Titel
Lothar
,
altdeutscher Name, s. v. w. das fränkische Chlotar (»Herr der Leute«). Die hervorragendsten Träger [* 2] des Namens sind:
Römisch-deutsche Kaiser:
1) Lothar
I., ältester Sohn
Ludwigs des
Frommen, geb. 795, wurde 817 bei der
Teilung des
Reichs
Karls d. Gr.,
nachdem er seit 814
Bayern
[* 3] regiert hatte, Mitkaiser; 822 erhielt er, nachdem er sich mit Irmengard, Tochter des
Grafen
Hugo von
Tours,
[* 4] vermählt, auch
Italien
[* 5] und 823 vom
Papste die
Kaiserkrone. Im
November 824 erließ er die
Konstitution Lothars
, welche
die
Rechte des
Kaisers und des
Papstes in
Rom und
[* 6] im
Kirchenstaat festsetzte. Als aber
Kaiser
Ludwig dem von
seiner zweiten Gemahlin,
Judith, gebornen Sohn
Karl 829 Alemannien bestimmte, empörten sich die drei
Söhne erster
Ehe gegen
den
Vater, und Lothar
stieß ihn 830 vom
Thron;
[* 7] die
Deutschen befreiten jedoch
Ludwig wieder, und Lothar
verlor 831 die
Regentschaft.
In einer neuen Empörung 833 siegten und seine beiden
Brüder durch den
Verrat auf dem Lügenfeld, und
auf des erstern Betrieb ward
Ludwig der
Fromme zu der schimpflichen
Kirchenbuße zu
Soissons
im
Oktober 833 gezwungen und von
Lothar
in strengem Gewahrsam gehalten; indes diese unwürdige Behandlung seines
Vaters sowie seine Anmaßung
veranlaßten seine
Brüder, von ihm abzufallen.
Ludwig der
Fromme wurde 1. März 834 in St.
Denis wieder eingesetzt; Lothar
, der nach
Burgund geflohen war, mußte sich im Juni 834 in
Blois unterwerfen; er behielt bloß
Italien als Unterkönigreich. Bei der neuen
Teilung des
Reichs nach
Pippins
Tod wurde Lothar
wieder
zu
Gnaden angenommen und bekam außer
Italien
Austrasien ohne
Bayern (Juni 839). Nach des
Vaters
Tod (Juni 840) beanspruchte Lothar
als
Kaiser die Herrschaft über die ganze
Monarchie, allein
Ludwig und
Karl schlugen ihn bei
Fontenoy in
Burgund 25. Juni 841.
In dem
Vertrag
von
Verdun
[* 8] 10. Aug. 843 behielt Lothar
außer der Kaiserwürde und
Italien Burgundien und die
Länder zwischen
Rhein,
Maas und
Schelde bis an die
Nordsee, mit den beiden Hauptstädten
Rom und
Aachen.
[* 9]
Während er zur
Befestigung seiner Macht in
Aachen blieb, verwüsteten die Araber 848 seine italienischen
Provinzen, und die
Normannen plünderten die
Küsten der
Nordsee. Der hohe
Klerus errang sich eine selbständige
Stellung, und
die großen
Vasallen übten nach Lothars
Vorbild
Willkür und Gewaltherrschaft. An
Geist und
Körper leidend, teilte Lothar
seine
Lande unter seine drei
Söhne
Ludwig II., der die
Kaiserkrone und
Italien, Lothar
II., der
Austrasien (Lothar
ingien),
Karl, der
Burgund bekam, und zog sich in das
Kloster
Prüm in der
Eifel zurück, wo er bald nachher als
Mönch 29. Sept. 855 starb.
Seine Gebeine wurden 1860 wieder aufgefunden.
2) Lothar
II., der
Sachse,
Graf von Supplinburg, geboren um 1060, erwarb durch seine Vermählung mit Richenza,
Ottos von Nordheim
Enkelin, 1100 große
Güter, schloß sich 1105 der Empörung
Heinrichs
V. an und erhielt zur Belohnung 1106 nach
dessen Thronbesteigung das durch Aussterben der
Billunger erledigte Herzogtum
Sachsen.
[* 10] Aber auch gegen
Heinrich V. erhob er
sich, schlug das kaiserliche
Heer am
Welfesholz und erlangte hierdurch und durch die
Erbschaft der Brunonischen
Güter
eine solche Macht, daß er es wagen konnte, den
Grafen
Konrad von
Wettin 1123 in die
Mark
Meißen,
[* 11] Wigbert und
Albrecht von
Stade
[* 12] in die Ostmark mit Waffengewalt einzusetzen und die auf kaiserlichen Befehl herbeiziehenden
Herzöge
Wladislaw von
Böhmen
[* 13] und
Otto von
Mähren zurückzutreiben.
Nach dem Tode des Kaisers Heinrich V. wurde er ungeachtet der Ansprüche, die Herzog Friedrich von Schwaben auf die Kaiserkrone hatte, infolge der Ränke des Erzbischofs Adalbert von Mainz [* 14] und des päpstlichen Legaten zum König gewählt; doch mußte er die gänzliche Freigebung der kirchlichen Wahlen geloben und auf den Heimfall aller eingezogenen Lehen an die Krone Verzicht leisten. Um seine gefährlichsten Nebenbuhler zu schwächen, forderte er von den Hohenstaufen als Erben Heinrichs V. diejenigen Reichsgüter zurück, welche das fränkische (salische) Kaiserhaus mit seinen Hausgütern vereinigt hatte.
Herzog
Friedrich weigerte sich und ward deshalb 1126 in die
Reichsacht erklärt. Nachdem Lothar
die
Welfen für
sich gewonnen, indem er 1127 seine Tochter
Gertrud, die Erbin der Supplinburger, Nordheimer und altbraunschweiger Allodialgüter,
mit
Heinrich dem
Stolzen,
Herzog von
Bayern, vermählte, und die
Hilfe der
Zähringer sich durch
Verleihung von Hochburgund gesichert,
begann
er den
Kampf gegen die Staufer, der im ganzen günstig für ihn verlief. 1132 zog Lothar
nach
Rom, wo
er die
Kaiserkrone aus
¶
mehr
der Hand [* 16] des von ihm mit Waffengewalt zurückgeführten Papstes Innocenz II. erhielt und die Mathildischen Erbgüter von demselben zu Lehen nahm. Unterdessen hatte Heinrich der Stolze die hohenstaufischen Brüder Friedrich und Konrad III. mit solchem Erfolg bekriegt, daß ersterer auf dem Reichstag zu Bamberg [* 17] und letzterer auf dem Fürstentag zu Mühlhausen [* 18] 30. Sept. sich dem Kaiser Lothar unterwarfen. Die Herrschaft über die slawischen Fürsten an der Ostsee von der Elbe bis zur polnischen Grenze hatte er durch die Besiegung der Obotriten und Liutizen (1131), durch die Beförderung der Missionen daselbst und durch die Erteilung der Nordmark an den tapfern Albrecht den Bären 1134 fest begründet.
Auch mußte Herzog Boleslaw von Polen ihm wegen Pommern [* 19] und Rügen 1135 huldigen, und Erich von Schleswig [* 20] empfing in demselben Jahr zu Magdeburg [* 21] aus Lothars Händen die dänische Königskrone als Lehen. 1136 zog Lothar zum zweitenmal über die Alpen, [* 22] unterwarf die lombardischen Städte, hielt einen glänzenden Reichstag auf den Roncalischen Gefilden (6. Nov.), vertrieb König Roger aus Unteritalien, wurde aber an der gänzlichen Unterwerfung dieses Landes durch eine Meuterei des Heers und einen Streit mit dem undankbaren Innocenz II. gehindert. Auf seiner Rückkehr aus Italien überraschte ihn der Tod in einer Alpenhütte zu Breitenwang bei Reutte in Tirol [* 23] Sterbend belehnte er seinen Schwiegersohn Heinrich mit dem Herzogtum Sachsen und überreichte ihm die Reichsinsignien. Lothar liegt begraben zu Königslutter im Braunschweigischen in dem von ihm daselbst gestifteten Kloster.
Vgl. Jaffé, Geschichte des Deutschen Reichs unter Lothar dem Sachsen (Berl. 1843);
Bernhardi, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Lothar von Supplinburg (Leipz. 1879).
3) Lothar II., fränkischer König, zweiter Sohn von Lothar 1) und seiner Gemahlin Irmengard, erhielt bei des erstern Abdankung 855 die Lande zwischen Rhein, Maas und Schelde nebst Friesland, welche von ihm den Namen Lotharingien (Lothringen) bekamen. 863 teilte er mit seinem Bruder Kaiser Ludwig II. das Erbe seines Bruders Karl, die burgundischen Lande. Seine Stellung zwischen den feindlichen Oheimen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen war eine schwierige. Sinnlich wie sein Vater, zog er sich auch noch einen Ehestreit zu, der sein Ansehen völlig untergrub. Er verstieß nämlich seine Gemahlin Theutberga, die Schwester des Grafen Hucbert von St.-Maurice, mit der er sich 855 vermählt, 857 unter schändlichen Beschuldigungen, um Waldrada, mit welcher er vor seiner Ehe gelebt, zu heiraten, und ließ sich unter Zustimmung seiner Geistlichkeit auf einer Synode zu Aachen 862 mit Waldrada trauen.
Papst Nikolaus I. zwang ihn durch Drohung mit dem Bann, 865 sich mit Theutberga auszusöhnen; indes die Unterwerfung Lothars war nur eine äußerliche, und durch die größten Demütigungen suchte er vom Papste die Trennung der kinderlosen Ehe mit Theutberga und die Anerkennung der Kinder Waldradas zu erlangen. Noch bevor er dies erreicht, starb er auf der Rückreise von Italien 8. Aug. 869 in Piacenza. Da er keine legitimen Erben hinterließ, teilten sich Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche [* 24] in sein Reich.
4) König von Frankreich, geb. 941 zu Laon, Sohn Ludwigs IV., des Überseeischen (d'Outre-mer), und Gerbergas, Tochter Heinrichs I. von Deutschland, [* 25] wurde 952 zum Mitregenten angenommen und nach dem Tod seines Vaters 954 von Hugo d. Gr., der dafür das Herzogtum Aquitanien erlangte, zum alleinigen König eingesetzt. Mündig geworden, führte er unglückliche Kriege gegen Richard, Grafen der Normandie, und andre Große. 965 vermählte er sich mit Kaiser Ottos Stieftochter Emma, Tochter Lothars von Italien.
Als Unruhen in Lothringen nach Ottos I. Tod ausbrachen und Aussicht auf Erwerb des Herzogtums vorhanden schien, überfiel Lothar 978 Otto II. in Aachen; doch entkam dieser und rächte sich für die von Lothar angerichteten Verwüstungen durch seinen Verheerungszug bis in die Vorstädte von Paris [* 26] im Spätherbst 978. Auf einer Zusammenkunft mit Otto in Chiers 980 entsagte Lothar allen Ansprüchen auf Lothringen. Er starb 986. Ihm folgte sein Sohn Ludwig V., der Faule, unter Leitung Hugo Capets.
5) König von Italien, Sohn König Hugos von Niederburgund, erhielt von diesem, als er 945 aus Italien flüchtete, dies Königreich abgetreten und wurde auch 946 in Mailand [* 27] von den Großen als König anerkannt. 947 vermählte er sich mit der Tochter Rudolfs II. von Burgund, Adelheid, starb aber schon 22. Nov. 950 in Turin, [* 28] wie gesagt wurde, vergiftet von Berengar von Ivrea.