Titel
Manzōni,
1) Alessandro, einer der größten neuern ital. Dichter, geb. zu
Mailand
[* 2] aus einer gräflichen
Familie, erhielt nach dem frühen
Tod seines
Vaters die erste
Erziehung von
seiner geistreichen
Mutter, einer Tochter des berühmten Rechtsgelehrten
Beccaria. Nachdem er seine
Studien zu
Mailand und
Pavia
vollendet, folgte er 1805 seiner
Mutter nach
Paris,
[* 3] wo dieselbe schon seit mehreren
Jahren lebte, und erhielt dort Zutritt zu
den
Kreisen, in welchen sich die letzten Vertreter der
Philosophie des 18. Jahrh. bewegten.
Sein erster
poetischer
Versuch waren seine
»Versi sciolti« (Par. 1806) auf den
Tod seines väterlichen
Freundes Carlo Imbonati, die sich
jedoch weniger durch die Form als durch jenen
Adel der
Gesinnung auszeichneten, der einen Grundzug in Manzonis
Charakter bildete.
Zu derselben Zeit entwarf er
auch einen
Plan zu einem epischen Gedicht, welches die
Gründung
Venedigs zum
Gegenstand haben sollte, aber nicht zur Ausführung gekommen ist.
Sein nächstes poetisches Erzeugnis: »Urania« (1807), war von geringer Bedeutung und fand wenig Beachtung. Bis dahin ein Anhänger Voltairescher Grundsätze in der Religion, wandelte er nach seiner Verheiratung mit Luise Blondel, der Tochter eines Genfer Bankiers, allmählich seine religiösen Ansichten um und bekannte sich schließlich (etwa seit 1810) zu jenem gläubigen Katholizismus, dem er sein ganzes Leben lang treu blieb. Eine Frucht dieses Umschwungs waren seine »Inni sacri« (1810), mit welchen er einen ganz neuen Ton in der italienischen religiösen Lyrik anschlug, und die zu den schönsten Produkten derselben gehören, zu der damals in Italien [* 4] herrschenden Richtung aber im Gegensatz standen und daher auch mancherlei Angriffe erfuhren. Seinen Eifer für den katholischen Glauben bethätigte er auch durch seine gegen Sismondis Angriffe auf die katholische Moral gerichteten »Osservazioni sulla morale cattolica« (Mail. 1819, Flor. 1835; deutsch von Anspach, Köln [* 5] 1835). Wie in der Lyrik, so betrat auch im Drama einen neuen Weg. In seinen Trauerspielen: »Il conte di Carmagnola« (1819) und »Adelchi« (1822; deutsch von Schlosser, Heidelb. 1856) durchbrach er zuerst die starren Formen der französischen Schule und stellte die ersten Muster eines nationalen Dramas auf.
Beide
Stücke zeichnen sich durch ihre edle, gedankenreiche und harmonische
Sprache
[* 6] aus; besonders sind die eingelegten, ganz
lyrisch gehaltenen
Chöre von großer
Schönheit. Allgemeine Bewunderung erregte Manzonis
Ode auf
Napoleons I.
Tod: »Il cinque
Maggio« (1823),
das schönste Erzeugnis seiner lyrischen Muse, welches alle ähnlichen der Franzosen weit übertraf und ihn zum Lieblingsdichter seiner Nation machte. Den ausgebreitetsten Ruhm aber verschaffte ihm sein Roman »I promessi sposi, storia milanese del secolo XVII« (Mail. 1825-26, 3 Bde.; Livorno [* 7] 1827, 3 Bde., und an verschiedenen Orten nachgedruckt), überhaupt der erste italienische Roman im modernen Sinn des Wortes und gleich ausgezeichnet durch spannendes Interesse der Handlung wie durch die unvergleichliche Schilderung des italienischen Volkslebens im 17. Jahrh. und die Mannigfaltigkeit und Naturwahrheit der Charakterzeichnung. Das Buch wurde bald in alle gebildeten Sprachen übersetzt (ins Deutsche [* 8] von Bülow, Leßmann, Clarus, Kaden; recht gelungen von E. Schröder, Hildburgh. 1867) und überall mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen.
In der 3.
Auflage erschien das Werk
(Mail. 1842, 3 Bde.) in der
Sprache mehrfach verändert und mit einem Anhang: »Storia della
colonna infame«, versehen, einer strengen
Prüfung und
Verurteilung des gegen die angeblichen
Urheber der
Pest zu
Mailand im 17. Jahrh.
angestellten Kriminalverfahrens. Seit dieser Zeit lebte Manzoni
, seit 1837 zum zweitenmal verheiratet, in stiller
Zurückgezogenheit im
Schoße seiner
Familie. Trotz seines strengen
Katholizismus von warmer
Begeisterung für ein einiges
Italien
erfüllt, folgte er der politischen
Bewegung mit lebhaftem
Interesse und begrüßte die Ereignisse von 1859 mit aufrichtiger
Freude. Er nahm daher auch 1860 die Ernennung zum
Senator des
Königreichs an, wogegen er früher der österreichischen
Regierung das
Dekret, welches ihn zum Mitglied der lombardisch-venezianischen
Regierung ernannte, zurückgesandt hatte.
In dem
letzten Jahrzehnt beschäftigte ihn vorzugsweise die
Frage der sprachlichen
Einheit
Italiens,
[* 9] und er
¶
mehr
trat in einer Reihe von Aufsätzen mit Entschiedenheit für die Vorherrschaft des toscanischen Dialekts ein. Von ganz Italien
tief betrauert, starb Manzoni
Eine Sammlung seiner »Opere« gab Tommaseo mit kritischen Anmerkungen heraus (Flor. 1828-29, 5 Bde.;
nachgedruckt, Par. 1843). Neuerlich erschien noch: »Del trionfo della libertà. Poema inedito« (Ver. 1877).
»Opere inedite o rare« gab Bonghi (mit Biographie, Mail. 1883 ff., 9 Bde.),
seinen Briefwechsel G. Sforza (das. 1882 ff., 3 Bde.)
heraus.
Vgl. Sauer, A. Manzoni
(Prag
[* 11] 1872);
Fenini, und Guerrazzi (Mail. 1875);
De Gubernatis, Alessandro Manzoni
(Flor. 1879);
Graf Stampa,
Aless. Manzoni
, la sua famiglia, i suoi amici (Mail. 1885);
Vismara, Bibliografia Manzoniana
(das. 1875).
2) Renzo, ital. Reisender, ein Enkel des vorigen, versuchte 1877 und 1878 vergeblich, von Sana (Jemen) nach dem Innern oder nach Hadramaut vorzudringen, machte dann einen ebenfalls mißlungenen Versuch, von Berbera aus das Innere der Somalhalbinsel zu erforschen, und kehrte 1880 über Aden, [* 12] Sana und Hodeida nach Europa [* 13] zurück. Seine Reiseberichte erschienen gesammelt unter dem Titel: »El Yemen; tre anni nell' Arabia felice« (Rom [* 14] 1885).