Leukämie
(griech., Leuchämie, Leukocythämie,
Weißblütigkeit), eigentümliche Krankheitsform,
welche erst 1845 von
Virchow entdeckt worden ist und in der Hauptsache darin besteht, daß die Zahl der farblosen Blutkörperchen
[* 2] beträchtlich vermehrt ist. Die absolute Anzahl der roten Blutkörperchen ist dabei stets vermindert und zwar ungefähr entsprechend
der Zunahme der weißen Blutkörperchen. Enthält das normale
Blut auf 350 rote 1 farbloses, so verändert
sich dies
Verhältnis in 50:1 bis 10:1, ja 3:1 bei der Leukämie.
Die Leukämie kann sowohl von einem
Leiden
[* 3] der
Milz, als von einem solchen
der
Lymphdrüsen, als auch des
Knochenmarks herrühren, und man unterscheidet deshalb die lienale, die lymphatische und die
myelogene Leukämie.
Die Veränderungen, welche bei der lienalen Form die
Milz, bei der lymphatischen die
Lymphdrüsen,
bei der myelogenen das
Knochenmark erleiden, bestehen vorzugsweise in einer Vergrößerung der genannten
Organe und in einer
Vermehrung
ihrer (normalen) zelligen
Elemente, welche in die Blutmasse übergeführt werden und hier als weiße Blutkörperchen
erscheinen.
Normalerweise bilden sich letztere zu roten Blutkörperchen um; bei der Leukämie
tritt aber eine
solche Umwandlung nur in sehr beschränktem
Grad ein. Die
Ursachen der Leukämie
sind unbekannt. Die ist im ganzen eine seltene
Krankheit;
sie betrifft das männliche
Geschlecht häufiger als das weibliche und kommt meist nur im mittlern
Lebensalter
vor. Die ersten Zeichen der Leukämie
sind gewöhnlich Anschwellung des Leibes und ein
Gefühl von
Druck und Vollsein in der Gegend
der linken untern
Rippen, welche
Symptome von der Vergrößerung der
Milz abhängen.
Die Milzschwellung entwickelt sich entweder schmerzlos und unbemerkt oder in einzelnen Absätzen, während welcher die Milzgegend schmerzhaft ist und die Kranken Fiebererscheinungen darbieten. In ähnlicher Weise pflegen bei der lymphatischen Form die Anschwellungen der Lymphdrüsen am Hals, in der Achselhöhle, in der Schenkelbeuge, welche sich allmählich oder stoßweise entwickeln, bei der myelogenen Form Erscheinungen schmerzhafter Knochenmarkentzündung zuerst auf das Übel aufmerksam zu machen. Je ärmer das Blut an roten, je reicher es an weißen Körperchen wird, um so mehr bekommt auch der Kranke ein bleiches und kachektisches Ansehen.
Dazu gesellt sich fast stets Schweratmigkeit und beschleunigtes Atmen. Diese Erscheinungen rühren wahrscheinlich ebenfalls von der Verminderung der roten Blutkörperchen her, welche den Gasaustausch in den Lungen vermitteln. Manchmal bekommen die Kranken wiederholte Blutungen aus der Nase, [* 4] dem Darmkanal oder in die Gewebe [* 5] des Körpers. Dann sterben sie ziemlich schnell unter den Zeichen der Erschöpfung. Treten aber dergleichen Blutungen nicht ein, so nimmt die Krankheit einen sehr langwierigen Verlauf und zieht sich selbst jahrelang hin.
Häufig treten dann Luftröhrenkatarrhe mit
Husten und schleimigem
Auswurf hinzu, desgleichen
Darmkatarrhe
mit hartnäckigen
Erscheinungen. Gegen Ende des
Lebens stellt sich häufig auch
Wassersucht ein. Der
Tod erfolgt durch allmähliche
Erschöpfung. Das
Blut von solchen, welche an Leukämie
starben, sieht in hochgradigen
Fällen weißlich oder hell graurot, zuweilen
völlig eiterähnlich aus. Die
Milz ist 6-10mal und noch größer als im normalen Zustand, wiegt 3-4 kg
und darüber.
Die
Lymphdrüsen bilden bei der lymphatischen Leukämie
oft kolossale
Geschwülste. Von den im Innern des
Körpers gelegenen
Drüsen
findet man besonders die
Gekrös- und Lendendrüsen, von den äußerlich gelegenen die
Nacken-,
Achsel- und
Leistendrüsen geschwollen.
Bei der myelogenen Leukämie
findet man das
Mark der affizierten
Knochen
[* 6] von himbeerroter, seltener grünlichgelber
Farbe und von der
Konsistenz eines zähen, schleimigen
Eiters. Die Leukämie
gilt für unheilbar. - Man wendet
Eisen
[* 7] und
Chinin an, hat
aber wesentliche Erfolge auf die Dauer nicht davon gesehen. Die mehrmals versuchte
Entfernung der
Milz
hat stets den sofortigen
Tod zur
Folge gehabt. Man versucht neuerdings durch
Einspritzung
[* 8] reizender
Substanzen die
Milz zur Schrumpfung
zu bringen.
Vgl. Virchow, Gesammelte Abhandlungen (2. Aufl., Berl. 1862);
Mosler, Die
Pathologie und
Therapie der Leukämie
(das. 1872).