Kompensation
(lat.), die wechselseitige Aufhebung und Ausgleichung der
Wirkungen zweier einander gegenüberstehender
Ursachen oder ursachlicher
Thatsachen, z. B. in der
Physik die Ausgleichung der
Wirkung einer
Kraft,
[* 2] welche
ohne Kompensation
störend eingreifen würde. So verändern Temperaturschwankungen die
Länge des
Pendels, und man benutzt in sinnreicher
Weise die ungleiche
Ausdehnung
[* 3] verschiedener
Metalle, um diese Schwankungen auszugleichen (s.
Ausdehnung, S. 109). Ebenso wird
bei
Chronometern die Abhängigkeit der
Unruhe von der
Temperatur ausgeglichen. In der
Medizin versteht man
unter Kompensation
die Ausgleichung einer vorhandenen
Störung durch eine andre.
Anomalie,
[* 4] z. B. eines
Herzfehlers durch allmählich sich
ausbildende
Herzhypertrophie. - Besonders gebräuchlich ist der
Ausdruck Kompensation
(Aufrechnung,
Wettschlagung) im Rechtswesen.
Man spricht z. B. von Kompensation
gegenseitiger
Injurien, indem das deutsche
Strafgesetzbuch (§ 199, 233) den
Richter
ermächtigt, in
Fällen, in welchen eine
Beleidigung mit einer solchen, oder eine leichte
Körperverletzung mit einer solchen,
oder
Beleidigungen mit leichten
Körperverletzungen, oder umgekehrt letztere mit
Beleidigungen erwidert wurden,
Freisprechung
eintreten zu lassen. Ebenso spricht man von Kompensation
der Prozeßkosten in dem
Sinn, daß die streitenden Teile in
Ansehung des
¶
mehr
Kostenpunktes miteinander aufheben, so daß jeder Teil die auf seiner Seite erwachsenen Kosten trägt. Dies pflegt namentlich
bei dem teilweisen Unterliegen und dem teilweisen Obsiegen einer Partei sowie bei Vergleichen zu geschehen, während sonst
dem unterliegenden Teil die sämtlichen Prozeßkosten zur Last fallen. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 93) gelten
die Kosten bei einem Vergleich als kompensiert, wofern die Parteien ein andres nicht vereinbart haben. Im engern und eigentlichen
Sinn aber versteht man unter Kompensation
die wechselseitige Aufhebung zweier einander gegenüberstehender Forderungen. Es hat z. B.
A. von B. 100 Mk., B. von A. 60 Mk. zu fordern; hier kann B. mit seiner Gegenforderung
kompensieren, so daß er dem A. nur 40 Mk. zu bezahlen braucht.
Derartige Gegenforderungen sind, wenn es zum Prozeß kommt, einredeweise (Kompensati
onseinrede, Exceptio compensationis) geltend
zu machen. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 136) kann jedoch die Kompensation
seinrede vom Gericht zur getrennten
Verhandlung verwiesen werden, wenn die einredeweise geltend gemachte Forderung mit der eingeklagten nicht
in rechtlichem Zusammenhang steht. Eine Forderung ist ferner nur dann kompensabel, wenn sie fällig und mit der eingeklagten
Forderung kongruent ist, d. h. beide Forderungen müssen auf eine gleichartige Leistung, z. B. auf die Zahlung von Geldsummen,
gerichtet sein.
Die Forderungen müssen einander aber auch direkt gegenüberstehen, Schuldner und Gläubiger müssen dieselben
Personen sein. Hieraus rechtfertigt sich die wichtige Bestimmung des deutschen Handelsgesetzbuchs (Art. 121), daß bei Handelsgesellschaften
eine Kompensation
zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatforderungen des Gesellschaftsschuldners gegen einen einzelnen Gesellschafter
während der Dauer der Gesellschaft gar nicht und nach deren Auflösung nur insoweit stattfindet, als die
Gesellschaftsforderung dem betreffenden Gesellschafter bei der Auseinandersetzung überwiesen worden ist. Im Konkurs kann ein
Einzelschuldner des Gemeinschuldners der Konkursmasse gegenüber nur unter bestimmten Voraussetzungen (deutsche Konkursordnung,
§ 46 ff.) mit einer Forderung an den Gemeinschuldner kompensieren (s. Konkurs).
Eine Modifikation der Regel, daß Gläubiger und Schuldner identisch sein müssen, daß also der Schuldner
der Hauptforderung Gläubiger in Ansehung der Kompensation
sforderung und umgekehrt der Gläubiger der Hauptforderung Schuldner
der Kompensation
sforderung sein muß, findet insofern statt, als der Bürge mit Forderungen des Hauptschuldners und der Zessionar
mit der ihm zedierten Forderung kompensieren kann; ebenso kann aber auch der Debitor cessus dem Zessionar
gegenüber mit einer Forderung kompensieren, welche ihm gegen den Zedenten zusteht (s. Zession); auch kann bei einer Korrealverbindlichkeit
(s. d.) der eine Korrealschuldner eine Gegenforderung eines andern Korrealschuldners
in Aufrechnung bringen.
Dadurch, daß man das Rechtsinstitut der Kompensation
mit dem der Delegation (s. d.) in Verbindung gebracht hat, ist
die für das Geschäftsleben so wichtige Abrechnung oder Skontration entstanden. Hier treten nämlich mehrere Personen, in der
Regel Kaufleute, zusammen, um untereinander ihre Forderungen und Schulden möglichst auszugleichen und aufzuheben. A. ist z. B.
dem B. 1000 Mk. schuldig, B. dem C. 1000 und C. dem A. 1000 Mk.;
A. weist nun seinen Schuldner C. an, diese 1000 Mk. an B., den Gläubiger des A., zu zahlen;
da aber B. ebensoviel an C. schuldet, so kompensiert C. mit dieser seiner Gegenforderung, und so werden alle drei Forderungen getilgt;
s. Abrechnung.
Vgl. Brinz, Die Lehre
[* 6] von der Kompensation
(Leipz. 1849);
Dernburg, Theorie
der Kompensation
(2. Aufl., Heidelb. 1868);
Eisele, Die Kompensation
nach römischem und gemeinem Recht (Berl. 1876);
Schollmeyer, Die Kompensation
seinrede
(das. 1884).