[* 2] (hierzu der Stadtplan), die zweite Stadt des
KönigreichsSachsen,
[* 3] Hauptstadt der gleichnamigen Kreishauptmannschaft
(S. 672), liegt 114 m ü. M., unter 51° 20' nördl.
Br. und 12° 23' östl. L. v. Gr., an der
Elster,
[* 4]
Pleiße und
Parthe, in der großen
Ebene, die sich von der
Saale bis zur
Mulde und zum großen Teil bis nach der
Elbe erstreckt,
u. ist abwechselnd von prächtigen Waldungen, deren schönsten
Schmuck zahlreiche herrliche
Eichen bilden, von
Wiesen, Obstpflanzungen und üppigen, sorgsam gepflegten Fruchtfeldern umgeben.
Die Stadt zerfällt in die innere Stadt, die innern und äußern Vorstädte. Die Vorstädte sind mit
schönen
Gärten geschmückt, und ringsum liegen stattliche
Dörfer, von welchen die im O. gelegenen »Grenzdörfer«
Reudnitz,
Neuschönefeld u. a. für das
Auge
[* 5] untrennbar mit der Stadt zusammengewachsen sind, während die Stadt auch nach den
VorortenKonnewitz (S.),
Plagwitz-Lindenau (W.),
Gohlis und
Eutritzsch (N.) hin ihr
Weichbild fast ganz ausgefüllt
hat. Die Einverleibung dieser Grenzdörfer und
Vororte in die
Stadtgemeinde steht nahe bevor. Die durchweg gut gebaute und
seit 1770 von
Promenaden (den vormaligen Festungswällen) umgebene innere Stadt wurde früher in dasPeters-, Ranstädter,
Grimmaische und Hallesche
Viertel eingeteilt. Auch die Vorstädte nannte man mit den
Namen dieser
Viertel. Jetzt
unterscheidet man die Vorstädte nach den
Himmelsgegenden.
Die Zahl der
Straßen und
PlätzeLeipzigs beläuft sich auf etwa 250. Die
Straßen der innern Stadt sind teilweise eng und
krumm; doch werden von Jahr zu Jahr im
Interesse des
Verkehrs zeitgemäße Verbesserungen angebracht; die verkehrsreichsten
Straßen sind die Grimmaische und die Petersstraße.
In den innern und noch mehr in den äußern Vorstädten
gibt es meist regelmäßige, breite und schöne
Straßen. Unter den öffentlichen
Plätzen nimmt der
Markt, der vielhundertjährige
Zentralpunkt des
LeipzigerHandels undVerkehrs, der Schauplatz vieler denkwürdiger Ereignisse, eine hervorragende
Stellung
ein.
In der Mitte desselben befindet sich das 1845 in Pflastersteinmosaik ausgeführte Stadtwappen. Im J. 1888 soll
der
Markt durch
Aufstellung eines großartigen, von
Siemering geschaffenen Siegesdenkmals eine herrliche Zierde erhalten. Leipzigs
Schmuckplatz und wohl einer der größten und schönsten
PlätzeDeutschlands
[* 6] ist der von schönen öffentlichen und Privatgebäuden
eingefaßte Augustusplatz, auf dessen Südseite sich vor dem
Museum seit 1886 ein von der verstorbenen
FrauMende gestifteter monumentaler
Brunnen
[* 7] (nach einem
Entwurf von
Gnauth) erhebt.
Von den übrigen
Plätzen verdienen Erwähnung: der Roßplatz mit dem Schlachtenpanorama, der Königsplatz mit dem Denkmal
des
KönigsFriedrichAugust des
Gerechten (von
Öser), der Fleischerplatz, der Theaterplatz mit dem Denkmal
des Homöopathen
Hahnemann, der Blücherplatz, der Johannisplatz mit
Schillings Reformationsdenkmal (enthüllt bei der Lutherfeier
1883), der Rabensteinplatz, Marienplatz, Schletterplatz, Floßplatz, Südplatz, Körnerplatz.
die Marmorstatue
Gellerts von Knaur und das Denkmal des Liederkomponisten K.
Zöllner im
Rosenthal, einem vielbesuchten, reizenden Lustwald im
NW. der Stadt. An die
Tage der großen
Völkerschlacht erinnern das Fricciusdenkmal, nahe der Johanniskirche, an der
Stelle, wo die
KönigsbergerLandwehr
unter
MajorFriccius in die Stadt eindrang, das am Ranstädter
Steinweg 1863 zur
Erinnerung an die Sprengung der Elsterbrücke
errichtete Denkmal und nahe dabei
vor der zweiten Bezirksschule der Denkstein für
Poniatowski, der in der
Elster seinen
Tod fand;
denkmal an der Mittelstraße. Außer den durchweg schönen, rings um die innere Stadt führenden Promenaden und dem Rosenthal,
in welchem sich auch ein zoologischer Garten
[* 12] befindet, dienen der Bevölkerung
[* 13] als Erholungsplätze in der Nähe der Johannapark,
eine Stiftung des Bankiers W. Seyfferth, das Scheibenholz und Nonnenholz im W. und SW. der Stadt. Leipzig besitzt
vier Friedhöfe. Der hinter der Johanniskirche gelegene alte Johannisfriedhof wird seit 1884 als solcher nicht mehr benutzt
und nach und nach in einen Park verwandelt. Der neue Johannisfriedhof liegt im SO. der Stadtflur, der nördliche an der
Berliner
[* 14] Straße. In der Nähe des Napoleonssteins auf ProbstheidaerFlur ist neuerdings (seit 1886) ein großer
Zentralfriedhof angelegt worden.
Die innere Stadt enthält noch viele altertümliche, mit Erkern und Ziergiebeln versehene Gebäude, während in
den Vorstädten, besonders in den äußern, der moderne Baustil vorherrschend ist. Die Zahl der Kirchen ist verhältnismäßig
klein, und einige Neu- und Umbauten stammen erst aus jüngster Zeit; auch zeichnet sich das Innere derselben
nicht eben sehr durch hervorragende Kunstwerke aus. Die Thomaskirche, 1221 als Klosterkirche vollendet, wurde 1482 vergrößert
und wird jetzt vollständig umgebaut.
Das Chor, vor dessen Hauptaltar MarkgrafDiezmann ermordet wurde, enthält die Bildnisse sämtlicher LeipzigerSuperintendenten
von 1573 bis 1883. Die Nikolaikirche, um 1170 erbaut und 1513 erneut, wurde zu Ende des 18. Jahrh.
bei Gelegenheit einer Restauration vieler wichtiger Kunstdenkmäler, so der Bildnisse des PetrusMosellanus und andrer berühmter
Gelehrten, beraubt, und erst in neuester Zeit fand man die damals entfernten Gemälde von Dürer und Cranach
auf dem Boden auf und versetzte sie in das Museum.
Auf dem Neukirchhof stand eine 1217 vom MarkgrafenDietrich errichtete Zwingburg, die später den Barfüßern zur Anlegung eines
Klosters eingeräumt wurde. Die Kirche wurde 1494 umgebaut und 1698 restauriert, weshalb sie Neukirche hieß, bis sie 1880 nach
gründlichem, durch Mothes ausgeführtem Umbau den Namen Matthäikirche erhielt (vgl. Evers, Geschichte
der Matthaikirche, 1880). Die neue Peterskirche auf dem Schletterplatz, im gotischen Stil nach Plänen von Hartel und Lipsius
erbaut (die alte Peterskirche befand sich bis zum Jahr 1885 an der Ecke der Petersstraße und Schillerstraße), ist zur Zeit
das schönste kirchliche Bauwerk Leipzigs; ihr schlanker Turm,
[* 15] der höchste in der Stadt, hat eine Höhe
von 87 m. Die bisher genannten Kirchen sind Parochialkirchen.
Die Pauliner- oder Universitätskirche, um 1240 erbaut, 1545 erneuert und von Luther durch eine Predigt eingeweiht, enthält
den Grabstein des in der Thomaskirche ermordeten MarkgrafenDiezmann und andre bemerkenswerte Epitaphien.
Im Kreuzgang findet man eine Reihe von enkaustischen Wandgemälden aus dem 13. und 14. Jahrh., die, in sieben Hauptfelder
eingeteilt, als die größte aller deutschen Wandgemäldeflächen (22,5 m Länge und 4,5 m Höhe) denen von Pisa,
[* 16] Verona
[* 17] und
Assisi an die Seite gestellt werden.
Zur Reformationszeit übertüncht, 1836 wieder entdeckt und 1869-71 mit Sorgfalt und Mühe restauriert,
sind sie jetzt leider schon wieder so verblichen, daß wenig mehr davon zu sehen ist. Die Johanniskirche am Grimmaischen
Steinweg, 1582 eingeweiht, enthält einige sehenswerte Gemälde; an der Ostseite befindet sich das GrabmalGellerts. Die Kirche
gehörte ursprünglich zu dem benachbarten Johannishospital,
das 1278 als Hospital der Aussätzigen gegründet
und zu einem Asyl für bejahrte Bürgersleute umgewandelt warb.
Dieses im Lauf der Jahrhunderte zu großem Reichtum gelangte Asyl (Johannisstift) befindet sich jetzt in einem am Johannisthal
gelegenen, von Lipsius entworfenen Prachtbau (1872 vollendet). In reizender Lage, am Saum des schönen Johannaparks,
erhebt sich die 1883 begonnene, 1886 vollendete Lutherkirche. Die katholische Kirche, im gotischen Stil nach HeideloffsEntwürfen 1847 errichtet,
steht an der Weststraße, gegenüber der Pleißenburg. Die im maurischen Stil erbaute Synagoge in der Zentralstraße ist ein
Werk Simonsohns und wurde 1855 eingeweiht. Für die reformierte Gemeinde, deren Bethaus sich zur Zeit in der
Klostergasse befindet, ist der Bau einer neuen Kirche auf dem Areal des Georgenhauses projektiert. Nahe der Lutherkirche, an der
SebastianBach- und Schreberstraße, steht seit 1885 eine kleine englisch-amerikanische Kirche.
[Profanbanten.]
Unter den Profanbauten verdient zuerst genannt zu werden das an der Ostseite des Marktes gelegene
Rathaus, welches mit Benutzung der untern Mauern des alten, aus dem 13. Jahrh. stammenden Baues 1556 vom BürgermeisterHieronymusLotter erbaut wurde. In dem schönen, großen Sitzungssaal hängen die Bilder aller sächsischen Fürsten sowie ein äußerst
kunstreich mit der Nadel gearbeitetes Werk, den Urteilsspruch Salomos darstellend, aus dem ersten Drittel
des 16. Jahrh.; in der Ratsstube werden kostbare altertümliche Pokale verwahrt, darunter einer, der LuthersEigentum war.
Hinter dem Rathaus, am Naschmarkt, steht die 1678 erbaute AlteBörse, welche vorzeiten für ein überaus kostbares Bauwerk
galt, auf der Plattform mit den Statuen des Merkur
[* 18] und Apollo, der Venus und Pallas (von Morelli) geschmückt.
Nach Erbauung der prachtvollen NeuenBörse auf dem Plauenschen Platz wurde das Gebäude für die Sitzungen des Stadtverordnetenkollegiums
hergerichtet. Am Markt steht auch das Königshaus, in welchem 1695 bis 1829 die sächsischen Herrscher bei ihrer Anwesenheit
in Leipzig wohnten.
Die prächtige Fassade des ältesten Kaufmannshauses Leipzigs, BarthelsHof
[* 21] genannt (Ecke des Marktes und der Hainstraße), hat
man nach dessen 1871 erfolgtem Abbruch, als Perle der Spätgotik, wieder auf der Hofseite des Neubaues angefügt. An der Ecke
der Katharinenstraße steht die 1555 erbaute alte Ratswage. Dem Rathaus gegenüber, in der Grimmaischen Straße, befindet sich
das länger als drei Jahrhunderte berühmteste Bürgerhaus der Stadt, AuerbachsHof, welches, 1530-38 erbaut,
durch die an ihm haftende Faustsage und durch Goethes Faustdichtung weltbekannt geworden ist, ehedem ein Bazar der reichsstädtischen
Handelsherren und als solcher der wichtigste Meßhandelsplatz mit 100 Gewölben und vielen offenen Buden. Die in dem Weinkeller
befindlichen Faustbilder stammen
¶
Nahe dabei ist QuandtsHof, wo in einem noch vorhandenen Seitengebäude die Neuberin mit ihrer berühmten Truppe spielte. In dem
altertümlichen RotenKolleg in der Ritterstraße wurde Leibniz geboren, und daneben, im Hof der 1834 erbauten
bisherigen Buchhändlerbörse, wohnte und starb der Dichter Gellert. An der Nordseite des Nikolaikirchhofs, neben der alten,
schon 1512 vorhandenen Nikolaischule, erhebt sich der 1887 vollendete überaus stattliche Neubau des Predigerhauses zu St.
Nikolai.
Die Ecke der Grimmaischen Straße und des Augustusplatzes bildet das elegante Café français, 1834 auf
dem Grund eines alten Thorturms errichtet. Auf der Stelle des daran stoßenden Paulinums stand ehedem eine Zwingburg, die 1224 zerstört
und durch ein Dominikanerkloster ersetzt wurde, dessen Gebäude nach seiner 1545 erfolgten Säkularisation der Universität
zufielen. Im Paulinum befinden sich die Münzsammlung und die Universitätsbibliothek (vgl. unten), für
welch letztere aber im ehemaligen botanischen Garten ein Neubau nach Roßbachs preisgekröntem Entwurf errichtet wird.
Das nahegelegene Fridericianum verwahrt das pharmakologische Museum und die akademische Lesehalle. Der GoldeneBär in der Universitätsstraße
ist das Gründungshaus der berühmten, seit 160 Jahren bestehenden Buchdruckerei von B. Chr. Breitkopf,
welche jetzt (Breitkopf u. Härtel) ihr Geschäftshaus in der NürnbergerStraße hat. In dem 1740 erbauten Gewandhaus befindet
sich die Stadtbibliothek mit über 100,000 Bänden und einer reichhaltigen Manuskriptensammlung.
An der Ecke der Schillerstraße und der Petersstraße, an der Stelle, wo bis 1885 die alte Peterskirche stand, erhebt sich jetzt
das prächtige Reichsbankgebäude. Gegenüber liegt die vormalige Citadelle Pleißenburg, 1213 als Zwingburg angelegt, 1547 zusammengeschossen
und 1549-51 wieder aufgebaut. Hier fand 1519 die berühmte Disputation zwischen Eck und Luther statt, und starb
daselbst der in der Schlacht bei Lützen
[* 30] tödlich verwundete Pappenheim. Im Dreißigjährigen Krieg wiederholt belagert und eingenommen,
wurde sie seit 1770 nicht mehr als Festung
[* 31] betrachtet und dient jetzt als Kaserne und zu andern militärischen
Zwecken.
Der Turm diente bis 1861 als Sternwarte.
[* 32] Am nahen Thomaskirchhof stand ein 1213 gestiftetes Augustinerkloster, mit welchem
eine gelehrte Schule, die Thomasschule, verbunden war, die sich zugleich unter der Leitung ausgezeichneter Kantoren (wie Joh.
Seb. Bach, Hiller, Schicht, Weinlig, Hauptmann u. a.) durch die Pflege des Kirchengesangs einen glänzenden Namen
in der Geschichte der Musik erworben hat. Seit 1877 hat die Schule ein neues stattliches Gebäude in der Westvorstadt erhalten.
Der alten Thomasschule schrägüber steht die Zentralhalle, 1850 als Vergnügungslokal errichtet; der große Saal ist geschmückt
mit schönen Fresken (nach Preller). In demHaus »zum Kaffeebaum« wurde 1694 die erste Kaffeewirtschaft in
Leipzig errichtet. Das AlteTheater, unfern vom Eingang zum Rosenthal, wurde 1766 vom Kaufmann Zehmisch gegründet und 1817 vom badischen
Oberbaudirektor Weinbrenner umgebaut. An der Nordseite der Promenade stehen der Thüringer, Magdeburger und DresdenerBahnhof.
1) Kreishauptmannschaft, früher Kreisdirektion, des Königreichs Sachsen, wurde 1835 gebildet aus dem ehemaligen LeipzigerKreise
[* 34] und Teilen des Meißener und erzgebirgischen Kreises, grenzt im N. und NW.
an die preuß. ProvinzSachsen, im SW. an das Herzogtum Sachsen-Altenburg. Das Gebiet ist eben und fruchtbar, nur im S. und O.
durch Ausläufer des Erzgebirges etwas bergig (Rochlitzer Berg 340 m , Kollmberg bei Oschatz
[* 35] 314 m, Hohburger Berge) und wird
bewässert durch die beiden Mulden, die Elster, Pleiße, Parthe und Zschopau. Bedeutend sind Viehzucht
[* 36] und Landwirtschaft. Der Bergbau
[* 37] liefert Braunkohlen, Granit, Porphyr,Mergel, auch finden sich Sand, Thon und Lehm.
Die Kreishauptmannschaft hat 3507,35 qkm und (1890, nach dem Gebietsbestande vom 871132 (429331 männl., 441801
weibl.) E., 37 Städte mit 314,73 qkm, 544040 (271949 männl., 272691 weibl.) E. und 922 Landgemeinden
mit 3252,62 qkm und 326492 (157382 männl., 169110 weibl.) E., 69012 bewohnte Gebäudekomplexe, 176079
Familien- und 13897 Einzelhaushaltungen mit zusammen 798938 Haushaltungsmitgliedern, 45021 Aftermietern und Schlafleuten
und 4981 Besuchsfremden, sowie 768 Anstalten mit 20297 (15895 männl., 4402 weibl.) Insassen.
Unter der ortsanwesenden Bevölkerung waren 842331 Evangelische, 21650 Katholiken (233 Griechisch-Katholische), 2409 andere
Christen, 4523 Israeliten, 10 Bekenner anderer Religionen und 209 mit unbestimmter Angabe. 1895 wurden 943599 (462833 männl., 480766
weibl.) E. gezählt. 1895 waren vorhanden 3207 Fabrikanlagen, darunter 1313 mit Dampfbetrieb, 1128 mit
sonstigen und 766 ohne Motoren, 2202 feststehende Dampfmaschinen
[* 38] mit 44219 durchschnittlich geübten
Pferdestärken. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter betrug 89282 (62860 männl., 26422 weibl.), darunter solche unter 14 J.
alt 141 (104 männl., 37 weibl.), über 14 bis 16 J. alt 5372 (3617 männl., 1755 weibl.).
3) Stadt und Hauptort der Kreishauptmannschaft sowie der Amtshauptmannschaft Leipzig, die größte Stadt des Königreichs Sachsen
und viertgrößte des DeutschenReichs, liegt 51° 20' 6" nördl. Br. und 12° 23' 28" östl. Leipzig von Greenwich, in 105–125
in Höhe, in einer weiten und fruchtbaren Ebene, welche durch die drei die Stadt teilweise berührenden
und sich im N. derselben vereinigenden Flüsse
[* 43] Elster, Pleiße und Parthe und deren verschiedene Arme bewässert wird. Der
mittlere Luftdruck betrug (1895) 750,3 mm, die mittlere Jahrestemperatur 8,4° C. (+34 Maximum, –16,7 Minimum), die Niederschlagsmenge
620,3 mm. (Hierzu ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen, Plätze und öffentlichen Gebäude und eine
Karte: Leipzig und Umgebung.)
Bevölkerung. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug (nach dem Gebietsbestande der Stadt vom 1890: 357 122, 1895: 399 969 (195 373 männl., 204 596 weibl.)
E., d. i. eine Zunahme seit 1890 um 42 847 Personen oder 11,99 Proz. Dem Religionsbekenntnis nach waren
(1895) 372 281 Lutherische, 5738 Reformierte, 14 394 Römisch-Katholische und 4844 Israeliten. Es wurden gezählt 10 591 bewohnte
(559 unbewohnte) Wohnhäuser,
[* 44] 87 158 Haushaltungen mit 389 439 Haushaltungsmitgliedern und 262 Anstalten mit 10 530 (7932
männl., 2598 weibl.) Insassen. Von den Einwohnern waren (1890) 4713 Österreicher oder Ungarn,
[* 45] 2522 andere
Europäer und 670 Angehörige außereurop. Staaten.
Die Zahl der Geborenen betrug (1895) 14421, darunter 493 Totgeborene, der Eheschließungen 3367, der Gestorbenen 8563. In
Garnison liegen die Infanterieregimenter Prinz JohannGeorg Nr. 107 und Nr. 134; das Infanterieregiment
Prinz Georg Nr. 106 liegt in Möckern. Die Einverleibung von Vororten erstreckte sich auf Reudnitz und Anger-Crottendorf
3,84 qkm, 1895: 49193 E.), Thonberg, Neureudnitz, Volkmarsdorf, Neuschönefeld, Neustadt,
[* 46] Sellerhausen, Gohlis und Eutritzsch
(1890, 13,86 qkm, 89161 E.), Lindenau, Plagwitz, Kleinzschocher, Schleußig, Connewitz und Lößnig (1891,
21,86 qkm, 76071 E.) und Neusellerhausen (1892, 0,46 qkm, 2407 E.).
Rechnet man zu der Einwohnerzahl von 1895 noch diejenige der umliegenden Ortschaften, welche durch wirtschaftliche Interessen
mit Leipzig verbunden sind und großstädtisches Wohnen zeigen, nämlich der Orte innerhalb eines Kreises von 4 km
Radius vom Markte: Möckern mit Kaserne (7306 E.), Stötteritz (6617) und Schönefeld (7068);
ferner der
Orte bis 5 km: Abtnaundorf
(358), Stünz (774), Leutzsch und Burgaue (3172) und endlich der Orte bis 6 km: Wahren (2120), Großwiederitzsch (323), Mockau
(2642), Thekla (1554), Paunsdorf (3813), Mölkau (476), Zweinaundorf (512), Probstheida (1554), Dölitz
(1888), Raschwitz (41), Ötzsch (1566), Großzschocher (3179), Windorf (805), Böhlitz-Ehrenberg
(1380) und Barneck (101), so ergiebt sich für das Weichbild von Groß-Leipzig eine Gesamteinwohnerzabl von (1895) 447 218 E.
Ehrenbürgersind: Fürst Bismarck, Fabrikbesitzer Gust. Goetz, Dr. von Simson, Geh. Kommerzienrat Ad. Kröner
in Stuttgart,
[* 47] die Geheimräte Professoren Drobisch, Fricke, Leuckart und Adolf Schmidt, Reichsgerichtspräsident Dr. von Oelschläger
und Reichsgerichtssenatspräsident Dr. Drechsler.
Anlage und Straßen. Die Stadt zerfällt in die innere Stadt, in die innern und äußern, nach der Himmelsrichtung benannten
Vorstädte und in die 1889-92 einverleibten Vororte. Die Richtung, in der die Ausdehnuug der Stadt über
die ehemaligen Festungswerke hinaus begann, wird gekennzeichnet durch die Straßenzüge, die den Anfang der von Leipzig ausgehenden,
ehemals bedeutenden Handelsstraßen bilden: Wintergarten- und TauchaerStraße nach NO., Grimmaischer Steinweg mit Dresdner und
Hospitalstraße nach O. und SO., Peterssteinweg, Zeitzer und Südstraße nach S., Ranstädter
Steinweg und FrankfurterStraße nach W., Gerber- und Eutritzscher Straße nach N. Infolge der Benutzung
der Gebäude in der innern Stadt zu geschäftlichen Zwecken bildet sich dieselbe mehr und mehr zur City aus, und die Einwohnerzahl
geht dort zurück.
Die innere Stadt (90 ha) war früher befestigt, doch sind die Mauern, Wälle und Gräben, deren Abtragung 1784 begann,
nebst den vier Thoren, zuletzt das 1722 erbaute Petersthor im März 1864, beseitigt und haben neuen Straßen und Promenaden
(Promenadenring 3368 m lang) Platz gemacht. Während die innere Stadt noch den altertümlichen Charakter trägt, zeigen die
Vorstädte ein modernes Gepräge, so besonders die in den letzten Jahren entstandene Südwestvorstadt
(Carl - Tauchnitz - Straße) mit ihren Prachtbauten und villenartigen Privathäusern. Charakteristisch für Leipzig sind die zahlreichen,
nach frühern Hausbesitzern benannten Höfe, namentlich in der innern Stadt, die als Durchgänge zwischen zwei Straßen dienen
und Läden enthalten.
Plätze und Denkmäler. Auf dem Marktplatze steht das Siegesdenkmal von Siemering, enthüllt
(447 743 M.); die
[* 42]
Figuren sind in Bronze,
[* 48] der Sockel in Syenit, der Unterbau in Granit. Um die innere Stadt erstrecken sich,
den Promenaden entlang, mehrere große Plätze (s. den Stadtplan), so der Augustusplatz, einer der
größten
¶
mehr
Plätze Deutschlands, mit dem Mendebrunnen, 1886 aus einem Legat (170000 M.) der Frau Mende errichtet nach dem Entwurf von Gnauth,
die
[* 49]
Figuren von Ungerer (s. Tafel: Brunnen II,
[* 49]
Fig. 3); der Königsplatz, der Johannisplatz mit dem Reformationsdenkmal (Luther
und Melanchthon), modelliert von Joh. Schilling, enthüllt der der Stadt vom Bankier Wilhelm
Seyfferth (seine Marmorbüste von Melchior zur Straßen wurde im Park errichtet) geschenkte Johannapark und nahebei
der Grassipark, aus den Mitteln der Grassistiftung 1893/94 angelegt.
Ferner sind zu erwähnen die Denkmäler des Kurfürsten, spätern Königs FriedrichAugust des Gerechten von Sachsen (von Öser
1780), Thaers (von Rietschel 1850), Hahnemanns (1851), Gellerts (von Knaur 1865), Zöllners (1868), Gustav
Harkorts (1878),Leibniz' (von Hähnel 1883), Franz Dominic Grassis (von Werner Stein 1886) auf dem alten Johannisfriedhofe,
Felix Mendelssohn-Bartholdys (von Werner Stein 1892) und der Leipziger Schulmänner Dolz und Plato (1894). Die Errichtung eines
Völkerschlachtdenkmals aus freiwilligen Beiträgen ist geplant.
Kirchen. Die Thomaskirche ist 1222 als Klosterkirche vollendet und 1496 neu gebaut, mit Turm (1537), Kanzel (1575) und Altar
[* 50] (1720);
1885-89 nach Entwürfen von Lipsius für etwa 700000 M. umgestaltet;
im Chor die Bildnisse der LeipzigerSuperintendenten
von 1573 bis 1888. Die Nikolaikirche, 1017 als Kapelle erwähnt, ist 1170 erweitert, 1525 umgebaut, mit
Turm (1555) von Hieronymus Lotter, und 1785-96 erneuert;
die Universitäts- oder Paulinerkirche, 1240 als Kirche des Dominikanerklosters
erbaut, ist 1544 erneuert und von Luther geweiht, verlor 1546 bei einer Neubefestigung der Stadt den Chor;
sie enthält
Tezels Grabstein, einen sehr alten Altar und ein Grabmal (1846) des 1073 in der Thomaskirche ermordeten
Markgrafen Diezmann von Meißen
[* 51] von Rietschel.
Die Matthäi-, früher Neukirche, 1494 um- und 1699 neu gebaut, steht auf
der Stelle eines auf den Grundmauern der von Markgraf Dietrich gegründeten Zwingburg angelegten Barfüßerklosters und wurde 1879 umgebaut.
Die Johanniskirche, ursprünglich zu dem 1278 gegründeten Johannishospital gehörig, Anfang des 14. Jahrh.
erbaut, 1582 neu geweiht, ist 1894-96 mit Erhaltung desTurmes neu gebaut; auf dem Kirchhof Grabstätten von Mahlmann, Hiller,
Roderich Benedir u. a., östlich Gellerts Grabmal mit Gitter.
BeimAbbruch der Johanniskirche sind Sebastian Bachs Gebeine aufgefunden und ebenso wie diejenigen Gellerts
in der neuen Kirche beigesetzt worden. Die neue Peterskirche, eine got. Hallenkirche, nach Plänen von Hartel und Lipsius (900000
M.), ist geweiht; die Lutherkirche 1883-86 nach Plänen von Julius Zeißig in Backstein erbaut; die Andreaskirche, 1893 geweiht.
In denVororten bestehen noch 13 evang. Kirchen. Die kath. Kirche gegenüber der Pleißenburg ist 1847 nach
Plänen von Heideloff erbaut, eine zweite in der Ostvorstadt 1893 vollendet, der Bau einer dritten ist geplant. An Stelle des
reform. Bethauses (seit 1706 endgültig der Gemeinde überlassen) wird an der Promenade eine
neue Kirche errichtet. Die anglo-amerik. Kirche ist 1885 geweiht. Außerdem bestehen eine Kirche der apostolischen,
Kapelle der hellenisch-griech., Betsäle der amerik., deutsch-kath.
und der Baptistengemeinde sowie eine Synagoge, 1855 von Simonsohn erbaut.
Weltliche
Bauten. Das Rathaus am Markt ist auf dem Grunde eines 1240 errichteten Rathauses 1556 vom Bürgermeister Hieronymus
Lotter erbaut; am Turme (1474) eine die Mondphasen anzeigende Kugel; im Innern der große Sitzungssaal mit
den Bildern der sächs. Fürsten von 1485 (Albrecht der Beherzte) an und in der Ratsstube ein Verzeichnis der Ratsherren von 1220 bis 1771. Ein
Umbau oder Abbruch wird geplant. Die AlteBörse (1678) auf dem Naschmarkt dient jetzt als Sitzungssaal der Stadtverordneten.
Das Königshaus am Markt ist im 17. Jahrh. von Ulrich Welsch erbaut und für Kurfürst August als Meßwohnung
eingerichtet; hier wohnten bis 1829 die sächs. Fürsten, ferner Peter d. Gr. (1698), Karl XII. von Schweden (1707), Jérôme,
König von Westfalen, und 1813 Napoleon; hier hatte 1760 Friedrich d. Gr. das bekannte Gespräch mit Gellert.
Daneben AuerbachsHof, dessen Räume außer Auerbachs Keller (s. d.) dem Meßgeschäft (Musterlager) dienen. Am östl. Ende der
Grimmaischen Straße liegen Gebäude der Universität, nämlich das 86 m lange Augusteum am Augustusplatz, 1831-36 nach Schinkels
Entwürfen von Geutebrück errichtet, mit Aula und Reliefs (die vier Jahreszeiten)
[* 52] von Rietschel am Giebel,
das Fridericianum, 1843 von Geutebrück erbaut, das Mauricianum, 1849 auf dem Pauliner-Gottesacker erbaut, daneben das Fürstenhaus
mit Turm, 1574 von Dr. Rohde erbaut und der Universität geschenkt;
das Paulinum auf der Stelle des 1545 säkularisierten Dominikanerklosters,
ehemals eine Zwingburg (1224 zerstört), die drei letztern sind teils zu Geschäftszwecken vermietet, teils
enthalten sie Wohnungen, Verwaltungsräume und Sammlungen;
das Bornerianum, nach dem Rektor Börner (gest. 1547) genannt;
an der Stelle des ehemaligen Kreuzganges des Paulinerklosters, dessen enkaustische Wandgemälde (13. und 14. Jahrh.)
später übertüncht, 1836 wieder aufgefunden, 1869-71 restauriert und 1893 abgesägt wurden, ist das großartige Albertinum
errichtet und gleichzeitig die ganze Gebäudegruppe der Universität vollkommen umgestaltet und das Augusteum
mit einer Sandsteinfaçade versehen worden.
Ferner liegen in der innern Stadt das sog. RoteKolleg, Geburtshaus von Leibniz, 1892 durch
einen Neubau ersetzt, mit den Räumen der philos. Fakultät, daneben die alte Buchhändlerbörse (1843), in deren Hof Gellert
wohnte und starb, jetzt Eigentum der Universität und Sitz des Konvikts; gegenüber das Predigerhaus der
Nikolaikirche, 1887 für 250000 M. erbaut; zwischen Universitätsstraße und Neumarkt die Stadtbibliothek, der letzte Rest
des alten Gewandhauses (s. d.), mit zahlreichen Läden für Meßzwecke im Erd- und Zwischengeschoß (1894 eingerichtet) und
daran anstoßend auf der Stelle des ehemaligen Konzertsaales das große neue Kaufhaus für Meßzwecke, 1896 vollendet;
am Ende der Petersstraße das Reichsbankgebäude in deutschem Renaissancestil (1885) und gegenüber
das Schloß Pleißenburg, ehemalige Citadelle der Stadt, 1213 als Zwingburg angelegt, 1547 zusammengeschossen und 1549-51
wieder aufgebaut, woselbst 1519 die Disputation zwischen Luther und Eck stattfand und 1632 Pappenheim starb.
Nachdem 1770 das Schloß als Festung aufgehoben war, diente sein Turm 1790-1862 als Sternwarte; bis dienen die Räume
als Kaserne, Garnisonbäckerei u. s. w.; dann soll ein neues Stadtviertel mit dem neuen
Ratbaus an dieser Stelle entstehen. Am
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