Preußenhasser, er besonders hat der deutschen Sozialdemokratie den vaterlandsfeindlichen Charakter aufgeprägt. 1886 besuchte
er Nordamerika,
[* 14] worüber er Reisebriefe (»Ein Blick in die neueWelt«, Stuttg. 1887) veröffentlichte.
Wilhelm, einer der Führer der socialdemokratischen Partei Deutschlands, geb. zu Gießen, studierte
in Gießen, Berlin und MarburgPhilologie und Philosophie, mußte als Teilnehmer am bad. Aufstande, nachdem er von Sept. 1848 bis
Mai 1849 gefangen gesessen hatte, flüchten und lebte erst in der Schweiz, dann in England. Im Herbst 1862
nach
Deutschland zurückgekehrt, war er kurze Zeit in der Redaktion der «Norddeutschen
AllgemeinenZeitung» thätig, wandte sich dann der Agitation in der Arbeiterfrage zu und wurde 1865 aus Preußen ausgewiesen.
Liebknecht ging nach Leipzig und leitete dort die «Mitteldeutsche Volkszeitung», die 1866 von den preuß. Behörden
unterdrückt wurde.
Nach dem Friedensschluß 1866 wurde er in Berlin wegen Bannbruchs verhaftet und zu dreimonatiger Gefängnisstrafe verurteilt.
Nachdem Liebknecht 1867 als socialdemokratischer Kandidat vom sächs. Wahlkreis Stollberg
[* 15] in den Norddeutschen Reichstag gewählt worden
war, übernahm er die Leitung des «Demokratischen Wochenblattes» in Leipzig, das 1869 nach Gründung
der Eisenacher Partei in den «Volksstaat» umgewandelt wurde. 1872 wurde
Liebknecht wegen Hochverrats vom Schwurgericht zu Leipzig zusammen mit seinem Parteigenossen Bebel zu zweijähriger Festungshaft verurteilt,
die er auf dem Schlosse Hubertusburg verbüßte.
Während seiner Haft wurde er vom Wahlkreis Stollberg im Jan. 1874 auch in den DeutschenReichstag gewählt.
Nach dem Aufgehen des «Volksstaats» in den «Vorwärts», das Centralorgan der vereinigten Eisenacher und Lassalleaner, redigierte
Liebknecht dann auch diesen bis zu seiner Unterdrückung 1878. Vom Leipziger Landkreis wurde er 1879 in den sächs. Landtag gewählt. 1881 auf
Grund des Socialistengesetzes aus Leipzig ausgewiesen, nahm Liebknecht seinen Wohnsitz in Borsdorf bei Leipzig, unternahm 1886 eine Reise
nach Nordamerika und siedelte 1890 nach Ablauf
[* 16] des Socialistengesetzes nach Berlin über, wo er die Redaktion des offiziellen
Organs der socialdemokratischen Partei, des «Vorwärts» (Berliner
[* 17] Volksblatt), übernahm.
Infolge dieser Übersiedelung wurde 1892 sein Landtagsmandat in der sächs.
Zweiten Kammer für erloschen erklärt. Im Reichstage, dem er mit kurzer Unterbrechung seit 1874 angehört, vertritt er seit 1888 den 6. Berliner
Wahlkreis. Im Nov. 1895 wurde er wegen Majestätsbeleidigung zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Obschon als Marxist eigentlich
ein Gegner des wissenschaftlichen Lassalleanismus, hat Liebknecht doch diesen teilweise als Grundlage
des deutschen socialistischen Programms aus Nützlichkeitsgründen stillschweigend bis zum Parteitag in Erfurt
[* 18] 1892 gutgeheißen.
Auch sonst erkennt Liebknecht trotz seines radikalen theoretischen Standpunkts die Berechtigung, ja Notwendigkeit praktischen Wirkens
an; er hält die parlamentarische Thätigkeit im Interesse der Agitation für nötig und tritt deshalb
bis zu einem gewissen Grade für eine reformatorische Thätigkeit auf dem Boden der bestehenden Verhältnisse ein. Außer einer
Anzahl Broschüren («Die polit. Stellung der Socialdemokratie», Lpz. 1869; 3. Aufl. 1874, «Zu
Trutz und Schutz», ebd. 1871; 6. Aufl., Berl. 1891, «Wissen ist Macht - Macht ist Wissen», Lpz. 1872; neue
Aufl., Berl. 1891, «Was die
Socialdemokraten sind und was sie wollen», 1877; 2. Aufl., Berl.
1891, «Zur orient. Frage oder soll Europa
[* 19] kosakisch werden?», Lpz. 1878 u. a.)
veröffentlichte Liebknecht die größern Schriften: «Zur Grund- und Bodenfrage» (Lpz. 1876),
"Wissen ist Macht - Macht ist Wissen", Lpz. 1872; neue Aufl., Berl. 1891, "Was die Socialdemokraten sind und was sie wollen", 1877; 2. Aufl., Berl. 1891, "Zur orient. Frage oder soll Europa kosakisch werden?"
Lpz. 1878 u. a.) veröffentlichte L. die größern Schriften: