Montesquieu
(spr. mongteskjöh), Charles de Secondat, Baron de la Brède et de, berühmter franz. philosophisch-politischer Schriftsteller, geb. auf dem Schloß Brède bei Bordeaux, [* 2] widmete sich dem Studium der Rechte, wurde 1714 Rat beim Parlament zu Bordeaux und zwei Jahre später Präsident desselben. In dieser Stellung war er auch Mitbegründer der Akademie daselbst. Die litterarische Laufbahn betrat er mit den »Lettres persanes« (Par. 1721, 2 Bde.; deutsch von Strodtmann, Berl. 1866), worin er unter der Maske eines Persers vom Standpunkt des Naturmenschen aus das damalige politische, soziale und litterarische Treiben der Franzosen mit geistreichem Spott geißelte.
Einen Kommentar dazu lieferte Maurice Meyer (Par. 1841). Um die Gesetze und Verfassungen der europäischen Kulturstaaten, die er in seinem »Esprit des lois« darzustellen beabsichtigte, näher kennen zu lernen, legte er 1726 seine Stelle nieder und bereiste Deutschland, [* 3] Ungarn, [* 4] Italien, [* 5] die Schweiz, [* 6] Holland und England, wo er zwei Jahre blieb und zu London [* 7] in die königliche Societät der Wissenschaften aufgenommen ward. Kurz zuvor war er auch zum Mitglied der Pariser Akademie ernannt worden. Nach seiner Rückkehr auf sein Schloß Brède schrieb er die »Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence« (Amsterd. 1734; deutsch von Hacke, Leipz. 1828; von Sporschil, das. 1842) und unter dem Pseudonym Charles d'Outrepont den »Dialogue de Sylla et d'Eucrate, et de Lysimaque« (Par. 1748),
worin er das Wesen eines Despoten aufs feinste darlegt. Nach langen Vorstudien erschien endlich sein Hauptwerk: »De l'esprit des lois« (Genf [* 8] 1748, 2 Bde.; deutsch von Hauswald, Halle [* 9] 1829, 3 Bde.; von Ellissen, 4. Aufl., Leipz. 1854, und in fast alle europäischen Sprachen übersetzt), der erste Versuch, die Entwickelung gesetzlicher Institutionen und ihr Naturverhältnis zu lokalen und sozialen Bedingungen in den verschiedenen Ländern in einem Überblick darzustellen.
Indem Montesquieu
jedoch als unbeschränkter
Freidenker die
Religion und
Moral als lediglich von klimatischen und
Bodenverhältnissen abhängig ansah, dem
Rechts- und Pflichtgefühl in der Staatsmaschine eine untergeordnete
Stellung anwies
und die absolute Rechtsidee dem
Prinzip opferte, daß des
Volkes
Wohl das höchste
Gesetz sei, konnte das von ihm aufgestellte
System keinen Anspruch auf allgemeine Zustimmung erheben. Eine
Analyse des Werkes lieferte
Bertolini, einen
geistreichen
Kommentar
Destutt de Tracy (Par. 1819). Von Montesquieus
übrigen Werken sind seine
»Lettres familiaires«
(Flor.
1767) und »Le
[* 10] temple de Gnide« (Par. 1725), letzteres,
eine Art Gedicht in
Prosa, ein der frivolen Zeitrichtung dargebrachtes
Opfer, zu nennen. Montesquieu
starb in
Paris.
[* 11]
Ausgaben seiner sämtlichen Werke besorgten unter andern
L. S.
Auger (Par. 1816, 6 Bde.), Parelle
(mit
Varianten und
Noten, das. 1826-27, 8 Bde.),
Dalibon (das. 1827, 8 Bde.),
Hachette (1865, 3 Bde.) und
Laboulaye (1875-79, 7 Bde.).
Vgl.
Villemain,
Éloge de Montesquieu
(Par.
1816);
Dangeau, Montesquieu
, bibliographie de ses œuvres (das. 1874);
Vian,
Histoire de Montesquieu
, sa vie et ses œuvres (2. Ausg., das.
1879);
die kleinern Biographien von Sorel und Zevort (beide 1887).