Pflanzenhandel
,
der Handel mit lebenden Pflanzen sowie mit Zwiebeln und Knollen, [* 2] welcher erst mit der Entwickelung des Eisenbahnwesens größere Dimensionen angenommen hat. Sonst beschränkte sich der Verkehr mehr auf seltene und wertvolle oder durch die Mode begünstigte und oft als Spekulationsobjekte der Liebhaberei für schwindelhafte Preise vertriebene Pflanzen (vgl. Tulpe); gegenwärtig aber hat sich die Massenproduktion auf gewöhnliche, billige Pflanzen geworfen, welche nun in weite Ferne verschickt werden.
Die Handelsgärtnerei, welche sonst einen lokalen Halt haben mußte, daher sich an verkehrsreiche Städte band, ist vielfach auf das Land verpflanzt worden, besonders in Gegenden mit günstigen Produktionsbedingungen, wozu besonders gute Heideerde gehört. Zugleich hat sich eine Arbeits- oder vielmehr Pflanzenteilung ausgebildet, indem einzelne Gärtner und Orte nur oder hauptsächlich gewisse Pflanzen ziehen und vertreiben. Die Geschäftsvermittelung bilden seit einigen Jahren gärtnerische Anzeigeblätter, sogen. Offertenzeitungen.
Der jetzige Pflanzenhandel
ist großenteils international und besonders lebhaft zwischen
Deutschland,
[* 3]
Belgien,
[* 4]
Holland,
England,
Frankreich,
Rußland und
Nordamerika.
[* 5] Der deutsche Pflanzenhandel
steht etwa dem von
Frankreich gleich, kann sich aber nicht mit
dem von
Belgien und
England messen.
Deutschland zieht und exportiert massenhaft grüne
Dekorationspflanzen, einschließlich
Zimmerpalmen, besonders viele
Gummibäume und Dracänen, und für diese und Maiblumenkeime war bis jetzt
Berlin
[* 6] der Hauptproduktionsplatz
(daher
»Berliner
[* 7]
Artikel«).
Leipzig
[* 8] und
Dresden
[* 9] haben namentlich
Camellia,
Rhododendron,
Azalea,
Erica
(»Dresdener
Artikel«). In
Frankreich
herrschen im
Export die Baumschulenprodukte und
Rosen vor.
Nancy
[* 10] liefert
Massen von neuen »Florblumen«.
Holland hat neben dem
weltbekannten Blumenzwiebelhandel die zahlreichsten
Baumschulen, mit deren
Artikeln es sogar
England versieht.
Belgien liefert
hauptsächlich holzige
Topfpflanzen, neue exotische Einführungen und Obstbäume. Der Hauptsitz für den belgischen Pflanzenhandel
ist
Gent.
[* 11]
England verbreitet nur seltene Pflanzen in das Ausland, zieht aber für eignen Bedarf Musterzierpflanzen wie sonst kein Land. Eine wichtige Stelle nimmt gegenwärtig die Einführung neuentdeckter Pflanzen und der Orchideen [* 12] ein. Belgien und England, weniger Deutschland, unterhalten stets reisende Sammler, wovon die Mehrzahl Deutsche [* 13] sind. Gegenwärtig liefert Japan, [* 14] nächst dem Mittel- und das westlichste Nordamerika, auch Australien [* 15] und Afrika [* 16] die meisten neuen Pflanzen.
Gleich wichtig ist der Handel mit künstlich von den Gärtnern neuerzeugten Blumensorten (Fuchsien, Bouvardien, Rosen, Pelargonien etc.). Ferner blüht jetzt der Handel mit abgeschnittenen Blumen, besonders Rosen, vom genuesischen Küstenland, der Riviera, nach Berlin u. a. O. im Winter, mit sogen. Teppichpflanzen, d. h. krautartigen, meist nicht blühenden Pflanzen für sogen. Teppichbeete, welche leicht und schnell anzuziehen sind. Es ist ein Vorzug des Geschäftsbetriebs, daß er sich auf verschiedene Jahreszeiten [* 17] verteilt, so die Baumschulenartikel auf Frühjahr und Herbst, Blumenzwiebeln hauptsächlich auf August und September; Florblumen und Teppichpflanzen werden im spätern Frühjahr, neue Pflanzen immer, mit Ausnahme des Winters, abgesetzt. Die in Deutschland gezogenen Gummibäume, Dracänen, Palmen [* 18] etc. werden meist im Spätsommer und Herbst verschickt, um die Anzuchtslokale zu räumen; Kamelien und indische Azalien versendet man im Sommer und Herbst, seltener blühende im Frühling. - In neuerer Zeit hat man angefangen, lebende Blumen, besonders Rosen, zu färben, teils um Ersatz für kostbarere Sorten aus billigern Rosen zu schaffen, teils um die Blumen in Einklang mit der Toilette der Damen zu bringen. In Wien [* 19] werden weiße Rosen durch Einhängen in eine alaunhaltige Lösung von Pikrinsäure und etwas Anilinorange in Theerosen verwandelt. Blasse Rosen werden mit einer alaunhaltigen Lösung von Eosin und Safranin purpurrot gefärbt, und mit Jodviolett färbt man jede Rose blauviolett. Nelken werden mit Safranin und Kurkuma hell scharlachrot gefärbt, und mit einer heißen Lösung von Fuchsin oder Methylviolett erhalten Blumen und Gräser [* 20] Kupferbronze.
Vgl. Braunsdorf, Das Trocknen und Färben natürlicher Blumen etc. (Wien 1888).