Methodisten
,
eine aus der anglikanischen
Kirche hervorgegangene Religionsgesellschaft, welche keine neue
Lehre
[* 2] und
Verfassung,
sondern nur, ähnlich wie die Pietisten und Labadisten auf dem
Festland, das
Christentum zugleich verinnerlichen u. praktisch
fruchtbar machen wollten. Deshalb wurden sie zuerst nur spottweise Methodisten
, d. h.
solche, welche die
Frömmigkeit nach der
Methode betrieben, ihre
Richtung und
Denkart Methodismus genannt.
Gründer des Methodismus war
John
Wesley (s. d.), der 1729 einen geistlichen
Verein gründete, welcher sich gemeinsames
Beten
und
Lesen der
Bibel,
[* 3] häufige Abendmahlsfeier,
Verkündigung des
Evangeliums dem unwissenden
Volk, Besuch und
Bekehrung der Kranken
und Gefangenen zu
Zwecken setzte.
Nachdem sich 1732 mit ihnen
Georg
Whitefield (s. d.) verbunden hatte, unternahmen sie Missionsreisen. Die
beiden
Wesley wirkten seit 1735 besonders in
Amerika,
[* 4] namentlich in Neugeorgia; aber erst nach ihrer Rückkehr entstand 1739 eine
förmlich organisierte
Gesellschaft von Methodisten
, weil die
Geistlichen der bischöflichen
Kirche den methodistischen
Predigern die
Kanzel verboten hatten. Notgedrungen aus der englischen
Kirche ausgeschieden, predigten sie zuerst auf
freiem
Felde, dann in besondern Bethäusern (Tabernakeln). Auch in
Schottland und
Irland verbreitete sich die neue
Sekte rasch,
namentlich unter dem niedern
Volk, zufolge des bedeutenden Rednertalents
Wesleys und mehr noch
Whitefields. Durch die frühere
(1740 wieder gelöste)
Verbindung mit der
Brüdergemeinde, die
Wesley in
Amerika und
Deutschland
[* 5] kennen gelernt
¶
mehr
hatte, hat die Verfassung der Methodisten
manches aus der herrnhutischen Verfassung aufgenommen. Zur gegenseitigen Förderung in der
Heiligung teilt sich der ganze Verein in Klassen, gewöhnlich von etwa 15 Personen gleichen Geschlechts und gleicher Lebensverhältnisse,
jede unter einem Vorsteher. Die sogen. Bandgesellschaften (band societies) bilden innerhalb
der allgemeinen Vereine (united societies) wieder intimere, zu strengerer Lebensführung verpflichtete
Vereinigungen der Begnadigten (im Unterschied von den Erweckten).
Alle drei Monate wird ein gemeinsames Liebesmahl (love feast) gehalten. In der Woche kommen die Methodisten
des Morgens vor 6 Uhr
[* 7] und des
Abends nach dieser Stunde regelmäßig in das Tabernakel zum Gottesdienst. Ihr Ritual ist das der bischöflichen
Kirche, nur mit Hervorhebung des Gesanges, besonders der Wechselgesänge zwischen Männern und Frauen. Auch im Dogma weichen
die Methodisten
nicht von der englischen Kirche ab, nur betonen sie die fortgehende unmittelbare Wirkung des Heiligen Geistes und machen
die Bekehrung von seiner wunderbar mächtigen und plötzlich eingreifenden Wirksamkeit abhängig.
Innerhalb des Vereins gab 1741 die Lehre von der Gnadenwahl Anlaß zur Spaltung, da Whitefield und die den Zusammenhang der Methodisten
mit
der bischöflichen Kirche vermittelnde Gräfin Huntingdon, genannt »Königin der, an jener Lehre festhielten, während Wesley und
Fletcher den Universalismus der Gnade lehrten. Die Haupteigentümlichkeit des Methodismus beruht aber nicht
auf theologischem Boden, sondern in einem System strengster seelsorgerlicher Überwachung jedes einzelnen.
An der Spitze des Vereins steht seit 1744 die jährliche Synode oder die Generalkonferenz. Sie beschließt über die Disziplin und ernennt die Bischöfe für die einzelnen Distrikte sowie die Pfarrer, welche entweder an einer Gemeinde fest angestellt, oder Reiseprediger (circuit riders) sind. Die erstern haben keinen Gehalt und treiben bürgerliche Gewerbe, sind überhaupt meist Laien. Sie hauptsächlich repräsentieren die allgemeine Konferenz und üben die sehr strenge Kirchenzucht im Verein mit den Ältesten, denen daneben die Verwaltung der ökonomischen Angelegensten zusteht.
Für Nordamerika
[* 8] weihte Wesley 1784 in der Person des Thomas Coke einen besondern Superintendenten, welcher
dort den Titel eines Bischofs annahm und Begründer der Methodist Episcopal Church wurde; ihr trat eine deutsche bischöfliche
Methodiste
nkirche, 1835 von Wilhelm Nast aus Württemberg
[* 9] gegründet, zur Seite. Erst auf dem amerikanischen Boden entfaltete
der Methodismus seinen ganzen Bekehrungseifer. Sehr gewöhnlich sind dort die von Reisepredigern geleiteten
großen Versammlungen, die entweder in den Städten stattfinden und dann Revivals (Wiederbelebungen, Erweckungen) heißen, oder
auf dem Land unter dem Namen Camp meetings, die meist acht Tage währen, veranstaltet werden - methodisch ins Werk gesetzte Erschütterungen
des Gemüts, welche so lange fortgesetzt werden, bis sich die Erregtheit der Gemeinde unter Seufzen und
Schluchzen zu wildem Geheul steigert und mit konvulsivischem Gebaren endigt; daher der Name Jumpers (»Springer«).
Die Betäubten werden dann als Büßende behandelt und der speziellen Seelsorge übergeben. Trotz aller dieser krankhaften
Auswüchse hat der Methodismus die verwilderten Massen der Neuen Welt vielfältig in eine wohlthätige Zucht
genommen und namentlich auf die Sklavenbevölkerung erhebend eingewirkt. Übrigens gab seit 1847 die Sklavenfrage Veranlassung
zu
einer Spaltung der Methodisten
in den Vereinigten Staaten,
[* 10] und überdies vertauschte die methodistisch-protestantische Partei die
bischöfliche Verfassung mit der kongregationalistischen.
Aber auch in England fanden beständige Separationen innerhalb der Gesellschaft statt, und namentlich bildete
sich nach dem Tod Wesleys wegen Unzufriedenheit mit der Verfassung die Partei der neuen Methodisten
(new connexion). Gleichfalls im Widerspruch
mit der Allgewalt der Konferenz bildete sich um 1810 unter dem Namen Primitive methodists (ursprüngliche oder Ranters (Lärmer)
eine angeblich zur ursprünglichen Einfalt und Frömmigkeit zurückgekehrte Sekte, welche auch den Frauen
das Predigen gestattet.
Seit 1835 bot die London
[* 11] Wesleyan Methodists Association einen Einheitspunkt für neue Absonderungen von der Konferenz. Seit 1814 entstanden
zwei methodistische Missionsvereine in London, die Wesleysche Missionsgesellschaft und die Bischöfliche. Auch in der Schweiz,
[* 12] vorzüglich im Kanton Waadt,
[* 13] wo sie das Volk spottend als Mômiers (s. d.) bezeichnet, und in Deutschland, namentlich
in Württemberg und Bremen,
[* 14] fanden die Methodisten
Eingang; s. Albrechtsleute. Seit 1859 wurden die amerikanischen »Erweckungen« zuerst
in Großbritannien,
[* 15] dann mit steigendem Erfolg auch auf dem Festland in Szene gesetzt, so besonders 1875 durch Pearsall Smith,
Sankey und Moody. In England bilden die Methodisten
die an Zahl bedeutendsten Dissenters; man schätzt sie auf etwa 2 Mill.,
die Methodisten
in Amerika noch darüber. In Frankreich haben sie besonders seit der Julirevolution 1830 durch ihre Beteiligung an der
Evangelischen Gesellschaft, durch einen Lehrstuhl an der Fakultät Montauban und durch Verbreitung von Bibeln
und Traktätchen an Bedeutung gewonnen.
Vgl. Southey, Life of Wesley and the rise and progress of methodism (4. Aufl., Lond. 1864; deutsch von Krummacher, Hamb. 1828);
Jacoby, Geschichte des Methodismus (das. 1853-71, 2 Bde.);
Porter, Compendium of methodism (New York 1875);
Derselbe, History of methodism (Cincinn. 1876);
Stevens, Methodist episcopal church of the United States of America (Lond. 1872, 4 Bde.);
Derselbe, History of methodism (neue Ausg., das. 1878, 3 Bde.; Auszug 1885);
Holden, History of methodism (das. 1877);
Jüngst, Der Methodismus in Deutschland (2. Aufl., Gotha [* 16] 1877);
Lecky, Entstehungsgeschichte und Charakteristik des Methodismus (a. d. Engl. von Löwe, Leipz. 1880);
Sulzberger,
Erklärung der Glaubensartikel und Hauptlehren der Methodisten
kirche (Brem. 1880);
Williams, The constitution and polity of Wesleyan methodism (Lond. 1881);
Gorrie, History of the methodist episcopal church in the United States and Canada (New York 1881);
Atkinson, Centennial history of American methodism (das. 1885);
Kolde, Der Methodismus und seine Bekämpfung (Erlang. 1886), und das in London erscheinende »Wesleyan methodist connexial Record and Yearbook«. - ist auch Bezeichnung für die jesuitischen Schriftsteller, welche im 17. Jahrh. den Protestantismus nach einer bestimmten dialektischen Methode bekämpften.