pharmazeutische
Technik erforderliche, nicht eigentlich arzneiliche
Substanzen kommen.
In den meisten zivilisierte
Ländern werden die Pharmakopöen
von den Staatsbehörden herausgegeben und mit
Gesetzeskraft ausgestattet, in den
Vereinigten Staaten
[* 2]
Nordamerikas und der
Schweiz
[* 3] von den Apothekervereinen.
Zweck der Pharmakopöen
ist, die stets gleiche und richtige
Beschaffenheit der angedeuteten
Stoffe zu sichern. Die
Rohstoffe
aus den drei
Naturreichen werden in
Kürze so geschildert, daß ihre Echtheit,
Güte und zweckmäßige
Erhaltung zu erkennen
ist und
Verwechselungen ausgeschlossen werden. In betreff der
Körper, welche
Elemente oder bestimmte
chemische Verbindungen
darstellen, heben die bessern Pharmakopöen
für den Apotheker und den
Arzt mit vollkommener
Schärfe die
Mittel zur ausreichendsten
Prüfung hervor.
Dieser Aufgabe muß um so mehr Sorgfalt gewidmet werden, als der Apotheker heutzutage die chemischen
Präparate ankauft, nicht
mehr selbst darstellt und doch für ihre
Güte verantwortlich ist.
Manche Mischungen, z. B.
Pflaster,
Salben,
Pulver, sogen. Theespezies, werden vorrätig gehalten, während es in der
Natur der
Sache liegt, daß umgekehrt gewisse andre
Arzneien durchaus nur im
Augenblick des
Bedarfs gemischt werden dürfen. Darüber geben die Pharmakopöen
ebenfalls Vorschriften.
Sämtliche Bestimmungen sind möglichst kurz gefaßt, da die Pharmakopöen
Gesetzbücher, nicht Lehrbücher
sein sollen; die pharmazeutische Litteratur hat deshalb auch eigne erläuternde Werke,
Kommentare, zu den Pharmakopöen
aufzuweisen.
Dem eigentlichen
Inhalt der Pharmakopöen
pflegen auch wohl noch zur Bequemlichkeit des Apothekers praktische
Tabellen beigegeben
zu werden, z. B. über die Löslichkeit der in
Wasser,
Weingeist etc. auflöslichen
Substanzen, über das
spezifische Gewicht von
Weingeist und andern
Flüssigkeiten, deren
Gehalt zu erforschen ist, endlich auch die so sehr wichtigen
Angaben über die Gewichtsmengen, in welchen
Gifte nicht mehr verabreicht werden dürfen, sofern es nicht vom
Arzt ganz ausdrücklich
verlangt wird
(Tabula
A der Pharmacopoea germanica).
Ebenso schreibt die Pharmakopöe
vor, welche
Arzneimittel an abgeschlossenen
Orten (cautissime) aufzubewahren sind
(Tabula B:
arsenige Säure,
schwefelsaures
Atropin,
Quecksilberchlorid,
-Jodid,
-Cyanid,
-Jodür,
Quecksilberoxyd, weißes
Präzipitat,
Liquor Hydrargyri nitrici,
Liquor
Kali arsenicosi,
Phosphor, salicylsaures Psysostigmin, salpetersaures
Strychnin,
Veratrin), und diejenigen, welche von
den übrigen
Arzneimitteln getrennt (caute) aufzubewahren sind
(Tabula C). In frühern
Zeiten war es auch
üblich, im Anhang die
Preise der Arzneistoffe vorzuschreiben; im 17. und 18. Jahrh. hatte jeder deutsche
Staat seine besondere
Taxe und meist auch seine eigne Pharmakopöe.
Über die heutigen bezüglichen
Anschauungen vgl.
Hirsch,
[* 4] Über die der Bearbeitung einer
Pharmakopöe
zu
Grunde zu legenden Prinzipien (Berl. 1876). Die frühsten dem
Begriff einer Pharmakopöe
ungefähr entsprechenden
Werke wurden im 9.-12. Jahrh. von den Arabern verfaßt, dann besonders in der Zeit von 1050 bis
in die Mitte des 15. Jahrh. von der medizinischen
Schule zu
Salerno.
Deutschland
[* 5] erhielt zuerst 1535 durch Cordus (s.
Pharmakognosie) auf Verlangen des
Rats zu
Nürnberg
[* 6] eine
Pharmakopöe
, welcher 1564 diejenige von
Augsburg
[* 7] folgte. 1872 trat in
Deutschland an
Stelle der in den einzelnen
Bundesstaaten geltenden
Pharmakopöen
die Pharmacopoea germanica (2. Aufl. 1882); die übrigen sind sehr vollzählig angeführt
in
Scherer, Literatura pharmacopoearum (Leipz. 1822); die
Taxen in
Flückiger,
Dokumente zur Geschichte der
Pharmazie
(Halle
[* 8] 1876). Die jetzt bestehenden Pharmakopöen
sind folgende 19: Pharmacopoea Austriaca 1869,
Ph.
Belgica nova 1854,
British Pharmacopoeia 1867 und
Additions 1874,
Ph. Danica 1868, Farmacopea Española 1865,
Ph. Fennica
(Finnland) 1863, Pharmacopée
Française 1866,
Ph. Germanica 1882, Hellenikē Pharmacopoiīa
(Griechenland)
[* 9] 1868,
Ph. Helvetica 1872 und
Supplement 1876,
Ph. Hungarica 1871, Pharmacopoeia of
India 1868, Codigo farmaceutico Lusitano
(Portugal)
[* 10] 1858,
Ph. Neerlandica 1871,
Ph. Norvegica
1870,
Ph.
Romane
(Rumänien)
[* 11] 1862,
Ph. Russica 1871,
Ph. Suecica 1869, Pharmacopoeia of the
United States 1873.
Vgl.
Hirsch, Universalpharmakopöe.
Vergleichende Zusammenstellung der zur Zeit in
Europa
[* 12] und
Nordamerika
[* 13] gültigen Pharmakopöen
(Leipz. 1884 ff.).
Kommentare zur deutschen Pharmakopöe
lieferten: Mohr (Braunschw. 1874) und
Hager (Berl. 1882-84, 2 Bde.);
zur österreichischen Schneider-Vogl (3. Aufl., Wien [* 14] 1881, 3 Bde.).