Nero
,
Lucius
Domitius, nach der
Adoption Nero
Claudius
Drusus, röm.
Kaiser von 54 bis 68
n. Chr., geb. 15. Dez. 37 zu
Antium,
war der Sohn des
Lucius
Domitius Ahenobarbus und der
Agrippina, der Tochter des
Germanicus, verlor seinen
Vater im dritten Jahr
und wuchs, nachdem seine
Mutter von ihrem
Bruder, dem
Kaiser
Caligula, verbannt worden war, bis zur Zurückberufung
derselben durch
Claudius bei seiner
Tante Lepida auf. Nach ihrer Verheiratung mit
Claudius bot
Agrippina alles auf, um durch
ihren Einfluß auf den schwachen
Kaiser, obgleich dieser einen eignen Sohn,
Britannicus, hatte, die
Nachfolge auf dem
Thron
[* 3] ihrem
Sohn zu verschaffen, unter dem sie selbst die Herrschaft zu führen gedachte.
Sie bewirkte daher, daß Nero
50 von
Claudius adoptiert, 51 mit
Octavia, der Tochter des
Claudius, verlobt und 53 mit ihr verheiratet
und durch alle möglichen Auszeichnungen in den
Augen des
Volkes vor
Britannicus hervorgehoben wurde; auch wußte sie
sich des
Beistandes der
Prätorianer zu vergewissern. Als sie dies alles erreicht hatte, wurde
Claudius von ihr vergiftet und
Nero
von den
Prätorianern als
Kaiser ausgerufen, worauf auch der
Senat nicht säumte, ihn als solchen anzuerkennen.
Anfangs nun ließ sich Nero
ganz von seinem
Lehrer, dem
Philosophen
Seneca, und dem Befehlshaber der
Prätorianer,
Burrus, leiten; die ersten Jahre seiner
Regierung waren daher im ganzen löblich und für das
Reich wohthätig ^[richtig: wohlthätig],
obwohl er bereits 55 den
Britannicus vergiften ließ; er wurde dazu durch
Agrippina angereizt, welche sich durch
Seneca und
Burrus von der Herrschaft verdrängt sah und daher in leidenschaftlicher Aufregung drohte,
Britannicus
statt seiner auf den
Thron zu heben.
Von 59 an beginnt aber die ununterbrochen Reihe seiner Grausamkeiten und Ausschweifungen. Von jenen mag nur erwähnt werden, daß er 59 seine Mutter, 62 seine Gemahlin Octavia ermorden ließ, daß er 64, nach dem großen Brande, durch den ein großer Teil der Stadt zerstört wurde, die in Rom [* 4] anwesenden Christen als angebliche Urheber desselben unter den grausamsten Martern töten ließ, und daß er 65, als eine Verschwörung gegen ihn an den Tag kam, unter denen, die der Teilnahme an derselben, ob mit oder ohne Grund, beschuldigt wurden, ein furchtbares Blutbad anrichtete, in welchem auch sein Lehrer Seneca umkam.
Seine Ausschweifungen umfaßten alles, was zur Befriedigung der niedrigsten Lüste und Begierden dienen kann; er pflegte zu sagen: seine Vorgänger auf dem Thron hätten nicht gewußt, was ihnen erlaubt sei, und demgemäß schonte er weder seine eigne Ehre noch die eines andern Menschen, um alles zu thun, was ihm irgend einen Genuß für seine überreizten Sinne zu versprechen schien. Dabei war er nicht ohne eine gewisse Eitelkeit. Er machte Verse, freilich, wie es heißt, mit Beihilfe seiner Freunde, malte, meißelte; am meisten aber suchte er als Sieger im Wettrennen und als Sänger und Schauspieler zu glänzen. Er trat daher mit diesen Künsten zuerst in geschlossenen Kreisen, dann aber auch öffentlich auf, stiftete 59 die Juvenalien und 60 die Neronien, regelmäßig wiederkehrende Festspiele, welche ihm zur Schaustellung seiner Künste Gelegenheit gaben, und begab sich 66 nach Griechenland, [* 5] um auch dort überall als Wettkämpfer im Wagenrennen und Gesang aufzutreten. Es war ferner hauptsächlich seine Eitelkeit, die ihn bewog, sich in Rom ein Haus (die sogen. aurea domus, »das goldene Haus«) zu bauen, welches einen großen Teil des Grundes und Bodens der Stadt einnahm, und welches er in der verschwenderischten Weise, hauptsächlich durch Beraubung der Provinzen, ausstattete, und aus gleichem Grund unternahm er es auch, den Isthmus von Korinth [* 6] durchstechen zu lassen: beides jedoch Werke, die nicht zur Vollendung gebracht wurden.
Die nicht unrühmlichen Kriege, welche unter seiner Regierung in Armenien, Britannien, Deutschland [* 7] und in Judäa gegen die Juden geführt wurden, waren nicht sein Verdienst, sondern lediglich das einiger ausgezeichneter Feldherren der Zeit, insbesondere des Suetonius Paulinus und des Corbulo. Nach seiner Rückkehr aus Griechenland kam endlich 68 die allgemeine Unzufriedenheit in Gallia Narbonensis zum Ausbruch. Die dortigen Legionen riefen Galba zum Imperator aus.
Nero
, sich auch von den
Prätorianern verlassen sehend, floh auf das
Landgut des Freigelassenen Phaon und
ließ sich hier auf die Nachricht, daß ihn der
Senat als Feind des Vaterlandes des
Todes schuldig erklärt habe, 11. Juni durch
einen Freigelassenen töten. Seine letzten
Worte waren: »Welch ein
Künstler stirbt in mir!« Mit ihm erlosch das Julisch-Claudische
Geschlecht der
Cäsaren.
Sein
Leben beschrieb Sueton. Die beste
Quelle
[* 8] für seine Geschichte sind die
»Annalen«
des
Tacitus.
Vgl. H.
Schiller, Geschichte des römischen Kaiserreichs unter Nero
(Berl. 1872).