Lassus
,
Orlandus (eigentlich Roland de Lattre, ital. Orlando di Lasso), Komponist, geb. 1520 zu Mons [* 2] im Hennegau (Belgien), [* 3] kam frühzeitig nach Italien, [* 4] wo er besonders in Neapel [* 5] seiner musikalischen Ausbildung oblag und, kaum 21 Jahre alt, zu Rom [* 6] die Kapellmeisterstelle an San Giovanni im Lateran erhielt. Später bereiste er England und Frankreich und scheint dann einige Jahre in Zurückgezogenheit in Antwerpen [* 7] gelebt zu haben, bis er 1557 vom Herzog Albrecht V. von Bayern [* 8] nach München [* 9] berufen wurde.
Hier erhielt er 1562 die erste Kapellmeisterstelle sowie 1570 vom
Kaiser
Maximilian den
Reichsadel und wurde 1571 vom
Papst
Gregor XIII. zum
Ritter vom
Goldenen
Sporn ernannt. Auch König
Karl IX. von
Frankreich überhäufte den
Komponisten, als derselbe
im letztgenannten Jahr nach
Paris
[* 10] kam, mit Auszeichnungen und
Geschenken. Als der König infolge der
Bartholomäusnacht (1572)
von Gewissensbissen gepeinigt wurde, waren es besonders Lassus'
berühmte sieben
Bußpsalmen, die eine lindernde
Wirkung auf sein
Gemüt übten. Lassus
starb in
München, wie neuerdings
Hurter und
Schafhäutl festgestellt haben, (nach
Delmotte, in Übereinstimmung mit dem
Datum des
Grabmals auf dem Franziskanerkirchhof in
München, 1595). Von seinen
Söhnen haben
sich zwei:
Ferdinand (gest. 1609 als
Kapellmeister in
München) und besonders
Rudolf (gest. 1625 als Hoforganist
daselbst), ebenfalls als
Musiker hervorgethan. Lassus
war nächst
Palestrina der größte Tonsetzer des 16. Jahrh. und der letzte
berühmte
Meister der sogen. niederländischen Kontrapunktistenschule, deren verhältnismäßig beschränkten
Wirkungskreis er jedoch weit überschritt, indem
er den im
Lauf des 16. Jahrh. auch bei den übrigen
Nationen
erwachten Kunstgeist
in sich aufnahm und mit universaler
Kraft
[* 11] zum
Ausdruck brachte.
Vermöge dieser Universalität seines künstlerischen Empfindens erhob er sich selbst noch über die Meister der römischen Schule, denn sie befähigte ihn, nicht allein in allen Formen der Kirchenmusik, sondern auch in denen des weltlichen Gesanges, namentlich im Madrigal, Ausgezeichnetes zu leisten. Von seinem Fleiß und seiner Fruchtbarkeit zeugt die Zahl der von ihm hinterlassenen Werke, deren nicht weniger als 2337 nachweisbar sind, die teils gedruckt, teils als Manuskript in den Bibliotheken von München, Wien [* 12] und Berlin [* 13] bewahrt werden, darunter 51 Messen, 780 Motetten etc. sowie die erwähnten sieben Bußpsalmen zu fünf Stimmen, deren erster Band [* 14] 1565, der zweite 1570 vollendet wurde, letzteres Werk einer der kostbarsten Schätze der Münchener Bibliothek. Eine Liste der sehr zahlreichen im Druck erschienenen Kompositionen L'. gibt Fétis' »Biographie universelle«. Ein ehernes Standbild des Meisters (von Widnmann) wurde 1849 in München errichtet; ein andres (von Frison) schmückt seit 1853 seine Vaterstadt.
Vgl. Delmotte, Biographische Notiz über Roland de Lattre (deutsch, Berl. 1837);