Marat
(spr. -rá), Jean Paul, eins der berüchtigtsten Häupter der französischen Revolution, geb. zu Boudry bei Neuchâtel von protestantischen Eltern, studierte Medizin und erwarb sich sodann, meist auf Reisen befindlich, die Mittel zu seiner Existenz durch Schriftstellerei und bei einem längern Aufenthalt in Edinburg [* 2] 1774 durch Unterricht in der französischen Sprache. [* 3] In dieser Zeit erschien von ihm die revolutionäre Schrift »The chains of slavery« (Edinb. 1774; franz., Par. 1792). Die philosophische Schrift »De l'homme, ou des principes et des lois de l'influence de l'âme sur le corps et du corps sur l'âme« (Amsterd. 1775, 3 Bde.) wurde die Veranlassung zu einem Streit mit Voltaire, der sie in der »Gazette littéraire« besprach. In seinen an paradoxen Behauptungen reichen physikalischen Schriften aus dieser Zeit: »Découvertes sur le feu, l'électricité et la lumière« (1779),
»Recherches physiques sur le feu« (1780),
»Découvertes sur la lumière« (1792),
»Recherches physiques sur l'électricité« (1782) trat er namentlich gegen Newton auf;
in Deutschland [* 4] wurden dieselben durch eine Übersetzung von Weigel (Leipz. 1782-84) bekannt.
Hierauf ließ er sich in
Paris
[* 5] nieder, verband mit seinen
Studien die medizinische
Praxis und erhielt eine
Anstellung als
Arzt der
Leibgarde des
Grafen von
Artois. Nach dem
Ausbruch der
Revolution trat Marat
bald als
einer der extremsten
Demagogen hervor.
Gemein und roh wie sein Äußeres war auch sein
Inneres. Ohne den
Mut, die
Waffen
[* 6] zu führen,
und ohne
Geschick, einen
Aufstand zu leiten, wußte er durch seine ungezügelten
Worte und durch seine
Gabe
niedrig populärer
Darstellung das
Volk zu
Raub und
Mord aufzureizen und sich zum
Schrecken aller
Parteien zu machen. In
Zeiten
der
Gefahr verschwand er. Genußsüchtig und sittenlos, führte er mit dem auf unrechtmäßige Art erworbenen
Geld ein
üppiges
Leben; er wohnte mit einer Mätresse in einem eignen, wohleingerichteten
Haus.
Sein
Organ war seit der »Publiciste parisien«, später der
»Ami du peuple«, endlich das
»Journal de la République«,
welche die ungereimtesten Gerüchte brachten und sich namentlich durch
Denunziationen auszeichneten, aber beim niedern
Volk
als
Orakel galten.
Danton führte ihn in den
Klub der
Cordeliers, und bei ihnen fand er
Schutz, als Malouet
ihn wegen seiner
Aufforderung, 800
Deputierte, vorab
Mirabeau, an den
Bäumen des Tuileriengartens aufzuknüpfen, in
Anklagestand
versetzte und der
Stadtrat von
Paris ihn darauf verfolgen ließ Marat
verbarg sich in den
Kellern
der
Cordeliers und wagte sich erst nach dem Fluchtversuch des
Königs wieder an die
Öffentlichkeit, um von neuem die maßlosesten
Artikel gegen die
Girondisten zu schleudern. Er war einer der Haupturheber der Septembermorde und setzte auch unter dem
Eindruck
derselben 1792 in
Paris seine
Wahl zum Mitglied des
Konvents durch. Er wurde hier allgemein verabscheut;
so oft er das
Wort ergriff, übertäubte ein
wilder
Tumult seine
Stimme, während ihm die
Tribünen Beifall zujauchzten.
Während des Prozesses des Königs, für dessen sofortige Hinrichtung er stimmte, rief er dem Volk in seinem Blatt [* 7] zu: »Schlachtet, schlachtet 200,000 Anhänger des alten Regiments und reduziert den Konvent auf ein Viertel«. Wegen einer tollen Adresse, in der er die Bürger gegen den Konvent zu den Waffen gerufen hatte, wurde er 13. April verhaftet und von dem Revolutionstribunal eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet; doch sprach ihn dasselbe 24. April einstimmig frei. Mit Kränzen von Eichenlaub geschmückt, ward er von Bürgern und Bürgerinnen auf ihren Schultern in den Konvent zurückgetragen.
Von nun an erstrebte Marat
mit allen
Mitteln die Vernichtung der
Gironde, welche er durch Aufwiegelung des
Pöbels 2. Juni durchsetzte.
Doch wurde er zuletzt den
Führern des
Wohlfahrtsausschusses selbst lästig. Daß
Robespierre den Genossen
nicht dem
Beil des
Henkers überlieferte, verhinderte nur die That der
Charlotte
Corday (s. d.), die Marat
13. Juli im
Bad
[* 8] erstach.
Während bei längerm
Leben seine Erbärmlichkeit zu
Tage getreten wäre, wurde er nun vom
Volk als
Märtyrer der
Freiheit verehrt.
Seine
Leiche wurde mit
Pomp im
Garten
[* 9] der
Cordeliers begraben und sein von
David gemaltes
Bild auf einem
Altar
[* 10] im
Hof
[* 11] des
Louvre erst öffentlich ausgestellt, dann im
Konvent aufgehängt. Marats
Mätresse wurde aus Staatsmitteln ernährt.
Der
Konvent ließ durch einen Beschluß den Überresten Marats
die
Ehre des
Panthéons zuerkennen aber schon im
Februar 1795 wurde die
Leiche wieder hinausgeworfen und gleichzeitig sein
Bild aus dem
Konvent entfernt.