Massinger
(spr. mässindscher), Philip, engl. dramatischer Dichter, einer der bedeutendsten der jüngern Zeitgenossen Shakespeares, geb. 1584 zu Wilton, wurde 1602 Student zu St. Alban's Hall [* 2] in Oxford, [* 3] wo er zur römischen Kirche übertrat. 1606 verließ er die Universität und ging nach London, [* 4] um sich dort durch Bühnenschriftstellerei zu ernähren. Zunächst arbeitete er hier nach der Sitte der Zeit seine Stücke mit andern Schriftstellern gemeinsam. Sein erstes Drama: »The virgin martyr« (wohl bald nach 1606 verfaßt, gedruckt 1622), zeigt bereits die kraftvolle, gedrungene Sprache [* 5] des immer mehr an Ben Jonson sich anlehnenden realistischen Dramatikers;
indes ist die Behandlung des Stoffes, die Verherrlichung der siegreichen christlichen Kirche gegenüber der Vielgötterei des Heidentums, oft noch plump und unkünstlerisch.
Von den übrigen 17 uns
erhaltenen
Dramen Massingers
sind hervorzuheben: »The
Great
Duke of
Florence« (1630: deutsch von
Prölß in
»Altenglisches
Theater«,
[* 6] Bd. 2, Leipz.
1881);
»The city madam« (1632; deutsch von Graf Baudissin: »Die Bürgersfrau als Dame«, in »Ben Jonson und seine Schule«, Leipz. 1836, 2 Bde.) und »A new way to pay old debts« (1633; deutsch von Gätschenberger, Leipz. 1874).
Das erstgenannte
Stück erregt
Interesse, weil
es unserm modernen feinen Konversationslustspiel auffallend nahekommt. Das andre ist für die
Kultur- und Sittengeschichte
der Zeit von höchster Bedeutung. Die
Sucht des reich gewordenen
Bürgers, sich dem
Adel gleichzustellen, wird hier mit der
Massinger
eignen
Wucht und
Schwere zu geißelnder Schilderung gebracht; auch führt das
Stück mit der
¶
mehr
Genauigkeit eines holländischen Genregemäldes die Moden und den Luxus der Zeit vor Augen. Das dritte Lustspiel hat die schnöde,
um des Geldes willen auch das eheliche Glück der Tochter opfernde Habsucht zum Gegenstand und hielt sich verdientermaßen länger
auf der Bühne als irgend ein andres aus derselben Epoche. Nicht gering ist auch das sprachliche Verdienst
Massingers.
Seine gründliche Durcharbeitung und sein gediegener künstlerischer Ernst treten besonders vorteilhaft hervor
gegenüber der Flüchtigkeit und Handwerksmäßigkeit, mit der Beaumont-Fletcher und andre Vertreter der sogen. Ben Jonsonschen
Schule nur zu oft sich abfanden. Minder bedeutend sind die Dramen: »The duke of Milan«, worin das Tragische
an das Grausige und Entsetzliche sich anlehnt, »Unnatural combat«, »Fatal dowry« und »The bondman«, letzteres merkwürdig
als einer der frühsten Versuche, die soziale Arbeiterfrage dramatisch zu behandeln. Massinger
starb im März 1638 in London. Ausgaben
seiner Werke wurden von Gifford (Lond. 1856, mit Kommentar),
Cunningham (3. Aufl., das. 1872) und von Symons (1886) besorgt.
Vgl. Mézières, Contemporains et successeurs de Shakespeare (2. Aufl., Par. 1864);
Phelan, Philip Massinger
(in Bd. 2 der
Zeitschrift »Anglia«, Halle
[* 8] 1879).