Longfellow
(spr. -féllo), Henry Wadsworth, der populärste Dichter Amerikas, geb. zu Portland im Staat Maine, studierte auf dem Bowdoin College und wurde 1826 zum Professor der neuern Sprachen in jenem Institut ernannt. Um sich für diese Stelle vorzubereiten, brachte er einige Jahre in Europa [* 2] mit Studien beschäftigt zu. 1835 wurde er zum Nachfolger Ticknors (s. d.) am Harvard College ernannt; doch legte er 1854 seine Professur nieder, um sich von nun an ausschließlich litterarischer Beschäftigung widmen zu können.
Sein erstes Bändchen erschien 1833 und enthielt eine Übersetzung der spanischen, unter dem Namen: »Coplas de Manrique« bekannten Ode nebst einem Aufsatz über die religiöse und moralische Poesie der Spanier. 1835 folgte das Skizzenbuch »Outremer, a pilgrimage beyond the sea«, eine Frucht seiner europäischen Reisen und Studien;
1839 »Hyperion« (deutsch von Ad. Böttger, Leipz. 1856),
ein auf deutschem
Boden spielender Reiseroman, reich an geistvollen Bemerkungen über
Kunst, Litteratur
u. Geschichte. In demselben Jahr veröffentlichte Longfellow
noch:
»Voices of the night«, eine Gedichtsammlung, in welche auch sein berühmtes
Gedicht »A psalm of life« und eine große Anzahl Übersetzungen aus dem
Spanischen,
Deutschen,
Italienischen,
Französischen etc. aufgenommen waren.
Die genannten Dichtungen fanden allgemeinen Beifall und machten den Namen des Verfassers in Amerika [* 3] und Europa bekannt. Weiter erschienen von ihm: »Ballads, and other poems« (1841; deutsch von Nielo, Münster [* 4] 1857);
»Poems on slavery« (1842);
das Schauspiel »The Spanish student« (1842; deutsch von K. Böttger, Dessau [* 5] 1854, von Häfeli, Leipz. 1871);
»The poets and poetry of Europe« (1845),
ein starker Oktavband, der die hauptsächlichsten Erzeugnisse der europäischen Dichtkunst in fremden und eignen Übersetzungen nebst biographischen und litterarhistorischen Einleitungen enthält;
»The belfry of Bruges, and other poems« (1846);
»Evangeline«, ein kanadisches Idyll (1847; vielfach übersetzt, z. B. von Nicklas, 2. Aufl., Karlsr. 1872; von Knortz, Leipz. 1872; von Siller, Milwaukee 1879);
»Kavanagh«, eine das Leben in Neuengland beschreibende Novelle (1849; deutsch, Leipz. 1851);
»Seaside ¶
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and fireside« (1849); »The golden legend«, eine dramatisierte Wiedergabe des »Armen Heinrich« von Hartmann von Aue (1851; deutsch von Keck, Leipz. 1860; von E. v. Hohenhausen, 2. Aufl., das. 1882); die episch-idyllische Dichtung »The song of Hiawatha«, ein auf den Schoolcraftschen Indianersagen beruhendes, in Plan und Ausführung stark an die »Kalewala« erinnerndes Werk, das in Einem Jahr 30 Auflagen erlebte (1855; deutsch von Ad. Böttger, Leipz. 1856; von Freiligrath, Stuttg. 1857; von Knortz, Jena [* 7] 1872). Ferner sind zu erwähnen: »The courtship of Miles Standish«, eine in Hexametern gehaltene Erzählung aus der amerikanischen Puritanerzeit (1858; deutsch von Knortz, Leipz. 1874, u. a.);
»Tales of a wayside inn« (1863; deutsch von Schuchardt, Hamb. 1879);
»Flower de Luce, and other poems« (1866);
endlich die »New England tragedies« (1869) und »Divine tragedy«, eine poetische Darstellung der Leidensgeschichte Christi (1871).
Die beiden letztgenannten dramatischen Werke bilden mit der »Golden legend«
in gewisser Hinsicht eine Trilogie und erschienen auch 1873 in einem Band
[* 8] unter dem Titel: »Christus: a mystery«.
Longfellow
starb in Cambridge. Die letzten Veröffentlichungen des unermüdlichen Dichters waren: eine Übersetzung der
»Göttlichen Komödie« von Dante (1867);
»Three books of song« (1872);
»Aftermath« (1873);
»The masque of Pandora« (1875; deutsch von Schuchardt, Hamb. 1878);
»Keramos« (1878);
»Ultima Thule« (1880) und das posthume dramatische Gedicht »Michel-Angelo« (Boston [* 9] 1882).
Sein großes Sammelwerk »The poems of places« füllt 31 Bände. Longfellow
gilt bei seinen Landsleuten
wie in Europa, das er auch später noch wiederholt besucht hat (zuletzt 1869), neben Bryant für den hervorragendsten Vertreter
der amerikanischen Poesie und ist durch zahlreiche seiner Dichtungen zugleich ein mächtiger Kulturvermittler
zwischen der Alten und Neuen Welt geworden. Er ist ein eigentlicher Kunstdichter von feinem Sinn für schöne Form, während
Liebe zur Natur und ethisch-religiöser Sinn den Grundton seiner Poesie bilden. Von deutschen Übersetzungen sind noch zu erwähnen:
»Sämtliche poetische Werke« von H. Simon (Leipz. 1883, 2 Bde.) und
»Gedichte« von Neidhardt (Darmst. 1856), K.
Böttger (2. Aufl., Dresd. 1871) und von Laun (Oldenb. 1879).
Vgl. Baumgartner, Longfellows
Dichtungen (Freiburg
[* 10] 1877);
Knortz, eine litterarhistorische Studie (Hamb. 1879),
und die Biographien von Roosevelt (New York 1882), Underwood (Boston 1882), Austin (das.
1883) und Sam. Longfellow
(»Life of H. W. Longfellow
, extracts from his journals and correspondence«, 1886, 2 Bde.,
und »Final memoirs of H. W. Longfellow«
, 1887).