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ihm vom Kaiser Paul I. gewährten Asyl zu Mitau [* 3] in Kurland [* 4] zurück, wo er sich mit einem kleinen, aus vornehmen Emigranten gebildeten Hof [* 5] umgab und mit einer Unterbrechung, während der er in Warschau [* 6] verweilte, bis zum Tilsiter Frieden aushielt. Ende 1807 begab er sich nach England, wo er zu Hartwell in Buckinghamshire mit Studien beschäftigt lebte. Als die Verbündeten in Frankreich eingedrungen waren, erließ er eine Proklamation, worin er sein göttliches Thronrecht beanspruchte, aber volle Amnestie des Vergangenen, Beibehaltung der segensreichsten Reformen und Vernichtung der Konskription versprach.
Aber erst nach der förmlichen Absetzung Napoleons I. landete er zu Calais [* 7] und hielt 3. Mai seinen Einzug in Paris. [* 8] Am 4. Juni empfing die Nation aus seinen Händen die konstitutionelle Charte. Ludwig würde bei der Milde seiner Gesinnung Frankreich allmählich an das Königtum wieder gewöhnt haben, hätte sich nicht sogleich die alte Adels- und Priesterpartei, an deren Spitze sein Bruder, der Graf von Artois, stand, zwischen das Volk und den gutmütigen, bequemen Monarchen geworfen.
Die wichtigsten Bestimmungen der Charte wurden sogleich mit Füßen getreten und die Anhänger des Kaisers, die Republikaner und die Protestanten verfolgt. Erst auf die Nachricht von der Landung Napoleons lenkte der König um, beschwor aufs neue die Charte und erließ freisinnige Proklamationen. Bei der Annäherung Napoleons verließ Ludwig mit seiner Familie in der Nacht vom 19. zum Paris und floh nach Gent. [* 9] Nach der Schlacht von Waterloo [* 10] erließ Ludwig zu Cambrai 25. Juni eine Proklamation, in der er eine allgemeine Amnestie, mit Ausnahme der Verräter, und die Sicherung der Charte durch neue Bürgschaften versprach.
Unter dem Schutz des Herzogs von Wellington hielt er hierauf abermals seinen Einzug in Paris. Er berief auch Talleyrand und Fouché, zwei Napoleonische Minister, in sein Kabinett; indes diese wurden bald von der royalistisch-klerikalen Koterie unter Artois, dem sogen. Pavillon Marsan, und der Chambre introuvable, die zusammentrat, gestürzt, denen auch die neuen Minister, Richelieu und Decazes, nicht reaktionär genug waren. Die blutigen Verfolgungen der Protestanten erneuerten sich, so daß Ludwig sich schließlich genötigt sah, 1816 die Kammern aufzulösen. 1819 trat sogar eine liberale Wendung durch die Wahlen ein, der sich Ludwig bereitwillig anschloß, die indes bereits 1820 durch die Ermordung des Herzogs von Berri unterbrochen wurde.
Die neue Kammer, in der die reaktionären Ultras wieder die Majorität hatten, nötigte 1821 Ludwig das Ministerium Villèle auf, welches nach außen (durch die Intervention in Spanien [* 11] 1823) und nach innen schroff reaktionär auftrat. Ludwig wurde zuletzt durch seine fromme Familie selbst dahin gebracht, daß er sein Seelenheil durch Beichten und geistlichen Beistand, von welchem er lange nichts wissen wollte, in Sicherheit brachte. Nach langer Krankheit starb er Vermählt war er seit 1771 mit Luise, Tochter des Königs Viktor Amadeus von Sardinien. [* 12] Da er keine Kinder hinterließ, folgte ihm sein Bruder Karl X. Die von Lamothe-Langon herausgegebenen »Mémoires de Louis XVIII« (Par. 1832) sind apokryph.
Vgl. Alphonse de Beauchamp, Vie de Louis XVIII (3. Aufl. 1825);
Petit, Histoire contemporaine de la France; Bd. 8: Louis XVIII (1885).
37) Ludwig Philipp, König der Franzosen, der älteste Sohn des Herzogs Ludwig Philipp Joseph von Chartres, spätern Herzogs von Orléans [* 13] (Egalité, s. Orléans), und der Prinzessin Luise Marie. Adelaide [* 14] von Penthièvre, geb. zu Paris, erhielt bei der Geburt den Titel eines Herzogs von Valois und nach dem Tod seines Großvaters (1785) den eines Herzogs von Chartres. Von Frau v. Genlis nach Rousseauschen Prinzipien erzogen, erhielt Ludwig Philipp eine tüchtige Verstandesbildung und einen gestählten Körper.
Gleich seinem
Vater
schloß er sich der
Revolution an, erklärte sich für die
Konstitution, trat in die
Nationalgarde
und den Jakobinerklub. 1782 zum
Maréchal de
Camp ernannt, befehligte er unter
Luckner eine Kavalleriebrigade und ward 11. Sept.
Generalleutnant
und der
Armee
Kellermanns beigegeben, unter
dem er bei
Valmy mitfocht. In der
Schlacht bei
Jemappes (6. Nov.) befehligte
er das
Zentrum und trug wesentlich zum
Sieg bei. Nachdem er unter
Dumouriez bei
Neerwinden gekämpft, trat
er, als dessen
Versuch, den
Herzog auf den
Thron
[* 15] zu erheben, scheiterte, mit demselben auf das österreichische Gebiet
über und begab sich nach der
Schweiz,
[* 16] wo er unter dem
Namen
Chabaud Latour eine Lehrerstelle im
Kollegium
von
Reichenau bekleidete. Im März 1795 reiste er über
Hamburg
[* 17] nach
Skandinavien und, als das
Direktorium für die
Freilassung
seiner
Mutter und seiner
Brüder die
Bedingung stellte, daß er
Europa
[* 18] verlasse, im
Herbst 1796 nach
Amerika,
[* 19] von da im
Januar 1800 nach
England. Er versöhnte sich hier mit den
Bourbonen und lebte mit seinen
Brüdern
Montpensier und
Beaujolais
auf einem
Schloß bei
Twickenham, bis diese 1807 und 1808 starben. Darauf begab er sich nach
Palermo,
[* 20] wo er sich mit
der
Prinzessin
Maria Amalie von
Sizilien,
[* 21] der zweiten Tochter des
Königs
Ferdinand I., vermählte. Auf die Nachricht von
dem
Sturz
Napoleons I. eilte er Ende April 1814 nach
Paris, wo er von Ludwig XVIII. kalt und mißtrauisch empfangen wurde. Erst
nach
Napoleons Rückkehr aus
Elba im März 1815 erhielt er ein höheres
Kommando im
Norden
[* 22] und begab sich während der
Hundert Tage
nach
England, von wo er nach des
Kaisers zweitem
Sturz nach
Paris zurückkehrte. Hier residierte er im
Palais Royal,
wurde aber von Ludwig XVIII. und dem
Hof mit solchem Mißtrauen behandelt, daß er wieder nach
England ging und erst 1817 dauernd
nach
Frankreich übersiedelte.
Nun widmete er sich der Regelung der tief zerrütteten Vermögensverhältnisse der
Familie
und der
Erziehung seiner
Kinder. Er hielt sich von allen politischen
Geschäften fern und hütete sich wohl, durch
Teilnahme
an der
Reaktion sein
Geschick mit dem der
Bourbonen zu verflechten. Naturgemäß richteten sich die
Blicke aller Mißvergnügten,
die eine Änderung wünschten, auf ihn; das
Palais Royal wurde der Sammelpunkt einer liberalen
Partei,
die durch Ludwig
Philipp ihre
Ziele zu erreichen hoffte. Als in der
Julirevolution 1830 am 29. Juli auf dem Stadthaus die Absetzung
Karls X. ausgesprochen worden, beschlossen die liberalen
Deputierten auf
Laffittes
Vorschlag am 30., dem
Herzog von
Orléans die
Regentschaft als
Generalleutnant des
Reichs anzutragen. Nach längerer Beratung mit
Laffitte,
Talleyrand u. a.
nahm Ludwig
Philipp 31. Juli die ihm angebotene
Würde an, erließ eine Bekanntmachung, die mit den
Worten schloß: »Die
Charte wird
fortan eine
Wahrheit sein!« und beseitigte durch seinen Zug
nach dem Stadthaus die revolutionäre Munizipalkommission. Nach der
Flucht
Karls X. eröffnete er 3. Aug. als
Generalleutnant von
Frankreich die
Kammern, welche 7. Aug. den
Thron für
erledigt erklärten und Ludwig
Philipp aufforderten, denselben einzunehmen.
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Am 9. Aug. erklärte der Herzog die Annahme der Krone unter dem Titel eines Königs der Franzosen und leistete den konstitutionellen Eid. Die auswärtigen Mächte erkannten ihn an, nachdem er sich zu den Verträgen von 1814 und 1815 verpflichtet hatte. Seine Stellung war eine schwierige, denn er besaß die Krone weder auf Grund der Legitimität noch der Volkssouveränität, sondern auf Grund eines Kompromisses der Parteien: er war bloß König auf Wohlverhalten. Seine frühern Schicksale gewährten ihm wenigstens den Vorteil, lange einer vom Volke gewesen zu sein und die Verhältnisse Europas als einfacher Passagier, wie er selbst sagte, beobachtet zu haben; er glaubte also sein Volk und die Welt zu kennen.
Und doch täuschte er darin sich und andre. Zwar erwarb er durch eine bürgerliche Einfachheit eine Zeitlang eine gewisse Popularität: mit dem Regenschirm unter dem Arm ging er in den Straßen spazieren und redete mit leutseliger Herablassung Begegnende an. In der hohen Politik wollte er die extremen Parteien durch Begünstigung des wohlhabenden Mittelstandes, der Bourgeoisie, aus der er seine Minister nahm, im Gleichgewicht [* 24] halten, das Juste-milieu beobachten.
Bald aber entwickelte sich daraus eine Parteiregierung, welche sich nicht scheute, durch schamlose Beeinflussung der Wahlen sich die Majorität in der Kammer zu sichern. Ludwig Philipp wurde daher von allen übrigen Parteien, den Republikanern, den Legitimisten und den Bonapartisten, aufs heftigste angefeindet. Es kam zu Unruhen und Attentaten auf Ludwig Philipp, wie namentlich dem der Höllenmaschine Fieschis welche strenge Repressivmaßregeln zur Folge hatten.
Die vielen wohlthätigen Gesetze und Einrichtungen, welche Ludwig Philipps Regierung Frankreich brachte, namentlich seine Fürsorge für die geistigen Interessen, wurden nicht gewürdigt. Besonders seine auswärtige Politik, die mehrmals einen Anlauf [* 25] zu großen Aktionen nahm, wie besonders 1840, im ganzen aber, die Expeditionen nach Italien [* 26] und Belgien [* 27] ausgenommen, eine friedliche war, erregte den Unwillen der Nation, der von der bonapartistischen Partei künstlich genährt wurde; gegen diese benahm sich Ludwig Philipp schwächlich, indem er den Prinzen Ludwig Napoleon nach beiden Handstreichen, 1836 und 1840, schonte und in letzterm Jahr die Asche Napoleons I. feierlich aus St. Helena abholen und im Invalidendom beisetzen ließ.
Die Erfolge seiner Regierung in Algerien [* 28] und im Stillen Ozean kamen nicht in Betracht. Als seine bürgerliche Fürsorge für seine Familie sich auf Kosten des Staats durch Dotationsforderungen für seine Söhne allzusehr bemerklich machte, als er die widerwärtigen Umtriebe wegen der spanischen Heiraten in Szene setzte, um seinem Sohn Montpensier die spanische Krone zu verschaffen, beschuldigte ihn die öffentliche Meinung gerade so des Eigennutzes wie die korrumpierte Kammer.
Man identifizierte ihn mit dem Ministerium Guizot; der Widerstand gegen dieses in der Wahlreformfrage richtete sich auch gegen ihn, und als derselbe zum Ausbruch kam, genügten weder die Nachgiebigkeit gegen die Wünsche des Volkes noch die Abdankung zu gunsten des Grafen von Paris zur Beschwichtigung der Revolution. In Zivilkleidern und einer Mietkutsche verließ Ludwig Philipp mit seiner Gemahlin Paris und schiffte sich zu Honfleur 2. März nach England ein. Hier lebte er unter dem Namen eines Grafen von Neuilly in Claremont bei Windsor, wo er starb.
Seine Leiche ward in der katholischen Kapelle von Weybridge beigesetzt und 1876 nach Dreux in Frankreich gebracht. Er hatte acht Kinder: Ferdinand Philipp, Herzog von Orléans, der, 1810 geboren, verunglückte und aus seiner Ehe mit Helene von Mecklenburg [* 29] den Grafen von Paris und den Herzog von Chartres hinterließ;
Luise, Gemahlin des Königs der Belgier (gest. 1850);
Marie, Gemahlin des Prinzen Alexander von Württemberg [* 30] (gest. 1839);
Ludwig Karl, Herzog von Nemours;
Klementine, Herzogin von Koburg-Kohary;
Franz Ferdinand, Prinz von Joinville;
Heinrich Eugen, Herzog von Aumale;
Anton Philipp, Herzog von Montpensier.
Vgl. Birch, Ludwig Philipp I., König der Franzosen (3. Aufl., Stuttg. 1851, 3 Bde.);
Montalivet, Le [* 31] roi Louis-Philippe (2. Aufl., Par. 1851);
Lemoine, Abdication du roi Louis-Philippe, racontée par lui-même (1851);
Crétineau-Joly, Histoire de Louis-Philippe d'Orléans (das. 1862, 2 Bde.);
Alex. Dumas, Histoire de la vie politique et privée de Louis-Philippe (1852, 2 Bde.; auch mehrfach deutsch);
Nouvion, Histoire du règne de Louis-Philippe (1861, 4 Bde.);
Billault de Gerainville, Histoire de Louis-Philippe (1870-76, 3 Bde.);
Hillebrand, Geschichte Frankreichs von der Thronbesteigung Ludwig Philipps etc. (Gotha [* 32] 1877-79, Bd. 1 u. 2).
38) Ludwig Napoleon, Kaiser der Franzosen, s. Napoleon III.
[Hessen-Darmstadt.]
39) Ludwig I., Großherzog von Hessen-Darmstadt, geb. zu Prenzlau [* 33] in der Ukermark, wo damals sein Vater, der nachmalige Landgraf Ludwig IX. (1768-90), der Gemahl der »großen Landgräfin« (s. Karoline), als preußischer Generalmajor in Garnison stand, bezog 1769 die Universität zu Leiden, [* 34] trat 1773 auf kurze Zeit in russische Kriegsdienste und beschäftigte sich sodann in Darmstadt [* 35] mit Wissenschaften und Kunst, bis ihn 1790 der Tod seines Vaters unter dem Namen Ludwig X. zur Regierung berief.
In den französischen Revolutionskriegen kämpften seine Truppen am Rhein, im Elsaß und in den Niederlanden; Ludwig selbst wohnte der Belagerung von Mainz [* 36] bei. Endlich sah er sich genötigt, seine Residenz zu verlassen und sich nach Sachsen [* 37] zu begeben, bis es im März 1799 zu einem Separatfrieden zwischen Hessen-Darmstadt und Frankreich kam. Für den Verlust seiner Besitzungen auf dem linken Rheinufer wurde er im Reichsdeputationshauptschluß 1803 durch mainzische Besitzungen und das Herzogtum Westfalen [* 38] entschädigt. Im August 1806 trat er dem Rheinbund bei und wurde souveräner Großherzog, als welcher er sich nun Ludwig I. nannte.
Erst im November 1813 schloß er sich den Verbündeten an und erwarb sich auf dem Wiener Kongreß für Westfalen Rheinhessen. Am gab er seinem Land eine konstitutionelle Verfassung. Er starb Vermählt war er mit Prinzessin Luise Karoline Henriette, Tochter des Landgrafen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt. Ludwig huldigte freisinnigen Ansichten und förderte die Wissenschaften und Künste, namentlich das Theater. [* 39] 1844 wurde ihm in Darmstadt ein Denkmal errichtet.
Vgl. Steiner, Ludwig I. (Offenb. 1842).
40) Ludwig II., Großherzog, Sohn des vorigen, geb. lebte bis zu seinem Regierungsantritt meist zurückgezogen in Darmstadt. An eigentlichen Regierungsgeschäften durfte er keinen Anteil nehmen, nur beteiligte er sich an den Sitzungen der Ersten Kammer und war von 1823 an Mitglied des Staatsrats. Seine Forderung der Übernahme seiner ansehnlichen Schulden auf die Staatsschuldentilgungskasse brachte ihn sofort nach ¶
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seinem Regierungsantritt mit den Ständen in Konflikt, der wegen seiner wachsenden reaktionären Richtung seine ganze Regierungszeit überdauerte. Den Ereignissen von 1848 sich nicht gewachsen fühlend, übertrug er seinem Sohn, dem spätern Großherzog, die Mitregentschaft; er starb Ludwig war vermählt mit Prinzessin Wilhelmine von Baden [* 41] (gest. 1836), die ihm drei Söhne, den Großherzog Ludwig III., Karl, geb. gest. Alexander, geb. und eine Tochter, Marie, geb. gest. seit 1841 die Gemahlin des Großfürsten Thronfolgers, spätern Kaisers von Rußland, Alexander II., gebar.
Vgl. Steiner, Ludwig II., Großherzog von Hessen [* 42] (Darmst. 1848).
41) Ludwig III., Großherzog, Sohn des vorigen, geb. hatte vor 1848 wenig Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten, galt aber für einen Gegner der absolutistischen und ultramontanen Richtungen, die sich unter seinem Vater geltend machten, und wurde daher mit Jubel begrüßt, als ihn der Großherzog zum Mitregenten berief. Die Wahl Gagerns zum Minister steigerte seine Popularität, die noch nicht geschmälert war, als er den Thron bestieg.
Erst mit dem allgemeinen Umschwung der Dinge 1850 änderte auch Ludwig seine Politik, u. unter dem Ministerium Dalwigk kam ein durchaus büreaukratisch-reaktionäres System zur Herrschaft, das unter dem Einfluß der Großherzogin, Mathilde von Bayern [* 43] (geb. vermählt 1833, gest. der Kirche weitgehende Rechte und Freiheiten auf Kosten des Staats einräumte. Ludwig selbst trat hinter dem allmächtigen Minister und dem Bischof von Mainz ganz zurück. 1866 nahm er am Kriege gegen Preußen [* 44] teil und mußte sich nach Rheinhessen flüchten.
Seine Verwandtschaft mit dem russischen Kaiser rettete ihm sein Land fast unverkürzt, doch mußte er für Oberhessen in den Norddeutschen Bund treten und mit Preußen eine Militärkonvention schließen. 1871 trat er mit dem ganzen Land ins Deutsche Reich [* 45] ein und entließ auch 1872 endlich Dalwigk, worauf mit Hofmanns Eintritt 1873 ein völliger Systemwechsel erfolgte. Er starb, seit 1868 morganatisch mit einer Freiin von Hochstätten vermählt, kinderlos Ihm folgte sein Neffe, Großherzog Ludwig IV.
42) Ludwig IV., Großherzog, Neffe des vorigen, Sohn des Prinzen Karl von Hessen und der preußischen Prinzessin Elisabeth, geb. vermählte sich mit der zweiten Tochter der Königin Viktoria von England, Prinzessin Alice (gest. aus welcher Ehe fünf Töchter und ein Sohn (Erbgroßherzog Ernst Ludwig, geb. am Leben geblieben sind, befehligte 1866 eine Brigade im hessischen Kontingent, 1870/71 die hessische (25.) Infanteriedivision, welche einen Teil des 9. Korps bildete und sich besonders bei Gravelotte und in den Kämpfen an der Loire auszeichnete, und blieb auch im Frieden Befehlshaber derselben, bis er, durch den Tod seines Vaters Thronerbe geworden, nach dem Tod seines Oheims, des Großherzogs Ludwig III., als Ludwig IV. den hessischen Thron bestieg. Er regierte nach liberalen Grundsätzen. 1884 vermählte er sich morganatisch mit Frau v. Kolemine, geborne Gräfin Czapska, welche Ehe aber kurz darauf gerichtlich wieder getrennt wurde.
[Nassau.]
43) Graf von Nassau-Dillenburg, Bruder Wilhelms I. (s. d.) von Oranien, geb. zu Dillenburg, studierte in Genf, [* 46] folgte seinem Bruder nach den Niederlanden, erlangte hier durch seinen edlen, ritterlichen Charakter und seinen frommen Eifer für den Protestantismus große Popularität, schloß sich dem sogen. Geusenbund (1565) an, ward bald das Oberhaupt desselben und verfaßte 1566 die Proklamation des niederländischen Adels an die deutsche Nation, war aber 1567 mit seinem Bruder Wilhelm gerade in Deutschland, [* 47] hier Hilfe zu suchen, als der neue Statthalter der Niederlande, [* 48] Herzog von Alba, [* 49] ankam und beide in die Acht erklärte.
Schon im Mai 1568 drang Graf Ludwig mit 4000 Mann ungeachtet des Verbots des Kaisers Maximilian II. in das Groningerland ein, bemächtigte sich des Schlosses Wedde und schlug, nachdem sein Bruder Adolf zu ihm gestoßen, die Spanier 23. Mai bei Heiligerlee, mußte sich aber hierauf vor Alba in ein verschanztes Lager [* 50] bei Jemgum an der untern Ems [* 51] zurückziehen und erlitt hier 21. Juli eine völlige Niederlage. Er beteiligte sich dann an dem fruchtlosen Heereszug seines Bruders Wilhelm nach Holland (September bis November 1568) und folgte ihm 1569 zum Admiral Coligny nach Frankreich, wo er an verschiedenen Unternehmungen der Hugenotten teilnahm.
Von Karl IX. unterstützt, brachte er in Hennegau ein kleines Heer unter die Waffen [* 52] und überrumpelte Mons, [* 53] ward aber sodann hier von Alba belagert und mußte im September 1572 kapitulieren. Er erhielt freien Abzug und kehrte, von den Spaniern mit größter Auszeichnung behandelt, in seine Heimat nach Siegen [* 54] zurück. 1574 warb er mit französischen Subsidien in Deutschland ein Heer von 8000 Mann zu Fuß und 2000 Reitern, um Haarlem [* 55] und Leiden zu entsetzen, wurde aber, nachdem er kaum die Maas überschritten, von dem überlegenen spanischen Heer 14. April auf der Mooker Heide geschlagen und starb beim letzten verzweifelten Kampf nebst seinem Bruder Heinrich den Heldentod. Er ist eine der edelsten Heldengestalten des niederländischen Befreiungskampfes.
Vgl. Ledderhose, Graf Ludwig von Nassau (Norden 1877).
[Neapel.]
44) Ludwig von Tarent, König von Neapel, zweiter Sohn des Fürsten Philipp von Tarent, ermordete 1345 Andreas, den ersten Gemahl der Königin Johanna I. von Neapel, [* 56] und vermählte sich 1346 mit dieser. 1348 vom König Ludwig von Ungarn [* 57] mit Johanna vertrieben, kehrte er 1350 mit dieser nach Neapel zurück und wurde 1352 als König gekrönt. Er führte eine thatkräftige Regierung, auf die er seiner Gemahlin wenig Einfluß einräumte. 1356 versuchte er vergeblich Sizilien zu erobern. Er starb kinderlos im Mai 1362.
45) Ludwig von Anjou, König von Neapel, geb. 1339, Sohn des Königs Johann von Frankreich, wurde 1360 von seinem Vater den Engländern als Geisel für die Zahlung der Loskaufssumme überliefert, entfloh aber aus der Gefangenschaft, wurde von seinem Bruder, König Karl V., zum Statthalter von Languedoc ernannt, welches er mit Härte verwaltete, kämpfte mit wechselndem Glück gegen die Engländer, erzwang 1380 nach Karls V. Tod mit Gewalt seine Erhebung zum Regenten an des unmündigen Karl VI. Statt, benutzte diese Stellung aber nur, um Schätze zu sammeln, und stürzte das Reich in große Verwirrung. Von der Königin Johanna I. von Neapel, welche Frankreichs Hilfe gegen Ungarn gewinnen wollte, an Sohnes Statt angenommen und zum Thronerben ernannt, begab er sich mit einer von dem geraubten Geld gemieteten Söldnerschar 1381 nach Italien, nachdem er in Avignon von Papst Clemens VII. gekrönt worden war, und drang ¶