Kyklische
Dichter
(Kykliker, Cyclici), eine
Reihe altgriechischer
Epiker aus der ionischen
Schule,
welche während der ersten 50
Olympiaden nach
Homer die verschiedenen
Kreise
[* 2] der um den
Mittelpunkt der Homerischen
Poesie herumlagernden
Götter- und
Heldensagen poetisch bearbeiteten und zwar in einer sich an
Homer aufs engste anschließenden Form, doch ohne dessen
Geist. Merkwürdig sind sie besonders darum, weil die Tragiker größtenteils aus ihnen ihre
Stoffe entlehnten,
und weil von ihnen hauptsächlich die Veränderungen der
Mythen zu stammen scheinen, die wir bei jenen wahrnehmen.
Man befaßte sie unter dem
Namen der kyklischen Dichter
, weil die wichtigsten ihrer
Dichtungen später mit
Ilias und
Odyssee
zu einem epischen Kyklos, d. h. einem epischen
Sagenkreis, zusammengestellt waren, welcher eine vollständige
Übersicht der
Götter- und Heroenmythen von der
Verbindung des
Uranos und der
Gäa bis herab zum
Tode des
Odysseus durch seinen
Sohn
Telegonos gab. Außer den Homerischen
Gesängen haben sich von diesen
Dichtungen nur einzelne Verfassernamen,
Titel und
Fragmente erhalten.
Genauer sind wir durch die Chrestomathie des Grammatikers Proklos (um 150 n. Chr.) nur über den troischen Sagenkreis unterrichtet. Die Einleitung der Ilias bildeten die »Kypria« des Stasinos von Salamis auf Cypern [* 3] (um 770 v. Chr.),
welche
in elf
Büchern die Ereignisse von der
Hochzeit des
Peleus bis zum Beginn der
Ilias erzählten, die Fortsetzung die »Äthiopis«
des Arktinos von Milet (aus derselben Zeit) in fünf
Büchern, von den
Kämpfen mit den
Amazonen und dem
Äthiopen
Memnon und dem
Tode des
Achilleus, und die »Zerstörung
Ilions« (»Iliu persis«) von demselben Dichter
in zwei
Büchern.
Die Ereignisse vom Streit um die
Waffen
[* 4] des
Achilleus bis zur Einführung des hölzernen
Rosses in
Troja
[* 5] berichtete die
»Kleine
Ilias« des
Lesches von
Mytilene (um 672) in vier
Büchern.
Den Übergang zur
Odyssee vermittelten die
»Nosten« (Heimfahrten der
Helden von
Troja) des Agias von
Trözen in fünf
Büchern;
eine unmittelbare Fortsetzung der
Odyssee war die »Telegonie« des Eugammon von
Kyrene (um 570) in zwei
Büchern, von der
Bestattung der
Freier bis zum
Tode des
Odysseus. Welche Gedichte außerdem zum Kyklos gehörten, läßt sich
nicht ermitteln. Wahrscheinlich ist es von einer »Titanomachie« des genannten
Arktinos oder des Eumelos von
Korinth,
[* 6] einer
»Ödipodie« des Kinäthon von
Lakedämon, einer auch
»Amphiaraos'
Auszug« betitelten
»Thebais«, an die sich ein die
»Epigonen« betiteltes Gedicht anschloß, einer sehr alten
Dichtung von der
»Einnahme Öchalias« durch
Herakles,
[* 7] für deren Verfasser Kreophylos, der angebliche Schwiegersohn
Homers, galt, u. a. Wie schon
bemerkt, waren die kyklischen
Gedichte den griechischen Tragikern und allen nachfolgenden Dichtern
eine reiche Fundgrube;
ja, in der römischen Kaiserzeit scheinen sie sogar zum
Studium der Mythengeschichte benutzt worden zu
sein, so daß selbst die
Künstler den
Inhalt derselben durch bildliche
Darstellung anschaulich zu machen suchten. Unter andern
befindet sich noch jetzt eine solche Tafel (marmor Borgianum) in
Neapel,
[* 8] eine andre, die berühmteste von allen, die sogen.
Ilische Tafel
(Basrelief mit
Inschriften), im Museo capitolino zu
Rom.
[* 9]
Vgl.
Welcker, Der epische
Cyklus oder
die Homerischen Dichter
(Bonn
[* 10] 1835-49, 2 Bde.; 1. Bd., 2. Aufl.
1865);
Düntzer, Homer und der epische Kyklos (Köln [* 11] 1839);
O. Jahn, Griechische Bilderchroniken (Bonn 1873).