Titel
Konsistorĭum
1) zur Zeit der römischen
Kaiser der seit
Hadrian bestehende
Geheime
Rat oder
Staatsrat
(Concilium oder Consistorium principis),
in dessen
Hände alle wichtigen
Geschäfte übergingen, und dessen Mitglieder vom
Kaiser nach
Willkür ernannt wurden.
Neu organisiert
wurde er besonders von
Konstantin. Regelmäßige
Beisitzer (comites consistoriani) waren: die sogen. Illustres:
Quaestor sacri palatii, der kaiserliche
Kanzler;
Magister officiorum,
Hofmarschall;
Comes sacrarum largitionum und
Comes rei privatae;
ferner die Spectabiles, welche
auch
Comites consistoriani im engern
Sinn oder
Comites primi ordinis in consistorium genannt
wurden; endlich einige Beamte, welche, ohne eigentliche Consistoriani zu sein, den
Sitzungen des Konsistoriums
beiwohnen mußten.
Außerordentliche Mitglieder des Konsistoriums
waren die Vocantes, wirkliche Staatsdiener, die aber nur
zu außerordentlichen
Kommissionen benutzt wurden. Auch sie teilten sich in Illustres und Spectabiles, welch letztere nur
auf besondere
Aufforderung der jedesmaligen
Sitzung beiwohnten.
2) Das Konsistorium
des
Papstes ist das höchste Staatskollegium desselben, das aus einer Versammlung von
Kardinälen
unter Vorsitz des
Papstes besteht. Die sogen. öffentlichen oder außerordentlichen Konsistorien
finden nur
bei besondern Anlässen, z. B. beim Empfang auswärtiger
Gesandten, mit großer Feierlichkeit statt. Die sogen. geheimen Konsistorien
,
bei denen nur
Kardinäle gegenwärtig sind, beraten über alle wichtigen Angelegenheiten, die Ernennung der
Kardinäle, der
Erzbischöfe, der
Bischöfe u. dgl.
3) Konsistorium
heißt ferner die bei jedem katholischen Bischofsitz zur Ausübung der bischöflichen
Jurisdiktion eingesetzte Behörde,
welche sich aus
Geistlichen, insbesondere aus den
Domherren, zusammensetzt.
4) In der protestantischen
Kirche hängt die Einsetzung landesherrlicher Konsistorien
mit der
Theorie zusammen, daß die bischöfliche
Gewalt auf den
Landesherrn übergegangen, und daß dieser als der oberste Landesbischof (Summus episcopus)
und als das Oberhaupt der evangelischen
Landeskirche zu betrachten sei. Das Konsistorium
ist nun die Behörde, durch welche der
Landesherr
das ihm zustehende
Kirchenregiment thatsächlich ausübt (sogen.
Konsistorialverfassung). So wurde schon 1542, infolge eines
Gutachtens der
Reformatoren von 1539, zuerst zu
Wittenberg
[* 2] ein Konsistorium
errichtet, was sodann nach dem
Augsburgischen
Religionsfrieden von 1555 in allen evangelischen
Ländern geschah.
Die Konsistorien erhielten von dem Landesherrn ihre Instruktion, ihre Gewalt war mithin nur eine Jurisdictio vicaria s. mandata, und die Rechte, welche sie selbständig auszuüben hatten, bezeichnete man mit dem Ausdruck Jura regiminis ecclesiastici vicaria, im Gegensatz der dem Landesherrn vorbehaltenen Jura regiminis ecclesiastici reservata, wozu fast allgemein die Gesetzgebung samt der in ihr enthaltenen Organisationsgewalt, das Dispensationsrecht und die Verleihung der Kirchenämter gehörten.
Die Aufsicht über die Lehre [* 3] und über die Liturgie dagegen, über die Amtsführung und über den Lebenswandel der Geistlichen, die Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit über dieselben, die Prüfung der Kandidaten für geistliche Ämter, die Handhabung der Kirchenzucht, die Oberaufsicht über die kirchliche Vermögensverwaltung und die Anordnung der Ordination und Institution der Geistlichen bildeten den Geschäftskreis der Konsistorien. Dazu kam zumeist eine förmliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen.
Die Konsistorien setzten sich aus geistlichen und weltlichen Räten zusammen. In größern Staaten machte sich für die verschiedenen Provinzen eine Mehrheit von Konsistorien nötig, die einem Oberkonsistorium unterstellt wurden. Aber auch in Ländern mit überwiegend katholischer Bevölkerung [* 4] und in Staaten, an deren Spitze ein katholischer Landesherr steht, wurden Konsistorien mit der protestantischen Kirchenverwaltung betraut. Heutzutage haben infolge der Veränderungen auf dem Gebiet der Kirchenzucht und infolge der Justizreformen, welche namentlich die Konsistorialgerichtsbarkeit in Ehesachen beseitigten, ¶
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die Konsistorien im wesentlichen nur noch die Geschäfte der kirchlichen Verwaltung zu besorgen; auch fungieren sie als Disziplinarbehörden
für die Geistlichkeit. In manchen Ländern sind ihnen jetzt aber auch Gegenstände überwiesen, welche früher der landesherrlichen
Entschließung vorbehalten waren. Endlich ist in verschiedenen Staaten an Stelle der Bezeichnung Konsistorium
oder Oberkonsistorium
die Bezeichnung Oberkirchenrat getreten. In andern Staaten ist das Konsistorium
mit dem Kultusministerium vereinigt. Wo infolge der Synodalverfassung
Synoden mit der kirchlichen Selbstverwaltung betraut sind, nehmen ihnen gegenüber die Konsistorien und Oberkirchenräte die
Stellung von Ministerien ein.
Zuweilen haben die letztern auch bei der Besorgung gewisser Geschäfte der laufenden Verwaltung einen Synodalausschuß zuzuziehen. Übrigens ist die Konsistorialverfassung in den verschiedenen deutschen Staaten auch insofern keine übereinstimmende, als die Konsistorien oder Oberkirchenräte in manchen Ländern unmittelbar unter dem Landesherrn stehen, während sie anderwärts dem Kultusministerium untergeordnet sind. In Preußen [* 6] bildet für die neun ältern Provinzen der evangelische Oberkirchenrat in Berlin, [* 7] welcher direkt unter dem König steht und kollegialisch organisiert ist, die oberste Kirchenbehörde.
Diesem unterstehen die gleichfalls kollegialisch eingerichteten Konsistorien für die einzelnen Provinzen. In den neuen Provinzen
sind die Konsistorien zu Kiel,
[* 8] Kassel,
[* 9] Frankfurt
[* 10] a. M. und Wiesbaden
[* 11] dem Kultusminister unterstellt. Für die Provinz Hannover
[* 12] bestehen unter einem Landeskonsistorium
in Hannover mehrere Provinzialkollegien. In Bayern
[* 13] besteht ein
Oberkonsistorium in München,
[* 14] ein in Speier.
[* 15] Für das Großherzogtum Hessen
[* 16] ist ein Oberkonsistorium in Darmstadt
[* 17] errichtet. In
Württemberg
[* 18] steht das evangelische Konsistorium
unter dem Ministerialdepartement des Kirchen- und Schulwesens. Im Königreich Sachsen
[* 19] wird
die landesherrliche Kirchengewalt, solange der König katholisch ist, von den »in
Evangelicis beauftragten« Staatsministern ausgeübt, unter welchen das Landeskonsistorium
in Dresden
[* 20] steht. In Österreich
[* 21] ist der evangelische Oberkirchenrat dem Ministerium für Kultus und Unterricht unterstellt. Vereinzelt kommen auch noch sogen.
Mediat- oder Unterkonsistorien vor, welche als Unterbehörden gewisser Städte oder Standesherren in Unterordnung unter das
landesherrliche Kirchenregiment gewisse durch Herkommen oder Privilegien bestimmte Rechte konsistorialer
Art zu verwalten haben.
5) In Frankreich und Elsaß-Lothringen [* 22] ist Konsistorium die Bezeichnung für den Kirchenvorstand in lutherischen und in reformierten Gemeinden.