Kroatische
Sprache
[* 2] und Litteratur. Die kroatische Sprache
, die außer in
Kroatien selbst auch im
westlichen Teil von
Slawonien sowie auf der Ostseite von
Istrien
[* 3] und den Quarnerischen und dalmatischen
Inseln gesprochen wird,
bildet mit dem nahe verwandten Slawonischen und Dalmatischen die westliche
Gruppe des serbokroatischen
Zweigs der slawischen
Sprachfamilie (s.
Slawische Sprachen) und ist, mit dem
Mittelpunkt
Agram,
[* 4] die wichtigste
Sprache dieser
Gruppe,
deren
Dialekte gewöhnlich
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mehr
mit dem lateinischen Alphabet geschrieben werden; nur für die Kirchensprache wird teilweise das glagolitische Alphabet angewendet.
Grammatiken lieferten Kriztianovich (Agram 1837) und Klaič (das. 1879), Wörterbücher Relkovich (Wien
[* 6] 1796) und Filipović
(Agram 1878); illyrische Grammatiken, alle serbokroatischen
und die slowenischen Dialekte umfassend, A. Berlitsch (2. Aufl.
1842) und F. Berlitsch (1854) sowie R. Fröhlich (Wien 1850).
Eine kroatische
Litteratur entwickelte sich zuerst in der Republik Ragusa,
[* 7] doch gehört dieses dalmatische Schrifttum, dessen
Blütezeit in das 15.-17. Jahrh. fällt, den Kroaten und Serben gemeinsam an, indem sich dasselbe anfangs des kroatischen
Dialekts,
in der Folge aber der wohllautendern serbischen Mundart bediente, weshalb wir über diese Periode auf Serbische Sprache
und Litteratur verweisen. Die spätern Erzeugnisse der eigentlichen kroatischen
Sprache bis ins 19. Jahrh. hinein behandeln,
von einigen chronikenartigen Aufzeichnungen und Gedichten abgesehen, vorzugsweise popularkirchliche und erbauliche Stoffe
und sind von keiner weitern Bedeutung.
Einen Aufschwung nahm die kroatische
Litteratur in den 30er Jahren unsers Jahrhunderts mit dem Wiedererwachen
des serbischen und kroatischen
Nationalgefühls, das sich in dem Bestreben nach einer geistigen Vereinigung beider so nahe
verwandter und nur durch die Religion (die Kroaten gehören der römisch-katholischen, die Serben der griechischen Kirche an)
und durch die Schrift (die Kroaten bedienen sich des lateinischen, die Serben des russischen Alphabets)
voneinander getrennter Völker äußerte.
Die kroatischen
Schriftsteller, unter denen in erster Linie Ludewit Gaj (s. d.) wirkte, nahmen als Litteratursprache
jetzt
den südserbischen Dialekt an, in welchem sich die alte dalmatische Litteratur entwickelt hatte, und der zunächst mit dem
neutralen Namen »Illyrisch« bezeichnet wurde (wie man die ganze Bewegung die »illyrische« nannte),
während
man jetzt allgemeiner »Serbokroatisch« sagt. Die kroatische
Litteratur
ist infolgedessen von der serbischen kaum mehr scharf zu trennen. Das Zentrum der neuern Litteraturbewegung war Agram, und
die Zahl der Autoren, die auf poetischem Gebiet wie in der wissenschaftlichen und populären Prosalitteratur hervorgetreten
sind, ist im Verhältnis zur Ausdehnung
[* 8] des Volkes eine ansehnliche. Als Dichter sind außer L. Gaj (gest. 1872) auszuzeichnen:
der Lyriker Stanko Vraz (gest. 1851; »Djulabije«, »Gusle i tambura« etc.),
der feurige und patriotische Dragutin Rakovac (gest. 1854),
Ludewit Vukotinović (»Pěsme i pripovědke«, »Ruže i trnje«),
Mirko Bogović (geb. 1816),
Verfasser von Liedern (»Ljubice«),
politischen Poesien (»Domorodni glasi«) und Dramen (»Francopan«, »Matiaš Gubec« etc.); ferner Demetrije Demeter [* 9] (gest. 1872) und Iwan Tarnski (geb. 1819),
der als Lyriker, Dramatiker und Erzähler hervorragende Iwan Kukuljević (geb. 1816),
besonders aber Iwan Mažuranić (geb. 1813),
der Ergänzer der verlorengegangenen Gesänge von Gundulić'
»Osman« und Verfasser des
berühmten Epos »Smert Smail-Aga čengića«, und Peter Preradović (gest. 1872),
vielleicht der bedeutendste kroatische
Dichter auf lyrischem Gebiet. Als Novellist verdient besonders noch Aug. Šenoa Erwähnung.
Die wissenschaftliche Litteratur hat ihren Mittelpunkt in der zu Agram 1866 gegründeten »südslawischen Akademie der Wissenschaften«,
deren Präsident Franjo Rački (geb. 1829) zu den slawischen Gelehrten ersten Ranges gehört. Andre namhafte
Vertreter der Wissenschaft sind: Vatroslav Jagić (geb. 1835), dessen Forschungen hauptsächlich auf Philologie, Altertumskunde
und Litteraturgeschichte gerichtet sind;
der Historiker Ljubić, der Lexikograph B. Šulek, der Litteraturforscher Armin Pavić, Peter Matković, L. Vukotinović als Naturforscher, der Ethnograph und Sprachkenner Franjo Kurelac (gest. 1874) u. a. Aus Dalmatien, wo die Litteratur, berührt von der nationalen Strömung der letzten Jahrzehnte, ebenfalls wieder erwachte, sind als Dichter besonders Graf Medo Pučić (geb. 1821), Anton Kazali (geb. 1815; »Zlatka«, »Grobnicko polje«),
der Dramatiker Matija Ban (geb. 1818; »Mejrima«, »Car Lazar«) und der patriotische Priester Jovan Sundečić (geb. 1825) zu nennen.
Einen Mittelpunkt der litterarischen Bestrebungen in Damatien bildet die in Ragusa erscheinende Zeitschrift
»Slovinac«. - Die epische Volkspoesie der Kroaten fällt dem Stoff nach mit der der Serben zusammen. Sie zeichnet sich durch
ein besonderes Versmaß (aus 15 Silben bestehend, mit Cäsur nach der siebenten, oft auch mit einer Art
Refrain) aus und war im 16.-17. Jahrh. ziemlich reich; jetzt ist sie im Verschwinden begriffen.
Die handschriftlich erhaltenen epischen Volkslieder sind zum Teil in Miklosichs »Beiträgen zur Kenntnis der slawischen Volkspoesie«
(Bd. 1: »Die Volksepik
der Kroaten«, Wien 1870) mitgeteilt; eine vollständige Ausgabe besorgte Bogišić (»Narodne pjesme iz
starijih zapisa«, Belgrad
[* 10] 1878). Eine Sammlung andrer Volkslieder im kroatischen
Dialekt veröffentlichte Kukuljević in Bd. 4 seiner
»Različita děla« (Agram 1847); Märchensammlungen gaben M. Valjavec (Warasdin 1858 und Agram 1875) und Krauß (in »Sagen und
Märchen der Südslawen«, Leipz. 1883-84, 2 Bde.),
Lieder und Sagen Plohl-Herdvigov (Warasdin 1868, 2 Bde.) und Kurelac (Agram 1871) heraus.
Vgl. Pypin und Spasović, Geschichte der slawischen Litteraturen, Bd. 1 (deutsch, Leipz. 1880),