Hebung
,
[* 1] in der
Geologie
[* 2]
Erhöhung des
Niveaus einzelner Teile der
Erdkruste, welche nicht auf Zufuhr neuen Gesteinsmaterials
durch
Absatz aus
Wasser oder durch vulkanische
Eruptionen zurückführbar ist, sondern in einer
Verschiebung des vorher in tieferm
Niveau schon vorhandenen
Materials beruht. Die der Hebung
entgegengesetzte
Erscheinung der
Senkung ist eine
Erniedrigung
des
Niveaus, welche nicht an Fortführung des Gesteinsmaterials durch
Erosion
[* 3] und Abtragung geknüpft ist. und
Senkung treten,
und zwar im
Gefolge von vulkanischen
Ausbrüchen und
Erdbeben,
[* 4] als momentane, der
Wahrnehmung direkt zugängliche
Erscheinungen
auf, dann aber nur kleinere Länderstrecken betreffend (instantane Hebungen
und
Senkungen).
Weit häufiger aber vollziehen sie sich äußerst langsam und für kurze Beobachtungsperioden unmerklich
(säkulare Hebungen
und
Senkungen). Aus dem Umstand, daß die letztern fast ausschließlich
nur für Küstengegenden nachweisbar
sind, ist nicht zu schließen, daß das
Innere der
Kontinente solchen
Bewegungen überhaupt nicht unterworfen ist, sondern nur,
daß an den
Küsten der Meeresspiegel als ein sicherer
Indikator
[* 5] wirkt.
Alte
Strandlinien, oft mit den Gehäusen
verstorbener Meerestiere (so namentlich
Balanen) besetzt, hoch über dem heutigen Meeres-
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Säulen des [* 6] Serapistempels bei Pozzuoli mit den Spuren der Bohrmuscheln.] ¶
mehr
niveau zeigen Hebungen
, Ausdehnung
[* 8] des Meers über früher kartographisch als Festland fixierte Teile der Erdoberfläche Senkungen
an. Daß derartige Bewegungen auf das Festland entfallen und nicht auf Niveauänderungen des Meeresspiegels im entgegengesetzten
Sinn zurückzuführen sind, beweist das Ungleichförmige der Bewegung an benachbarten Punkten. Wo mehrere alte Strandlinien übereinander
beobachtet werden können, da konvergieren und divergieren sie meist untereinander und bilden nur selten
Parallellinien, wie sie doch allein entstehen könnten, wenn ein Zurücktreten des Meers die Erscheinung bedingte.
Eins der am häufigsten citierten Beispiele, an welchem sich zudem u. Senkung gleichzeitig nachweisen lassen, sind die Ruinen des Serapistempels bei Pozzuoli am Meerbusen von Bajä. Der Grundriß des 1750 ausgegrabenen Tempels zeigt 46 Säulen, von denen aber nur 3 aus Marmor noch aufrecht stehen, während die übrigen, teils ebenfalls aus Marmor, teils aus Granit, umgestürzt und zerbrochen sind. Die aufrecht stehenden, Monolithen von 12 m Höhe, sind etwas geneigt und lassen von ihrem Fußpunkt nach oben zuerst einen Gürtel [* 9] von 3,6 m Höhe erkennen, dessen Oberfläche wohl erhalten, glatt und poliert ist; dann aber sind in einer Zone von 2,7 m im Durchmesser die Spuren von Bohrmuscheln nachweisbar: frühere Beobachter konnten die Schalen derselben noch den von ihnen eingefressenen Löchern entnehmen [* 7] (Fig. 1). Ebenso sind die Bruchflächen der umgestürzten Säulen, soweit sie aus Marmor sind, zernagt, während die granitenen durch ihre Härte vor den Eingriffen der Muscheltiere geschützt blieben.
Das Niveau, in welchem heute der Tempel
[* 10] liegt, ist sicher tiefer als das ursprüngliche, denn bei anhaltendem Meerwind wird
der Fußboden von den Wellen
[* 11] bespült. Daß aber das Niveau vorübergehend ein noch tieferes, im Maximum
6,3 m unter der heutigen Meeresoberfläche war, beweisen die Einwirkungen der Bohrmuscheln, so daß also der Erbauung des Tempels
eine Periode der Senkung und später wieder eine solche der Hebung
gefolgt sein muß. Über die Zeit der Erbauung
weiß man nur, daß der Tempel 105 v. Chr. schon stand; bald nachher haben sich aber Senkungserscheinungen, jedenfalls noch
während der heidnischen Zeit, eingestellt, das beweist ein unterhalb des die Säulen tragenden Fußbodens aufgefundenes Mosaikpflaster,
offenbar das ursprüngliche, später wegen Überschwemmung durch die Meereswogen verlassene und durch einen höher gelegenen
Fußboden ersetzte.
Ein Wechsel von Schichten marinen Ursprungs, von Quellabsätzen und von vulkanischen Tuffen und Aschen wurde bei der Ausgrabung
innerhalb des Tempels nachgewiesen und schützte offenbar den untern Teil der Säulen vor der Einwirkung der Bohrmuscheln
[* 7]
(Fig.
2). Die Epoche der Hebung
des Tempels und seiner Umgebung wird gewöhnlich, aber ohne zwingenden Beweis, zeitlich
mit derjenigen der Eruption, durch welche der benachbarte Monte Nuovo 1538 aufgebaut wurde, identifiziert
[* 7]
(Fig. 3); die Erhaltung
einer Mehrzahl von Säulen in aufrechtem Zustand läßt viel eher an eine stetige und langsame, also säkulare, als an eine
instantane Hebung
denken.
Ein besonderes Interesse knüpft sich weiter an den Nachweis einer säkularen Hebung
der skandinavischen
Küsten. Schon 1743 von Celsius behauptet (freilich in dem Sinn einer Senkung des Meeresspiegels), wurden die Niveauveränderungen 1802 von
Playfair und unabhängig von ihm (da die Napoleonische Kontinentalsperre auch den Austausch geistiger Produkte zwischen England
und Deutschland
[* 12] verhinderte) 1807 von L. v. Buch als Hebung
des Festlandes gedeutet, eine Ansicht, welche durch
eine große Anzahl von Wassermarken, die 1820 und 1821 der Revision unterworfen wurden und für verschiedene Punkte verschiedene
Grade der Hebung
ergaben, bestätigt wurde. Im Mittel soll die Hebung
etwa 1 m in 100 Jahren betragen.
Als Beweis säkularer Senkungen werden gewöhnlich die mitunter mehrere Hunderte von Metern mächtigen Korallenriffe [* 13] angeführt. Da diese riffbauenden Polypen nur bis 30 m Tiefe unter dem Meeresspiegel lebensfähig sind, so müssen sich einst auch die tiefern, jetzt ausgestorbenen Teile des Stockes in dieser Lebenszone befunden haben, später aber der Senkung unterlegen sein, und zwar muß der Prozeß auch hier sehr langsam und stetig verlaufen sein, da die Polypengenerationen Zeit fanden, den Abgang nach unten durch Weiterbau nach oben zu ersetzen: eine plötzliche Senkung würde das Absterben des ganzen Stockes zur Folge gehabt haben. Über wichtige Einwände gegen diese von Darwin herrührende Theorie vgl. Koralleninseln.
Die Ursache aller dieser Niveauänderungen fand die ältere Geologie (Elie de Beaumont, L. v. Buch etc.) ganz ausnahmslos im Vulkanismus.
Während Senkungen, angeblich viel seltener als Hebungen
, gewissermaßen nur die Kehrseite der Hebungen darstellen sollten,
wurden diese durch Volumvergrößerung der
[* 7] ^[Abb.: Fig. 2. Durchschnitt des Serapistempels (nach Lyell). a Altes Mosaikpflaster, b marine Schichten im Tempel, c vulkanischer Tuff und Asche, d Süßwasserkalk im Tempel.
Fig. 3. Meerbusen von Bajä.] ¶
mehr
vorhandenen Gesteinsmassen infolge von unterirdischen Eruptionen und von Lavainjektionen erklärt. Von andrer Seite (Volger,
Vogt) wurde die Volumvermehrung und ihre Konsequenz, die Hebung
, auf Wasseraufnahme hydratisierungsfähiger Gesteinsgemengteile
(Umwandlung von Anhydrit in Gips,
[* 15] Zeolithisierung von Feldspaten) zurückgeführt. Auch das bewegliche Element nicht im Festland,
sondern im Meer zu finden, hat man versucht (Adhémar, Schmitz) und von säkularen Meeresverschiebungen
mit lokal wechselnden Kumulierungen gesprochen.
Neuerdings unterscheidet Süß horizontale (faltende und schiebende) und vertikale, aber nur senkende Bewegungen, leugnet also
die Existenz von Hebungen
, die für ihn nur lokaler Ausdruck der erstgenannten Bewegung sind. Der Tangentialschub ist Folge der
Zusammenziehung der Erde durch Abkühlung (vgl. Gebirge), die Senkung ausschließlich Folge der Schwerkraft.
Immerhin ließe sich auch unter Annahme der Süßschen Ansichten der Begriff der Hebung
, wenn auch nicht als Ausdruck der letzten
Ursache der relativen Niveauveränderung, so doch als Fixierung des direkt vorgefundenen Thatbestandes beibehalten.
Vgl. Credner, Die Deltas (Gotha [* 16] 1878);
Hahn, [* 17] Untersuchungen über das Aufsteigen und Sinken der Küsten (Leipz. 1879);
Toula, Über die säkularen Hebungen
und Senkungen der Erdoberfläche (Wien
[* 18] 1880);
Jentzsch, Statik der Kontinente (Danz. 1880);
Kjerulf, Geologie des südlichen und mittlern Norwegen [* 19] (deutsch von Gurlt, Bonn [* 20] 1880);
Lehmann, Über alte Strandlinien in Norwegen (Halle [* 21] 1879);
Süß, Das Antlitz der Erde (Prag [* 22] u. Leipz. 1883-84, Bd. 1 u. 2).