Litteratur
(lat.), im weitesten
Sinn Inbegriff der sämtlichen in
Schriften niedergelegten Bestrebungen des
menschlichen
Geistes, in den redenden
Künsten sowohl als in den
Wissenschaften: die ganze
Masse dessen, was geschrieben
und durch die
Schrift bewahrt worden ist, soweit es geistigen
Inhalt hat, geistiges
Leben widerspiegelt. Wird diese Litteratur
in Bezug
auf einzelne
Völker und
Sprachen betrachtet, so sprechen wir von einer Litteratur
der
Hebräer, Griechen,
Italiener etc.; nach Maßgabe
historischer
Epochen und
Perioden oder gewisser allgemeiner Geistesströmungen unterscheidet man eine Litteratur
des
Altertums, des
Mittelalters und der Neuzeit, eine Litteratur
der
Kreuzzüge, der
Renaissance, der
Reformation etc., nach Maßgabe der
Formen,
Zwecke und wissenschaftlichen Einzelgebiete eine prosaische und poetische, wissenschaftliche und schöne, theologische,
medizinische etc. Litteratur.
Die Gesamtheit derjenigen Schriftwerke einer
Nation, in welcher der individuelle
Charakter derselben zu besonders scharfer und eigentümlicher Ausprägung gelangt ist, bezeichnet man mit dem
Namen
Nationallitteratur.
Zu ihr gehören somit vorzugsweise die dichterischen Erzeugnisse derselben, nächstdem die Werke der
Beredsamkeit,
Philosophie
und Geschichte.
Von den übrigen, rein wissenschaftlichen Schriftwerken eines
Volkes können nur wenige als dem
Schatz der
Nationallitteratur zugehörig betrachtet werden, weil in den meisten derselben die stoffliche Bedeutung vorwiegt. Der
Gesamtbesitz aller einzelnen
Nationallitteraturen ist derjenige der
Weltlitteratur, und man darf die Geschichte der letztern
mit
Goethe ansehen als »eine große
Fuge, in der die
Stimmen der
Völker nach und nach zum Vorschein kommen«. Unter
Litteratur
geschichte versteht man die historische
Darstellung dessen, was im Verlauf der
Zeiten in redenden
Künsten und
Wissenschaften
geleistet worden ist.
Sie stellt dar den Ursprung, den Fortgang, die
Blüte
[* 2] und das Hinwelken der schönen
Redekünste und der
Wissenschaften, mit
Erwähnung der
Personen, welche in den einzelnen
Fächern Bedeutendes geleistet, und der Werke, durch welche
sie fördernd auf das geistige
Leben der Mit- und Nachwelt eingewirkt haben. Sie zerfällt in zwei große Unterabteilungen:
die äußere Geschichte der und die innere. Jene handelt von den einzelnen schriftlichen Werken und deren
Inhalt,
Schicksalen,
Bearbeitungen, Übersetzungen etc.
(Bibliographie) sowie von ihren Verfassern, dem
Leben derselben, den
Umständen, unter welchen sie schrieben, etc.; die zweite, höher stehende, richtet ihren
Blick auf das
Innere der schönen
Künste und
Wissenschaften, zeigt, wie diese sich, teils von innen heraus, teils begünstigt durch äußere Umstände, ausbildeten,
wie der menschliche
Geist zu der höchsten
Höhe sich emporschwang, dann wieder sank, und breitet so das,
was der menschliche
Geist aus dem
Reich der
Wissenschaft und
Kunst als
Ausbeute davongetragen, vor dem
Auge
[* 3] des Lesers aus. Das
Verhältnis der einzelnen Litteraturen
zu einander und zu den Gesamtentwickelungen der Geschichte stellt sich am deutlichsten
in synchronistischen
Tabellen dar, deren Verständnis sich freilich
nur für den erschließt, welcher mit
der
Fülle der
Gruppen und
Namen schon bestimmte
Eindrücke und
Erinnerungen verbinden kann (s. die beigegebene »Synchronistische
Übersicht der
Weltlitteratur«).
Die Hilfsmittel zum
Studium der allgemeinen Litteratur
geschichte sind sehr zahlreich;
hier sei, von ältern Werken (Eichhorn, Wachler u. a.) abgesehen, nur an einige der neuern und nächstliegenden erinnert: Grässe, Lehrbuch der allgemeinen Litterärgeschichte (Dresd. 1837-60, 4 Bde. in 13 Tln.);
Derselbe, Handbuch der allgemeinen ¶
mehr
Litteratur
geschichte (das. 1844-50, 4 Bde.);
Scherr, Allgemeine Geschichte der Litteratur
(7. Aufl., Stuttg.
1887, 2 Bde.);
A. Stern, Katechismus der allgemeinen Litteraturgeschichte (2. Aufl., Leipz. 1876);
Derselbe, Geschichte der Weltlitteratur (Stuttg. 1887);
Derselbe, Geschichte der neuern Litteratur von der Frührenaissance bis auf die Gegenwart (Leipz. 1885, 7 Bde.);
Norrenberg, Allgemeine Litteraturgeschichte (Münster [* 5] 1881-82, 2 Bde.);
v. Leixner, Illustrierte Geschichte der fremden Litteraturen (Leipz. 1881, 2 Bde.);
De Gubernatis, Storia universale della letteratura (Mail. 1883-85, 18 Bde.);
K. Schmidt, Vergleichende Tabellen über die Litteratur- und Staatengeschichte der neuern Welt (Leipz. 1865);
Diercks, Litteraturtafeln (Dresd. 1878).
Ausgewählte Proben enthalten: Weber, Litterarhistorisches Lesebuch (Leipz. 1851-1852, 3 Tle.);
Scherr, Bildersaal der Weltlitteratur (3. Aufl., Stuttg. 1884, 3 Bde.), und Wolff, Die Klassiker aller Zeiten und Nationen (Berl. 1859-1877, 7 Bde.).
Von neuern lexikalischen Werken sind anzuführen: Vapereau, Dictionnaire universel des littératures (2. Aufl., Par. 1884);
Dantès, Dictionnaire biographique et bibliographique (das. 1875);
Bornhak, Lexikon der allgemeinen Litteraturgeschichte (Leipz. 1881);
De Gubernatis, Dizionario biografico degli scrittori contemporanei (Flor. 1879, mit Supplement);
Bornmüller, Biographisches Schriftsteller-Lexikon der Gegenwart (Leipz. 1882).
Beiträge zur allgemeinen Litteraturkunde enthalten das »Archiv für Litteraturgeschichte« (hrsg. von Fr. Schnorr v. Carolsfeld, Leipz. 1870 ff.) und die »Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte« (hrsg. von Max Koch, Berl. 1886 ff.). Vgl. auch Litteraturzeitungen.