Kinderheil
stätten,
Anstalten zur ärztlichen
Pflege und zur klimatischen Erfrischung kranker oder kränklicher, durch
mangelhafte
Ernährung und ungesunde Verhältnisse heruntergekommener
Kinder. Seit Ende des vorigen
Jahrhunderts
befindet sich eine königliche Anstalt für skrofulöse
Kinder zu
Margate in
England. 1856 begründete Barellai zu
Florenz
[* 2] in
Viareggio bei
Pisa
[* 3] ein Ospizio marino für
Kinder, dem seither mehr als 20 ähnliche Anstalten in
Italien
[* 4] nachgebildet wurden.
In
Frankreich,
England,
Nordamerika,
[* 5]
Holland,
Belgien
[* 6] und
Dänemark
[* 7] fand dieser Vorgang
Nachfolge, und nicht
bloß an der Seeküste, sondern auch sonst in Badeorten, klimatischen
Kurorten etc. wurden nach und nach zahlreiche Kinderheil
stätten errichtet.
In
Deutschland
[* 8] und
Österreich
[* 9] ist etwa seit 1850 eine
Reihe besonderer Kinderheil
stätten errichtet, teils als
Krankenhäuser in
Städten, teils
als Pensionshäuser in Badeorten; in
Verbindung mit Solbädern bestehen allein 18 derartige
Häuser und
Barackenanstalten
(Wildbad,
Jagstfeld,
Rothenfelde [61
Betten],
Nauheim,
Frankenhausen,
Elmen,
Oldesloe,
Kreuznach
[* 10] etc.).
In den meisten
dieser Anstalten haben die
Kinder ein geringes Verpflegungsgeld, in
Frankenhausen z. B. bei
Armutszeugnis 45 Mk. bei voller
Pension, zu zahlen und ein Gewisses an Kleidungsstücken mitzubringen.
Die Dauer des Aufenthalts ist sehr wechselnd und schwankt meist zwischen drei Wochen und mehreren Monaten. In den großen Seehospizen Italiens [* 11] und Englands ist die Dauer des Aufenthalts auf 45-80 Tage bemessen, so daß ein mindestens zweimaliger Turnus stattfindet. Den genannten Anstalten schließen sich die ländlichen Sanatorien oder Rekonvaleszentenhäuser an, welche den Kindern neben dem Aufenthalt in guter Luft auch den notwendigsten Schulunterricht gewähren.
Solcher Schulsanatorien existieren in Italien drei, eins bei Turin, [* 12] zwei bei Mailand; [* 13] in Belgien soll eine großartige Anstalt an den Ufern des Meers gleichzeitig 400 Kindern nebst Lehrern und Wartepersonal Aufnahme gewähren. Es sollen vom 1. Mai bis 1. Okt. jedes Jahrs 500 Kinder 4 Wochen, 1000: 14 Tage und 4000: 8 Tage sich daselbst aufhalten können, um die gute Luft zu genießen, Bäder zu nehmen und gleichzeitig im Freien Unterricht zu empfangen. In Deutschland haben wir ein Sanatorium zu Augustusbad bei Radeberg, eins zu Godesberg bei Bonn, [* 14] ferner das evangelische Johannesstift zu Plötzensee bei Berlin, [* 15] welches allerdings kaum als außerhalb der Stadt liegend anzusehen ist, und das Elisabethenhaus zu Marburg. [* 16]
Spät erst ist man darauf gekommen, die Seehospize Englands und Italiens bei uns einzuführen. »Seestationen« verschiedener Diakonissenhäuser bestehen in Norderney (1876 vom Henriettenstift, Hannover), [* 17] Großmüritz (1880 von Ludwigslust), Heringsdorf (von Bethanien, Berlin), Kolberg. [* 18] Seit 1880 besteht in Berlin ein Verein zur Errichtung von an den deutschen Seeküsten, welcher seither Heilstätten in Wyk auf Föhr, Norderney, Großmüritz, Zoppot begründete und noch weiter für möglichste Vermehrung derartiger Sanatorien wirken wird.
Vgl.
»Bericht über die Ergebnisse der Sommerpflege
(Ferienkolonien, Kinderheil
stätten) im Jahr
1885« (Berl. 1886);
Lammers, Öffentliche Kinderfürsorge (das. 1885). ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Kinderheil
stätten,
Heilstätten für arme schwächliche oder skrofulöse, durch ungenügende
Ernährung und ungesunde Wohnungsverhältnisse heruntergekommene Kinder, welche durch den allgemeinen Wohlthätigkeitssinn
auf dem Wege der Vereinsthätigkeit im Gebirge oder auf dem Lande, in Solbädern oder an den Seeküsten errichtet worden sind.
Wie auf fast allen Gebieten der Hygieine, ging England auch in der Gründung von Kinderheil
stätten allen übrigen Völkern
voran, indem es schon Ende des vorigen Jahrhunderts die ersten Anstalten für schwächliche und skrofulöfe Kinder zu Margate
an der Küste des Kanals errichtete.
Italien folgte 1845 mit der Anstalt für rhachitische und skrofulöse Kinder zu Turin sowie mit dem 1856 von Barellai errichteten
Ospizio marino in Viareggio bei Pisa, und seitdem sind auch in Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark, Deutschland,
Österreich und Nordamerika nach und nach zahlreiche Kinderheil
stätten errichtet worden. Man unterscheidet ländliche
Sanatorien, bei denen die kranken Kinder längere Zeit auf das Land gegeben werden, um gute Luft zu genießen und Milchkuren
zu gebrauchen, in Solbädern (Frankenhausen, Kosen, Sulza, Nauheim, Elmen, Rothenfelde, Oldesloe, Kreuznach
u. a.), in welchen skrofulöse Kinder mehrere Wochen oder Monate gegen ein geringes Verpflegungsgeld aufgenommen und mit Solbädern
behandelt werden, sowie Seehospize oder Seestationen, welche rhachitischen, skrofulösen und blutarmen Kindern den monatelangen
Genuß des Seeklimas und der Seebäder gewähren sollen. In Berlin besteht erst seit 1880 ein Verein zur
Errichtung von Kinderheil
stätten an den deutschen Seeküsten, welcher bisher derartige Heilstätten in Norderney,
Wyk auf Föhr, Westerland auf Sylt, Großmüritz und Zoppot begründete. Ein ähnlicher Verein zur Errichtung von Seehospizen
wurde von Montr und Albert in Wien
[* 19] gegründet, welcher bereits in St. Pelagio bei Rovigno das erste Seehospiz
für 100 Kinder erbaut und eröffnet hat.