Pflanzenbasen
,
s. v. w. Alkaloide.
Pflanzenbasen
9 Wörter, 94 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Pflanzenbasen,
s. v. w. Alkaloide.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Pflanzenbasen,
soviel wie Pflanzenalkaloide, s. Alkaloide. ^[= stickstoffhaltige Körper von basischem (alkaliähnlichem) Charakter, die sich in vielen Pflanzen, ...]
(Pflanzenbasen), eigentümliche, oft durch hervorragende physiologische Wirkungen ausgezeichnete Pflanzenstoffe, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff bestehen, meist auch Sauerstoff enthalten und in mancher Hinsicht den Alkalien (daher der Name) gleichen, namentlich auch mit Säuren gut charakterisierte Salze bilden. Sie sind weit verbreitet im Pflanzenreich und am häufigsten und reichlichsten in Früchten, Samen [* 3] und Rinden. Ihr Vorkommen steht in merkwürdigem Zusammenhang mit dem Familiencharakter, also der besondern Organisation der Pflanzen. So besitzt jede Gattung der Pflanzenfamilien der Solaneen und Papaveraceen ein oder selbst mehrere besondere Alkaloide, die sonst nirgends vorkommen; in andern Familien, z. B. bei den Strychnaceen, führen alle oder doch viele Gattungen eins und dasselbe Alkaloid, und nur wenige Alkaloide sind, wie das Berberin und Kaffein, über mehrere Familien verbreitet.
Die größere Zahl der Pflanzenfamilien und darunter die artenreichen der Kompositen [* 4] und Labiaten führen keine von den Monokotyledonen sind Alkaloide nur aus der Familie der Kolchicaceen, und aus dem Reich der Kryptogamen ist allein das Muscarin bekannt. Die Zahl der gegenwärtig bekannten Alkaloide mag über 100 betragen. Wenige Alkaloide sind flüchtige, wasserhelle, intensiv riechende, in Alkohol, Äther und Chloroform, meist auch in Wasser lösliche Flüssigkeiten; die meisten sind fest, farb- und geruchlos, schmecken bitter, sind nicht oder nur in sehr kleinen Mengen unzersetzt sublimierbar, kristallisieren, sind in Wasser schwer oder gar nicht, in Alkohol, Benzin, Amylalkohol, Chloroform leicht löslich, reagieren stark alkalisch und geben mit Säuren feste, geruchlose, in Alkohol leichter als in Wasser und Äther lösliche Salze. Die Alkaloidsalze der Gerbsäure, Phosphormolybdänsäure, Pikrin- und Metawolframsäure und die Doppelsalze mit Platin- und Goldchlorid sind schwer löslich. Alkalien, alkalische Erden und Ammoniak fällen die Alkaloide aus ihren Salzen; konzentrierte Säuren färben manche eigentümlich und oft sehr schön. - Zur Darstellung der flüchtigen Alkaloide destilliert man die Vegetabilien mit Wasser und Kalk- oder Natronhydrat, wobei das in den Pflanzen enthaltene Alkaloidsalz zersetzt wird und das Alkaloid selbst sich mit den Wasserdämpfen verflüchtigt, neutralisiert das Destillat mit Schwefelsäure [* 5] und extrahiert aus dem Verdampfungsrückstand desselben das Alkaloidsalz mit Ätherweingeist.
Die nicht flüchtigen Alkaloide werden mit angesäuertem Alkohol den Pflanzen entzogen, mit Alkali aus dem filtrierten Auszug gefällt und dann gereinigt. Die in Wasser löslichen fällt man mit Phosphormolybdänsäure, trennt sie dann wieder von dieser mittels kohlensauren Kalks, löst sie in Alkohol und verdampft diesen. Welche Rolle die Alkaloide im Leben der Pflanzen spielen, ist nicht bekannt. Man weiß nur, daß der Chinarindenbaum in unsern Gewächshäusern gedeiht und, ohne zu kränkeln, vollständig aufhört, Chinin zu erzeugen; auch wächst Schierling in Schottland ganz üppig, aber ohne einen Gehalt an Coniin. Die chemische Konstitution der Alkaloide ist erst in neuester Zeit aufgeklärt worden, es hat sich gezeigt, daß die in naher Beziehung zu den Pyridinbasen stehen, und es ist nunmehr begründete Aussicht vorhanden, daß die künstliche Darstellung von Alkaloiden gelingen werde.
Auf den tierischen Organismus wirken die Alkaloide sehr energisch. Die meisten Alkaloide bilden den eigentlich wirksamen Bestandteil von Arzneimitteln (Chinin in der Chinarinde, Atropin in der Belladonna etc.), finden sich darin aber in sehr geringen und oft schwankenden Mengen, so daß die Wirkung des Vegetabils selbst eine viel weniger sichere ist als die des reinen Alkaloids. Manche Pflanzen enthalten auch Substanzen, welche störende Nebenwirkungen hervorbringen, und deshalb ¶
ist die Benutzung der Alkaloide als Arzneimittel sehr allgemein. Sie wirken schon in sehr geringen Mengen bedeutend auf den Organismus. Man gibt sie oder noch häufiger ihre Salze in fester und flüssiger Form, appliziert sie direkt auf Schleimhäute oder spritzt ihre Lösungen unter die Haut [* 7] (subkutane Injektion). [* 8] Die Wirkung macht sich teilweise schon im Blut geltend, ist jedoch hauptsächlich auf das Nervensystem gerichtet. Auffallend ist der Gegensatz in der Wirkung mancher Alkaloide (Antagonismus). So hebt Atropin die giftigen Wirkungen des Morphins auf und umgekehrt, aber das Atropin hindert nicht die schmerzstillende Wirkung des Morphins, und man kann daher in dieser Beziehung mit letzterm viel größere Resultate erzielen, wenn man gleichzeitig wie als Schutzmittel Atropin darreicht.
Von manchen Alkaloiden vernichten schon sehr geringe Mengen das Leben, und Vergiftungen erfordern schleunigste ärztliche Hilfe, welche sich zunächst auf Überführung des Gifts in unlösliche Form mittels Tannins und Entfernung desselben aus dem Körper richtet. Die Nachweisung der Alkaloide bei Giftmorden gelingt in den meisten Fällen. Man extrahiert den Mageninhalt etc. mit angesäuertem Alkohol und erhält so eine Lösung des Alkaloids als Salz, [* 9] welche man durch Verdampfen von Alkohol befreit, mit Äther (in welchem das Alkaloidsalz nicht oder nur wenig löslich ist) schüttelt, um Fette etc. zu entfernen, dann mit Alkali übersättigt, worauf man das nun frei gewordene Alkaloid (welches in Wasser schwer löslich ist) durch Schütteln mit Äther, Amylalkohol, Chloroform oder Benzin (in denen es sich leicht löst) in diese Flüssigkeiten überführt. Es kann dann leicht weiter gereinigt und an seinen Reaktionen und physiologischen Wirkungen auf Tiere erkannt werden.
Vgl. Alkaloide und Th. Husemann, Die Pflanzenstoffe (2. Aufl., Berl. 1883).