Titel
Lehmann
,
1)
Johann
Georg, Topograph, geb. in der Johannismühle bei
Baruth, ward
Soldat
und Kompanieschreiber zu
Dresden,
[* 3] besuchte die dortige
Kriegsschule und erregte
Aufmerksamkeit durch topographische
Arbeiten. 1793 als
Sergeant verabschiedet, unternahm er die
Vermessung eines Teils des
Dessauer Gebiets sowie der Herrschaft Lichtewalde, wurde
Straßenbauaufseher des
Wittenberger
Kreises und 1798
Offizier und
Lehrer an der
Ritterakademie zu
Dresden. 1806 in
den sächsischen Quartiermeisterstab berufen, wohnte er der
Schlacht bei
Jena
[* 4] bei, nahm 1807 als
Hauptmann an der Belagerung
von
Danzig
[* 5] und an der
Blockade von
Graudenz
[* 6] teil, starb als
Major und
Direktor der Militärplankammer in
Dresden Lehmann
verbesserte
Konstruktion und
Gebrauch des
Meßtisches und stellte eine neue, bald sehr verbreitete
Methode für das
Situationszeichnen auf,
deren Grundzüge in der 1799 erschienenen
Schrift
»Darstellung einer neuen
Theorie zur Bezeichnung der schiefen
Flächen« enthalten
sind, eine ausführliche
Darstellung aber in seinem nach Lehmanns
Tod von
Fischer herausgegebenen Hauptwerk: »Die
Lehre
[* 7] vom
Situationszeichnen«
(Dresd. 1812-16, 2 Bde.; 5. Aufl.
1843), fanden (s.
Landkarten,
[* 8] S. 459).
2) Jakob Heinrich Wilhelm, astronom. Rechner, geb. zu Potsdam, [* 9] studierte Theologie, ward 1823 Inspektor am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, [* 10] 1824 Konrektor am Gymnasium in Greifswald, [* 11] fungierte 1832-43 als Prediger in Derwitz und Krielow im Regierungsbezirk Potsdam, wandte sich dann aber der Astronomie [* 12] zu und wurde bis 1847 von Jacobi und 1847-48 von Encke mit astronomischen Rechnungen beschäftigt. Seitdem lebte er als Privatmann in Potsdam und Spandau, [* 13] an welch letzterm Ort er 1863 starb. Arbeiten von ihm finden sich in den »Astronomischen Nachrichten« sowie den mathematischen Zeitschriften von Grunert und Crelle;
selbständig erschienen: »Anfangsgründe der höhern Mechanik, nach der antiken, rein geometrischen Methode bearbeitet« (Berl. 1831);
»Über den Halleyschen Kometen« [* 14] (Potsd. 1835);
»Über die sehr großen und totalen Sonnenverfinsterungen« (Berl. 1842).
3) Joseph, Publizist, geb. zu Glogau, [* 15] besuchte die Friedrich Wilhelms-Schule zu Breslau, [* 16] trat in den 20er Jahren in das Veitsche Bankgeschäft in Berlin ein, wo er sich nebenbei in schriftstellerischen Versuchen übte, und wurde 1827 bei Gründung der »Preußischen Staatszeitung« (des jetzigen »Staatsanzeigers«) auf A. v. Humboldts ¶
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Empfehlung als Hilfsarbeiter bei der Redaktion derselben beschäftigt. Außer den ihm amtlich auferlegten politischen
Artikeln bearbeitete Lehmann
für das neue Blatt
[* 18] bald auch ein reichhaltiges, vorzugsweise der ausländischen Litteratur gewidmetes
Feuilleton, aus dem das »Magazin für die Litteratur des Auslandes« hervorging, das Lehmann
seit Januar 1832 als selbständige Beilage
der »Staatszeitung«, später aber als eigne Wochenschrift
herausgab. In der Folge lebte er in seiner Vaterstadt als Direktor der Niederschlesischen Eisenbahn, bis er 1865 nach Berlin
zurückkehrte, um von neuem die Redaktion seines »Magazins« zu übernehmen.
Er starb daselbst
4) Peter Martin Orla, dän. Staatsmann, geb. zu Kopenhagen [* 19] aus einer holsteinischen Familie, widmete sich in Kopenhagen, Kiel [* 20] und Berlin dem Studium der Rechte, kehrte 1833 in seine Vaterstadt zurück und beteiligte sich schon als Rechtskandidat an den politischen Bewegungen seines Vaterlandes, namentlich als eifriger Mitarbeiter am »Faedreland«, dessen Redaktion er später übernahm. 1839 stand er an der Spitze der Deputation, welche von Christian VIII.
Verleihung verfassungsmäßiger Freiheiten verlangte. Von der Regierung nicht zur Advokatur zugelassen, ward er in den Gemeinderat
und 1840 in die Ständeversammlung gewählt. Doch standen bei Lehmann
die das innere Staatsleben betreffenden Bestrebungen nur
auf zweiter Stufe, auf erster dagegen die nationale Tendenz, und zwar verfocht er in letzterer Beziehung
hauptsächlich den Gedanken, Holstein und Lauenburg
[* 21] sich selbst zu überlassen und dafür Schleswig
[* 22] völlig an Dänemark
[* 23] anzuschließen
und mit diesem durch eine gemeinsame Verfassung zu verbinden.
In dem seit dem bekannten »Offenen Briefe« von 1846 entbrannten Streit zwischen den dänischen und deutschen
Provinzialständen stand Lehmann
an der Spitze der eiderdänischen oder nationalliberalen Partei, welche bald darauf in Dänemark
zur Herrschaft kam. Die Kopenhagener Bewegung im März 1848 brachte Lehmann
als Minister ohne Portefeuille in das sogen. Kasinoministerium.
Er erhielt hierauf die Mission, das Berliner
[* 24] und Londoner Kabinett für die eiderdänischen Pläne zu gewinnen,
erreichte aber diesen Zweck nur in London
[* 25] teilweise.
Bei dem Umschwung der dänischen Politik im November 1848 erhielt er seine Entlassung und ward zum Amtmann von Veile in Jütland
ernannt, im April 1849 in Kolding von den Schleswig-Holsteinern gefangen genommen und mehrere Monate auf Schloß Gottorp festgehalten;
freigelassen, ward er in den konstituierenden Reichstag gewählt, wo er der Hauptverfasser der Gesetze
war, durch welche Dänemark zu einem konstitutionellen Staat mit völlig demokratischem Grundgesetz gemacht ward. 1855 war Lehmann
Mitglied
des außerordentlichen Staatsgerichtshofs, vor welchem die im Dezember 1854 abgetretenen Minister belangt wurden, und 1856 ward
er Mitglied des Reichsrats. Am mit dem Portefeuille des Innern betraut, nahm er mit
dem gesamten Ministerium Hall
[* 26] seine Entlassung und starb nachdem er seine Politik, deren Ziel Ausrottung des Deutschtums
in Schleswig war, hatte scheitern sehen.
5) Heinrich, franz. Maler, geb. zu Kiel, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, dann von Ingres in Paris. [* 27] Er trat im Salon zuerst 1835 mit Tobias und der Engel auf. 1837 wurde er von Ludwig Philipp beauftragt, den Tod Roberts des Starken für die Galerie von Versailles [* 28] zu malen. Gegen Ende des Jahrs siedelte er nach München [* 29] über, von wo er 1838 nach Italien [* 30] ging. Später kehrte er nach Paris zurück. Unter den Staffeleibildern des Künstlers, der sich in Frankreich hatte naturalisieren lassen, sind zu nennen: der Fischer, nach Goethe (1837, Museum von Carcassonne);
die Töchter der Quelle, [* 31] Mariuccia (beide 1812);
Prometheus (1851, im Luxembourg);
Ankunft der Sara bei den Eltern des Tobias (1866).
Diese Bilder zeichnen sich durch Feinheit und Kraft [* 32] der Modellierung und Anmut der Form aus. Seine Formenkenntnis kam ihm namentlich auch in seinen zahlreichen Porträten zu gute. Vortrefflich verstand sich auf dekorative Malerei in Fest- und Prachträumen. Ende der 50er Jahre malte er im Thronsaal im Luxembourg, dann im Palais de Justice zu Paris. Unter seinen monumentalen Kirchenmalereien sind die in der Kapelle des Heiligen Geistes zu St.-Merry die bedeutendsten; von den Altarbildern sind die Geißelung Christi (von 1842, in St.-Nicolas zu Boulogne) und Mariä Himmelfahrt (1850, St.-Louis en l'Ile) zu nennen. Seine Schöpfungen haben meist einen akademischen Charakter, dem es an Wahrheit und Wärme [* 33] fehlt. Er starb in Paris.
6) Rudolf, Maler, Bruder des vorigen, geb. zu Ottensen, Schüler seines Bruders, bereiste Deutschland, [* 34] hielt sich längere Zeit in England auf und ließ sich sodann in Rom [* 35] nieder. Er schildert das italienische Volksleben in Bildern größern Umfanges, von denen besonders: Sixtus V. segnet die Pontinischen Sümpfe (1847, Museum von Lille), [* 36] Wallfahrerin aus den Abruzzen in der Campagna, Ziegenhirtin der Abruzzen, Haydée und Graziella, sein populärstes Bild, früher Morgen in den Pontinischen Sümpfen, Ave Maria hervorzuheben sind. Er hat auch zahlreiche Porträte [* 37] gemalt. Seit 1866 lebt er in London.
7) Theodor Heinrich Wilhelm, Begründer der deutsch-nationalen Partei in Schleswig-Holstein,
[* 38] Vetter von Lehmann
4), geb. zu
Rendsburg,
[* 39] studierte die Rechte in Tübingen,
[* 40] Heidelberg
[* 41] und Kiel, machte 1848-50 den Krieg gegen Dänemark mit
und ward 1851 Advokat in Kiel. Als Abgeordneter der holsteinischen Provinzialstände (1859) stritt er für die Zusammengehörigkeit
der Herzogtümer, wirkte mit bei der Stiftung des Nationalvereins zu Frankfurt
[* 42] a. M. (September 1859) und trat in den Ausschuß. 1861 wurde
er wegen einer Resolution, welche eine von ihm berufene Versammlung in Kiel über die schleswig-holsteinische
und deutsche Frage annahm, von der dänischen Regierung in Untersuchung gezogen, aber 1862 freigesprochen. Er starb 29. Juli d. J.
in Kiel.
8) Julius, Agrikulturchemiker, geb. zu Dresden, studierte 1848 in Jena, 1849 bis 1851 in Gießen [* 43] Naturwissenschaften, arbeitete im Laboratorium [* 44] Liebigs, in dessen Auftrag er für die 3. Auflage der »Chemischen Briefe« mehrere Untersuchungen ausführte, und war dann in den Laboratorien zu Freiberg [* 45] und in Paris thätig. 1854 wurde er Oberlehrer der Naturwissenschaften an dem Vitzthumschen Gymnasium und der Blochmannschen Erziehungsanstalt zu Dresden, welche er 1856 verließ, um eine ihm übertragene Untersuchung »über die Getreidearten und das Brot« [* 46] auszuführen. 1857 wurde er Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Weidlitz, später zu Pommritz (in der sächsischen Oberlausitz), ging 1867 an die landwirtschaftliche Akademie zu Proskau und 1869 als Vorstand der landwirtschaftlichen Zentralversuchsstation nach München. Hier wurde ihm 1872 gleichzeitig die Einrichtung der ¶
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landwirtschaftlichen Abteilung an der technischen Hochschule und an derselben die ordentliche Professur der Agrikulturchemie übertragen. Ende 1879 trat er in den Ruhestand und lebt jetzt in Dresden. Lehmann widmete sich namentlich Untersuchungen über Pflanzen- und Tierernährung und lieferte auch mehrere analytische Arbeiten. Seine Methode des Verbackens des Mehls aus ausgewachsenem Roggen zu einem völlig normalen, lange Zeit haltbaren Brot ist von großer Bedeutung für die Volksernährung.
9) Lilli, Sängerin, geb. zu Würzburg [* 48] als die Tochter der Sängerin und Harfenvirtuosin Marie Lehmann-Löwe, trat zum erstenmal in Prag [* 49] als erster Knabe in der »Zauberflöte« auf und gab schon kurze Zeit darauf auch die Pamina. 1868 folgte sie einem Engagementsanerbieten nach Danzig und ging zwei Jahre später an das Stadttheater nach Leipzig, [* 50] welches sie in kürzester Frist mit der Hofbühne in Berlin vertauschte, wo sie 1876 zur königlichen Kammersängerin ernannt wurde. Im Frühjahr 1886 begab sie sich zu einer Gastspieltournee nach Nordamerika, [* 51] von wo sie, mit eigenmächtiger Verlängerung [* 52] ihres Urlaubs, erst im Spätsommer d. J. zurückkehrte, was ihre Entlassung aus dem Verband [* 53] der Berliner Hofbühne zur Folge hatte. Lilli Lehmann, die technisch ebenso wohlgeschult wie künstlerisch reich veranlagt ist, hat sich im lyrischen, sentimentalen, komischen und heroischen Fach in gleichem Maß bewährt (Königin der Nacht, Venus, Baronin im »Wildschütz«, Valentine, Fidelio, Walküre). - Ihre Schwester Marie, ebenfalls Sängerin, geb. zu Hamburg, [* 54] betrat die Bühne zuerst in Leipzig, war 1872-73 am Hamburger, dann am Kölner, [* 55] 1878-79 am Breslauer Stadttheater engagiert und wurde 1879 Mitglied des Landestheaters zu Prag, von wo sie 1881 zum Hofoperntheater in Wien [* 56] überging. Sie gefällt vornehmlich als Darstellerin ernster und schwärmerischer Charaktere.