Titel
Pädagogische
Litteratur 1880-90.
Nachfolgende Übersicht über das letzte Jahrzehnt beschränkt sich
der Hauptsache nach auf die wichtigsten Werke, welche das
Unterrichts- und Erziehungswesen im ganzen oder
wesentliche Teile und
Zweige der
Pädagogik betreffen. Lehrbücher wie Streit- und
Flugschriften über
Fragen des
Tages sind von
ihr ausgeschlossen. In dieser Hinsicht dienen ihr die einzelnen
Artikel dieses
Bandes über Gegenstände des Erziehungswesens
(Arbeitsschulen,
Diesterweg-Feier,
Höhere Lehranstalten,
Lehrerversammlungen,
Pädagogische Presse,
Pädagogische Seminare etc.)
zur Ergänzung.
Encyklopädische Werke.
Seit 1887 liegt in elf stattlichen
Bänden die zweite
Auflage der zuerst vom
Prälaten und Gymnasialdirektor
K. A.
Schmid mit
Palmer,
Wildermuth und Hauber herausgegebenen
»Encyklopädie des gesamten
Erziehungs- und Unterrichtswesens«
fertig vor. Vom 6.
Bande an übernahm einer der ältesten Mitarbeiter, auch sonst als pädagogischer
Schriftsteller vorteilhaft
bekannt, der
Kurator der
Universität
Halle,
[* 2] W.
Schrader, die Redaktion und hat, unterstützt von dem neuen
Verleger (Fues-Reisland in
Leipzig),
[* 3] an den das Unternehmen 1882 übergegangen war, in zwei
Jahren die neue
Auflage zu Ende
geführt.
Das festere Eingreifen der leitenden Hand [* 4] ist in diesen letzten Bänden zum Vorteil des Ganzen erkennbar, doch ließ natürlich inmitten der Arbeit ein völlig neuer Plan sich nicht aufstellen. Bei einer dritten Auflage muß von vornherein ein festerer Rahmen aufgestellt und dadurch die Subjektivität der einzelnen Mitarbeiter mehr in Schranken gehalten werden. Man greift im allgemeinen nicht zu einem solchen Nachschlagewerk, um ausführliche Abhandlungen über einzelne Themata zu studieren, welche in eingehender Entwickelung die Ansicht ihres Verfassers darlegen.
Man sucht thunlichst vollständige historische, litterarische, statistische Angaben. Die Quellen sollen nachgewiesen und ihrem Werte nach geordnet, nicht aber eigentlich ausgeschöpft werden. Freilich wird die Beschränkung der Freiheit die Möglichkeit abschneiden, daß innerhalb des Gesamtwerkes solche wertvolle Monographien selbständiger Art entstehen, wie deren die Schmid-Schradersche Encyklopädie eine ganze Reihe aufweist, z. B. über den lateinischen Unterricht (Eckstein, auch besonders erschienen), ferner: Griechisch, Gymnasium, Volksschulen, Volksschullehrerseminar, über das preußische Schulwesen in seinen verschiedenen Zweigen, das der übrigen deutschen Staaten, das russische, skandinavische, schweizerische Unterrichtswesen etc. Aber die erhöhte Brauchbarkeit durch größern Reichtum an einzelnen Aufsätzen, zahlreichere Verweise von einem Stichwort zum andern, gleichmäßigere Durcharbeitung und namentlich das raschere Erscheinen des Ganzen, das dem Veralten der ersten Bände vor Abschluß des Werkes vorbeugt, werden dafür reichlich entschädigen.
Einstweilen hat jedoch trotz dieser
Wünsche die deutsche
Pädagogik allen
Grund, sich dieses in seiner
Gesamtheit hochehrenwerten Denkmals deutschen Gelehrtenfleißes zu freuen. Auch das 1878 begonnene
»Dictionnaire de pédagogie
et d'instruction primaire« von F. E.
Buisson ist im J. 1889 vollendet worden. Es verdient trotz der im
Titel angedeuteten Beschränkung
auf das Volksschulwesen die allgemeinste Beachtung in deutschen Lehrerkreisen. Weniger gilt dies von dem zuerst
fertig gewordenen zweiten Teile, der sich in der Vorrede geradezu als
Konversationslexikon für den französischen Volksschullehrer
ankündigt und, unter diesem
Gesichtspunkt aufgefaßt, alle
Anerkennung verdient, als von der eigentlichen pädagogischen
Encyklopädie,
welche der weit umfangreichere erste Teil enthält. Auf mehr als 3000 Seiten des größten Lexikonformats und der kleinsten,
allerdings unverantwortlich kleinen
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Schrift bieten die beiden Bücher des Werkes eine staunenswerte Fülle von geschichtlichen und thatsächlichen Angaben. Mutet manches darin den deutschen Leser fremd an, fordert andres Bedenken und Widerspruch heraus, so erweckt doch das Ganze das günstigste Vorurteil für den wissenschaftlichen Ernst und die Gründlichkeit, mit der in Frankreich die berufenen Pfleger des öffentlichen Unterrichtswesens zu Werke gehen. Daß sofort mit dem Abschluß des »Dictionnaire« ein Neudruck nötig ward, ohne daß zu einer durchgreifenden Neubearbeitung Zeit blieb, ist bezeichnend für den glühenden Eifer, mit dem seit 1870 unsre westlichen Nachbarn die Fragen des Unterrichts und der Erziehung auffassen. Der grundsätzliche Standpunkt des »Dictionnaire«, dessen Herausgeber liberaler Protestant und Abteilungsdirektor im Unterrichtsministerium, ist der der modernen französischen Staats- oder Laienschule. Doch waltet in der Würdigung auch andrer Richtungen des Schulwesens (Ordensschulen, deutsches, schweizerisches Schulwesen etc.) ein billiges, sachliches Urteil vor.
Das Bedürfnis eines encyklopädischen Nachschlagebuches für pädagogische
Fragen ist durch ein Werk vom
Umfang und Preise der Schmidschen Encyklopädie nicht allseitig befriedigt. Die täglich aufstoßenden Fragen des Berufslebens
rasch und sicher dem einzelnen Lehrer wenigstens vorläufig zu beantworten, haben sich daher schon früher Handbücher von
bescheidenerm Umfang dargeboten, wie nach dem Vorgang von Hergangs jetzt veralteter zweibändiger »Pädagogischer
Realencyklopädie« das wiederholt aufgelegte Münch-Loésche Universallexikon der Erziehungs- und Unterrichtskunde,
mit biographischem Anhang von Heindl (Augsburg),
[* 6]
das Petzoldt-Krodersche Handwörterbuch für den deutschen Volksschullehrer,
das an die erste Auflage der großen (Schmidschen) Encyklopädie angelehnte zweibändige »Pädagogische
Handbuch für Schule
und Haus« und die katholische »Realencyklopädie des Erziehungs- und Unterrichtswesens« von Rolfus und Pfister (Mainz).
[* 7] Im
abgelaufenen Jahrzehnt sind diesen Handbüchern zwei neue hinzugetreten, die es unternehmen, in knappster Form, innerhalb
des Rahmens eines Bandes, die notwendigste Auskunft samt dem Hinweis auf die Quellen für tiefere Studien darzureichen. Im J. 1884 erschien
zu Wien
[* 8] das »Encyklopädische Handbuch der Erziehungskunde, mit besonderer Berücksichtigung
des Volksschulwesens« von Gustav Adolf Lindner (s. d.), dem inzwischen bereits 1887 verstorbenen österreichischen
Schulmann politisch liberaler, philosophisch Herbartscher Richtung.
Sein Werk, freigebig mit Bildnissen, Tabellen, Karten etc. ausgestattet, enthält einen reichen Schatz pädagogischer
Weisheit
und pädagogischen
Wissens. Als besondern Vorzug hebt der Verfasser im Vorwort hervor, daß alle Artikel, als von ihm selbst
geschrieben, aus einem Gusse sind, sich gegenseitig stützen und zum Aufbau einer einheitlich geschlossenen,
pädagogischen
Weltanschauung vereinigen. Wohl; aber darin liegt zugleich die Schwäche des Werkes mit angedeutet. Es ist sehr
persönlich gehalten und läßt an vielen Stellen durchblicken, wie sein Urheber, begeistert von dem Gedanken, daß »eine neue
Epoche der Menschheit herangebrochen sei, deren Zug
dahin gehe, die Bildung als Grundlage der allgemeinen Wohlfahrt
zum Gemeingut der Menschheit zu machen«, sich ganz in den Dienst der neuen, allgemeinen Nationalschule seines Vaterlandes
stellt und gegen die Kreise
[* 9] kämpft, welche nach seiner Ansicht »dem retograden ^[retrograden] Fortschritt huldigen«. Nun darf
man aber wohl sagen, daß eine Encyklopädie
bei aller notwendigen Entschiedenheit ihres Verfassers doch
dessen Urteil nicht überall voranstellen und überhaupt nicht als Parteischrift auftreten sollte. Anders hat daher bei mannigfacher
Berührung im einzelnen F. Sander im gleichzeitigen »Lexikon der Pädagogik« (Handbuch für Lehrer und Erzieher, 2. Aufl., Bresl.
1889) sich das Ziel gesteckt. Er ist mit Lindner überzeugt, daß den sittlichen Ideen der Gegenwart die
Zukunft auch im Schul- und Erziehungswesen gehört.
Aber er findet diese nicht in so schroffem Widerspruch mit dem, was bisher in Deutschland, [* 10] zumal in Preußen, [* 11] gegolten hat, daß ihm der Kampf gegen retrograde Machte das erste Bedürfnis wäre. Ihm scheint gerade für ein Buch dieser Art Ruhe und Billigkeit des Urteils zu den wichtigsten Erfordernissen zu gehören. Schon dadurch war seinem »Lexikon der Pädagogik« dieser Grundzug von vornherein verbürgt, daß dieses aus Meyers Konversationslexikon, an dem er seit 1874 auf diesem Gebiet mitarbeitet, hervorging, um dann freilich sich selbständig weiter zu entwickeln.
Der einzelnen Artikel sind infolgedessen weit mehr als bei Lindner; dafür aber sind sie knapper in der Form, sachlicher in der
Darstellung und, vielfach wenigstens, reicher im Litteraturnachweis. Die Einschränkung oder vorzugsweise Beziehung auf
einen einzelnen Zweig des Schulwesens hat der Verfasser als dem encyklopädischen Charakter entgegen verschmäht
und für alle pädagogischen
Kreise zu arbeiten versucht. Tiefer auf eine Würdigung des Buches einzugehen, verbietet der Umstand,
daß hier Verfasser und Kritiker eine Person sind. Daß nach wenigen Jahren die erste starke Auflage (Leipz. 1885) vergriffen
war, und daß auch die zweite, etwas erweiterte Auflage überall freundliche Aufnahme gefunden, so daß
die Lebensfähigkeit des Buches feststeht, zeigt, daß es einem in weitern Kreisen empfundenen Mangel entgegengekommen ist.
Philosophische Pädagogik.
Wenn vor zehn Jahren über die philosophische und systematische Pädagogik im allgemeinen gesagt werden konnte, daß ihre Vertreter
mit wenigen Ausnahmen in den Spuren Herbarts wanderten, ist dies während des inzwischen verflossenen Jahrzehnts
wesentlich anders geworden. Allerdings tritt auch jetzt noch eine große Zahl der pädagogischen
Schriftsteller unter Herbarts
Fahne auf; aber verhältnismäßig wenige im Sinn eines unbedingten Bekenntnisses zur Herbartschen Schule, so wie sie sich namentlich
unter Zillers Führung geschichtlich herausgebildet hatte.
Schon immer hatte der aufmerksamere Beobachter zu unterscheiden zwischen der starrern, aber darum nicht gerade treuern Nachfolge Herbarts im Zillerschen Kreise und der etwas freiern Art, wie namentlich Stoy in Jena [* 12] die Grundansichten des Meisters theoretisch und praktisch verwertete und ausbaute. Aber erst in der neuern Zeit hat das mehr oder minder deutliche Bewußtsein dieser unterschiedlichen Auffassung sich zu ausgesprochener Kritik und hier und da zu einem ziemlich schroffen Gegensatz verschärft.
Dadurch ist einer freiern Fortbildung des Herbartschen Gedankenkreises auch in pädagogischer
Hinsicht erst die Bahn eröffnet,
und in der That liegen beachtenswerte Versuche aus dem abgelaufenen Jahrzehnt vor, die den Grundgedanken des
Meisters in dieser verjüngten Gestalt zeigen. Freilich gehen diese Versuche ohne scharfe Grenze über zu denen, die nur noch
eklektisch an Herbart anknüpfen, aus seinem System einzelnes entnehmen, andres verwerfen oder gar nur gewisse pädagogische
Folgesätze sich aneignen, deren
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metaphysische, ethische, psychologische Voraussetzungen, die sie bei Herbart bedingen, aber übersehen oder geradezu bekämpfen.
Ist man auf diesem Standpunkt angelangt, so ist nur noch ein Schritt bis zu dem Nachweis, daß, losgelöst von jenen tiefern
Wurzeln, diese pädagogischen
Formeln oder Regeln nur wenig oder gar nichts spezifisch Herbartsches behalten, so
daß man dem pädagogischen
Philosophen nicht mehr den Ruhm ihres Entdeckers oder klassischen Vertreters, sondern höchstens
den eines geistreichen und begeisterten Darstellers auch sonst feststehender Wahrheiten zuerkennt oder gar in seiner Fassung
und Formulierung für die anderwärts klarer gefaßten oder richtiger begründeten Wahrheiten einen Nachteil erblickt. Diese
ganze Stufenleiter von den entschlossenen Anhängern bis zu den entschiedenen Gegnern der Herbartschen
Schule ist in der pädagogischen
Litteratur vorhanden.
Der als tüchtige, schlichte und dabei doch tiefe Darstellung der Herbartschen Pädagogik bekannte »Grundriß der Pädagogik« von H. Kern hat es inzwischen bis zur 5. Auflage (Berl. 1890) gebracht und dabei im einzelnen fortwährend die nachhelfende Hand seines kundigen Verfassers erfahren. Das Buch stellt die Pädagogik nach Herbart, im Anschluß an dessen »Allgemeine Pädagogik« und »Umriß pädagogischer Vorlesungen«, und unter Rücksicht auf die Arbeiten von Stoy, Strümpell, Ziller dar, ohne jedoch dem Gebote Zillers in dessen besondern Theoremen sich zu bequemen.
Dagegen stellen andre Kompendien sich geradezu die Aufgabe, das Herbartsche pädagogische System einschließlich des Zillerschen Fort- und Ausbaues weitern Kreisen verständlich und zugänglich zu machen. Hierher gehört Chr. Ufers »Vorschule der Pädagogik Herbarts« (Dresd. 1883), die bereits fünf Auflagen erlebt hat. Der Verfasser hatte als junger Volksschullehrer an sich erprobt, wie schwierig dem nicht zünftig vorgebildeten Anfänger das Verständnis von Herbarts eignen pädagogischen Schriften und das seiner nächsten Jünger und Nachfolger fällt, wenn er mit den Hilfs- und Grundwissenschaften der Pädagogik in Herbarts Fassung nicht zuvor vertraut geworden. Er beschloß, die von ihm selbst teuer erkaufte Erfahrung zu gunsten jüngerer Nachfolger zu verwerten und ein Hilfsmittel zu schaffen, das geeignet wäre, zu einer bessern und leichtern Benutzung der pädagogischen Schriften Herbarts und Herbartscher Richtung als Schlüssel zu dienen. Es ist ihm glücklich gelungen.
Ihrem Zwecke gemäß gliedert sich die Schrift in die fünf Kapitel: Psychologisches, Ethisches, Allgemein-Pädagogisches, Unterrichtsbeispiele, Litterarischer Wegweiser. Die gleiche Aufgabe stellte sich G. Fröhlich (s. d.) in seiner Schrift: »Die wissenschaftliche Pädagogik Herbart-Ziller-Stoys in ihren Grundzügen gemeinfaßlich dargestellt und an Beispielen erläutert« (Wien 1883), die bereits in 5. Auflage erschienen. Doch hat Fröhlich nicht wie Ufer schlechthin auf den Bericht dessen, was bei Herbart und seiner Schule gilt, sich beschränkt, sondern anfangs bei voller Zustimmung zu den Grundgedanken im einzelnen der Folgerungen auch Kritik geübt und im Laufe der Zeit unter dem Eindruck der später zu erwähnenden Ostermannschen Polemik auch in den Grundgedanken und namentlich in den metaphysischen Voraussetzungen sich mehr und mehr der Lotzeschen Richtung genähert. Auch das kurz und klar dargestellte System in Reins »Pädagogik im Grundriß« (Stuttg. 1890) ist kein andres als eben das Herbart-Zillersche, wenn auch bei der starken Zusammenpressung der gesamten Pädagogik auf 140 bequem gedruckte Seiten kleinen Taschenformats das Bild bis in seine einzelnen Züge nicht ausgeprägt werden konnte. An dem Grundgefüge der Herbartschen Pädagogik hält ebenfalls fest der oben als Verfasser des »Encyklopädischen Handbuches« bereits genannte G. A. Lindner in dem posthumen »Grundriß der Pädagogik als Wissenschaft« (hrsg. von Domin, Wien und Leipz. 1889). Im einzelnen freilich sind aus der modernen Naturwissenschaft, namentlich der Darwin-Häckelschen Entwickelungslehre, und aus der Comte-Spenerschen Soziologie manche Gedanken eingeflochten, für die doch bei Herbart nur entfernte Analogien vorhanden waren.
Durch diese Mischung ist in das Buch eine gewisse Gärung gekommen, unter der die Klarheit leidet. Man darf des mancherlei Trefflichen wegen bedauern, daß der Verfasser nicht mehr dazu gekommen ist, den Grundriß zum wirklichen System auszubauen, auch wenn man von der Parallelisierung des einzelnen Menschen mit der Zelle [* 14] und der gegliederten Gesellschaft mit dem pflanzlichen oder tierischen Organismus das Heil für die Pädagogik nicht erwartet. Wer die Bewegung und Fortarbeit in der Herbartschen Schule noch näher verfolgen will, der muß der regsamen Litteratur der Zeitschriften und der Monographien nachgehen.
Unter jenen seien das »Jahrbuch des Vereins für wissenschaftliche Pädagogik« (begründet von Ziller, hrsg. von Voigt, Leipz., seit 1868),
die »Pädagogischen Studien« (hrsg. von Rein, Dresd., seit 1876, Vierteljahrsschrift),
die »Deutschen Blätter für
erziehenden Unterricht« (hrsg. von Mann, Langensalza,
[* 15] seit 1880
, Wochenschrift) und das »Evangelische Schulblatt« (hrsg. von
Dörpfeld, Gütersloh) hervorgehoben. Einige lehrreiche monographische Aufsätze seiner Feder hat E. Ackermann
zusammengestellt in dem Hefte »Pädagogische Fragen« (Dresd. 1884). Darunter sind besonders die eingehenden Arbeiten »Über
Konzentration des Unterrichts« und »Die Psychologie im Unterricht« lesenswert für alle, die über die Herbartsche Pädagogik
ein Urteil gewinnen wollen. Außerdem haben besondere Beachtung gefunden die Studien von F. W. Dörpfeld
über »Denken und Gedächtnis« (4. Aufl., Gütersloh 1891); Lange, »Über Apperzeption« (Plauen
[* 16] 1879); Staude, »Die kulturhistorischen
Stufen im Unterricht der Volksschule« (in den »Pädagogischen Studien«, 1880
).
Eine freiere Stellung innerhalb des weitern Umkreises der Jünger Herbarts nimmt der Verfasser des bedeutendsten neuern Werkes auf dem Gebiet der philosophischen Pädagogik ein: O. Willmann in seiner »Didaktik als Bildungslehre nach ihren Beziehungen zur Sozialforschung und zur Geschichte der Bildung« (Braunschw. 1882-89,2 Bde.). Seine Stellung zu Herbart kennzeichnet er kurz im Vorwort zu der neben dem Hauptwerk hergehenden Sammlung »Pädagogische Vorträge« (2. Aufl. 1886). Die Bedeutung der von Herbart begründeten, von Ziller weitergebildeten Didaktik findet er darin, daß sie ein Problem zum Ausgangspunkt machen, dessen Lösung immer dringender wird: die Frage, wie der Reichtum eines angeregten und vielgestaltigen Geisteslebens mit der Gediegenheit eines charaktervollen, in der Sittlichkeit bewurzelten Wesens verbunden werden könne. Selbst wenn ihre Aufstellungen im einzelnen sich unhaltbar zeigten, was jedoch Willmann nur beschränkt zugibt, so bliebe es ein hohes Verdienst der trefflichen Männer, in ihren Schülern das Interesse geweckt, ihnen sozusagen das Organ dafür gegeben zu haben. Er halt die Herbartsche Grundansicht mannigfacher Berichtigung für fähig und bedürftig. Diese findet er zum Teil schon dargeboten in dem ¶