Paralytische
Geisteskrankheit (lat.
Dementia paralytica,
Paralyse der Irren, progressive
Paralyse)
ist eine
Gehirnkrankheit, welche unter einem sehr regelmäßigen und typischen
Ablauf
[* 3] von
Symptomen allmählich zum
Schwunde
der Gehirnrinde und damit zum Verlust aller höhern psychischen und motorischen Leistungen, schließlich zur
Lähmung, zum
vollendeten
Blödsinn und zum
Tod führt. Die paralytische Geisteskra
nkheit befällt vorzugsweise
Männer in der
Blüte
[* 4] der Jahre
und ist unheilbar.
Sie tritt zumeist nach kurzen Vorläufern auf mit Größenwahn, der sich ins Ungeheuerliche steigert und bei der übertriebenen Darstellung von den unermeßlichen Schätzen, den extravaganten Leistungen und Fähigkeiten, welche die Kranken von ihrer Person entwerfen, meist schon im Beginn den Stempel des Läppischen, Geistesschwachen an sich trägt. Dazu beobachtet man im Beginn Schlafsucht oder Schlaganfälle, aus denen die Kranken mit erhöhtem Bewegungstrieb, zuweilen in voller tobsüchtiger Erregung erwachen; bisweilen treten schon nach einem solchen Anfall Lähmungserscheinungen der Sprache, [* 5] Zittern der Zunge, Zucken der Gesichtsmuskeln, Ungleichheit und Enge der Pupillen in den Vordergrund. Im weitern Verlauf nehmen die Wahnideen, die oft mit Sinnestäuschungen verbunden sind, immer mehr den Charakter des Blödsinnigen an; die Fülle der Vorstellungen nimmt ab, der Gesichtsausdruck und alle Äußerungen werden träger, apathischer, einförmiger.
Dabei nehmen die Bewegungsstörungen zu, der
Gang
[* 6] wird schwankend, die
Sprache, die Handbewegungen unsicher, bis nach
Jahren unter allmählichem Erlöschen aller höhern
Funktionen der
Tod eintritt. Dieser geschildert langsame und stetig fortschreitende
(progressive) Verlauf, der Mangel irgendwie zuverlässiger
Erklärung der
Ursachen der paralytischen
Geisteskrankheit, der ausgesprochene
geistige und körperliche Kräfteverfall und endlich der anatomisch nachweisbare, durch chronische
Entzündung der Hirnrinde
und
Verwachsung dieser mit der weichen Hirnhaut herbeigeführte
Schwund des
Zentralorgans machen die
Paralyse
zu der am besten charakterisierten
Geisteskrankheit. Eine Behandlung ist
nach obigem nur bei einer Überwachung im Irrenhaus
möglich und richtet sich zumeist auf Verhütung übler Zwischenfälle. Vgl.
Psychiatrie.