Pamir
,
[* 2] türkisch-tatar. Bezeichnung für unbewohnte Wildnis, insbesondere für die öde
Hochsteppe in
Zentralasien,
[* 3] welche vom Surchab im N., vom Jarkandfluß und dem Pandscha im S. sowie von Kaschgarien und dem
Amu
Darja-Becken eingeschlossen wird, ein Gebiet von 140,000 qkm (2500 QM.)
Umfang, dessen Form ein verschobenes
Rechteck darstellt, und das bis auf geringe Teile im O. mit dem Quellgebiet des
Amu Darja
identifiziert werden kann. Das Pamir
plateau stellt die
Verbindung des Thianschansystems mit dem des
Himalaja dar und hat eine
mittlere
Erhebung von mehr als 4000 m. Auf die Hochsteppe ist eine
Reihe von Gebirgsrücken ausgesetzt,
die mehrfach in die Schneeregion reichen und die
Steppe in einzelne unter sich getrennte
Plateaus scheiden, mit mehreren
Seen,
unter denen der
Große Karakul (4050 m ü. M. und 300 qkm groß) der bedeutendste ist.
Die Bergmassen im O., zusammengefaßt als
Kisil Jart-Kette, tragen eine ununterbrochene
Reihe schneeiger
Häupter, darunter der nach
Trotter und Kostenko 7775 m, nach
Hayward 6400 m hohe Tagharma. Nach W. fällt das Hochplateau in
Absätzen rasch ab. Die
Wasserscheide zwischen dem
Amu Darja, dessen Quellflüsse Pandscha und
Aksu (Murghab), vom
Kleinen Pamir
kommend,
sich noch auf dem Westrand vereinigen, und dessen großer nördlicher Nebenfluß, der Surchab, gleichfalls
von hier kommt, und den nach O. und SO. zum
Kaschgar und
Jarkand abfließenden Gewässern ist eine sehr unbestimmte. Die
Luft
ist von außerordentlicher Reinheit, Trockenheit und
Durchsichtigkeit, die
Extreme von
Hitze und
Kälte sind außerordentlich
große, furchtbare
Schnee- und Staubstürme gefährden das
Leben von
Menschen und
Tieren, dennoch ist der
Pamir
zeitweilig bewohnt.
Kirgisen aus
Chokand und
Karategin im N., aus
Badachschan im W. weiden hier ihre
Herden im
Sommer. Im obern
¶
mehr
Thal
[* 5] des Sirikol werden Gerste
[* 6] und Bohnen in 3100 m Höhe gebaut. Meist aber ist das Land völlig kahl, Holzgewächse, wie Weiden
und Zwergbirken, finden sich nur an bevorzugten Orten. Die Tierwelt ist verhältnismäßig reich, Sewertsow fand 112 Vogelarten
in einer Höhe, in welcher die Alpen
[* 7] nur 12 haben. An den sumpfigen Seeufern hat man Spuren von Kamelen,
Hasen, Hirschen, Füchsen, Bären, Wölfen, Luchsen, Leoparden gesehen. Das charakteristische Tier des Pamir
ist aber der jetzt schon
seltene Muflon (Ovis Poli).
Trotz seiner Öde ist der Pamir
, den die Kirgisen »Dach
[* 8] der Welt« nennen, in ganz Zentralasien berühmt. Seit den ältesten
Zeiten gingen Handelsstraßen über ihn hinweg, insbesondere führte die »Seidenstraße«
im 1. Jahrh. n. Chr. römische Kaufleute hierher. Wahrscheinlich benutzten sie die nördlichen Pässe, wo am »steinernen Turm«
[* 9] der Warenaustausch stattfand. Denselben Weg beschritten die Nestorianer, um christlichen Gemeinden in Zentralasien und den Mongolen
eine Schrift und die ersten Anfänge christlicher Zivilisation zu bringen.
Ihnen folgten zuletzt mohammedanische Sendlinge. Der chinesische Missionär Hiuen-tsiang nahm um 640 n. Chr. auf seiner großen
Pilgerreise von China
[* 10] nach Indien den Rückweg über den Pamir
, und Marco Polo verfolgte 1272 n. Chr. vermutlich denselben Weg (am
Pandscha aufwärts), als er Kathai aufsuchte. Der katholische Missionär Benedikt Goes überschritt 1603 den
Pamir
in seinem südlichen Teil. Danach ist er erst wieder 1838 durch Wood, 1868 durch Hayward, 1871 durch Potagos und 1873 durch
Forsyth (vgl. Ergänzungsheft 52 zu »Petermanns Mitteilungen«, 1877), Gordon und Trotter betreten worden. Diese bewegten sich
alle im südlichen Pamir
, der nördliche Teil wurde erst 1861 durch den Hindu Abd ul Medschid, die Russen Fedtschenko
(1872), Muschketow (1877), Sewertsow (1877-78) u. a.
besser bekannt. Eine russische Expedition, welche 1875-76 unter Skobelews Führung die Kirgisen auf dem Alaiplateau züchtigen
sollte, gab Kostenko Gelegenheit, die nördlichen Gebirge besser kennen zu lernen.