Passivität
(lat.), Zustand des
Leidens, der Unthätigkeit; sodann der eigentümliche Zustand einiger
Metalle, in welchem
sie von verdünnter
Salpetersäure nicht angegriffen werden, während sie in ihrem gewöhnlichen Zustand
in solcher
Säure oxydieren. Diese Passivität
tritt besonders beim
Eisen
[* 2] hervor. Dasselbe wird von
Salpetersäure, deren
spezifisches Gewicht
unter 1,35 liegt, lebhaft angegriffen, während es in stärkerer
Salpetersäure nicht oxydiert, wohl aber in einen (passiven)
Zustand übergeführt wird, in welchem es nun auch schwächerer
Salpetersäure widersteht. In denselben
Zustand geht Eisendraht über, wenn man ihn an einer Weingeistflamme bis zum
Anlaufen erhitzt. Ein auf irgend eine
Weise passiv
gewordener Eisendraht schützt einen ungeglühten Eisendraht vor dem
Angriff einer
Salpetersäure von 1,35 spez. Gew., wenn
er mit demselben außerhalb der
Flüssigkeit in
Verbindung steht. Die
Rolle des passiven
Eisens kann auch
¶
mehr
Platin übernehmen, und der geschützte Draht [* 4] wird selbst dann nicht von der Säure angegriffen, wenn man den passiven Eisendraht oder den Platindraht entfernt; er ist selbst passiv geworden und kann einen andern Eisendraht schützen. Wenn Eisen- und Platindrähte in Salpetersäure getaucht werden und sich außerhalb der Säure berühren, so bildet das Eisen gewissermaßen den +Pol einer einfachen Kette, und dem entsprechend wird Eisen passiv, wenn man es als +Pol einer Voltaschen Säule in Salpetersäure bringt, in welche bereits der negative Platinpol der Säule getaucht worden war.
Dabei entweicht der durch Wasserzersetzung frei werdende Sauerstoff, ohne sich mit dem Eisen zu verbinden. Taucht man aber den positiven eisernen Poldraht vor dem negativen Poldraht in die verdünnte Säure, so wird er angegriffen, während er unter allen Umständen passiv wird, wenn man statt der Säuren Lösungen von Alkalien oder völlig neutralen Salzen anwendet. Hierauf gründet sich die Konstruktion von Voltametern, welche durch Platten von Eisenblech gebildet sind, die in Kalilauge eintauchen.
Aus der so starken elektronegativen Eigenschaft des passiven Eisens erklärt es sich, daß man die Platinplatte der Groveschen
oder den Kohlencylinder der Bunsenschen Säule durch Eisen ersetzen kann, wenn dieses nur immer in sehr konzentrierter Salpetersäure
steht. Wismut, Kupfer
[* 5] und Zinn zeigen, wenn auch in viel schwächerm Grad, ähnliche Passivität
serscheinungen.
Die Passivität
des Eisens hat ihre Ursache wahrscheinlich in einer dünnen Oxydschicht, welche einerseits das Eisen vor dem Angriff der
Säure schützt, anderseits aber in ähnlicher Weise elektromotorisch wirkt wie eine Bleisuperoxydschicht, die eine Platinplatte
überzieht.