Kieselmehl
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s. v. w. Kieselgur.
Kieselmehl
3 Wörter, 32 Zeichen
Kieselmehl,
s. v. w. Kieselgur.
(Kieselmehl, Bergmehl, Infusorienerde), im wesentlichen eine Anhäufung von Diatomeenpanzern, welche aus reiner Kieselsäure bestehen, bildet eine leichte, mehlartige, weiße, graue, bräunliche oder blaßgrüne Masse, fühlt sich mager, aber sanft an, knirscht zwischen den Zähnen, besitzt ein großes Wasseraufsaugungsvermögen, ist unschmelzbar, unverbrennlich und widersteht bei gewöhnlicher Temperatur den meisten Chemikalien. Kieselgur bildet oft beträchtliche Lager [* 3] im Schwemmland und Braunkohlengebirge, das größte Lager findet sich bei Hützel in der Lüneburger Heide, [* 4] sehr viel Kieselgur wird aber auch auf der Grube Oberhohe, nahe der Eisenbahnstation Unterlöß (unweit Celle), [* 5] gewonnen.
Die Kieselgur von Hützel ist weißlichgrau, weiß, schwarz, grün oder blau; sie wird nur an der Luft getrocknet und ist dann für viele Zwecke verwendbar, oft aber wird sie zunächst noch durch Schlämmen gereinigt. Außerdem findet sich Kieselgur am Vogelsberg in Hessen, [* 6] bei Jastraba in Ungarn, [* 7] Franzensbad in Böhmen, [* 8] in Toscana, Schweden, [* 9] Finnland, auch in der Weichselniederung und hier trichterförmig eingekeilt zwischen zwei Berghügeln als gelblichweiße, förmlich plastische Masse, welche sich leicht mittels eines Spatens ausstechen läßt. In 100 Teilen enthielten:
Weiße Kieselgur | Grüne Kieselgur | |
---|---|---|
aus der Lüneburger Heide | ||
Wasser und Verlust | 0.2 | 15.0 |
Organische Substanz | 0.2 | 15.0 |
Eisenoxydul | 1.0 | 2.6 |
Thonerde | 1.0 | 1.9 |
Kalk | 0.2 | 0.2 |
Magnesia | 0.3 | 0.4 |
Kieselerde | 97.3 | 79.8 |
Phosphorsäure | - | Spur |
Kieselgur dient zur Darstellung von Dynamit, in der Ultramarin-, Anilin- und Alizarinfabrikation, namentlich auch zur Darstellung von Wasserglas. Steinkitt, Zement, hydraulischer Mörtel, künstliche Steine werden häufig unter Mitbenutzung von Kieselgur hergestellt. Man benutzt sie zur Schnellfiltration, zum Entwässern von Niederschlägen, zu Feuchtigkeit absorbierenden Unterlagen und Bandagen, als Ersatz der Filterpressen, zur Darstellung billiger Farben, da sie sich wie Baumwolle [* 10] färben läßt.
In der Papierfabrikation [* 11] benutzt man als Füllmaterial, ebenso dient sie zur Darstellung von Siegellack, Guttapercha und Kautschukwaren, zu Feuerwerkskörpern, schwedischen Streichhölzern etc. Mit Karbolsäure getränkte Kieselgur stellt man als Desinfektionsmittel in Arbeits- und Krankenzimmern und zur Vertagung der Schimmelbildung in Kellern oder dumpfigen Räumen auf. Ebenso wird Kieselgur mit Brom getränkt (Bromum solidificatum). Sehr gute Dienste [* 12] leistet Kieselgur zum Putzen von Metall und Glas, [* 13] als Reinigungsmittel für fettige Gefäße und Maschinenteile.
Die Prager Putzsteine sind aus der Kieselgur der Weichselniederung hergestellt. Kieselgur findet auch Verwendung in der Porzellan-, Schmalte- und Papiermaché-Fabrikation, zu Fayenceglasuren, gegen Hausschwamm, als Füllungsmittel für Hauswände, Fußböden, Gewölbe, [* 14] feuerfeste Schränke, Eisspinde, sowohl um die Kälte als die Wärme [* 15] abzuhalten. Ferner dient Kieselgur zur Herstellung künstlicher Bimssteine und Schleifsteine, feuerfester Steine, leichter Ziegel und leichten Stucks, als Umhüllungsmaterial für Dampfleitungsröhren und Leitungskanäle für geschmolzenes Metall in Gießereien etc. In der Landwirtschaft wurden auf Moorboden mit Kieselgurdüngung sehr günstige Resultate erzielt, da die leicht lösliche Kieselsäure den Graswuchs ungemein befördert.
Auch der Gehalt mancher an phosphorsaurem Kalk wirkt sehr günstig. Zur Konsistentmachung von flüssigem Dünger hat Kieselgur ziemlich verbreitete Anwendung gefunden. Wolfs hat nachgewiesen, daß die in der Landwirtschaft berufen ist, einer Luxuskonsumtion von Phosphorsäure vorzubeugen. Nach Berzelius werden in Schweden jährlich Hunderte von Wagenladungen solcher Kieselgur (Bergmehl) als Brotmehl und zwar mehr aus Liebhaberei als aus Not von den Landleuten verbraucht; auch in Finnland wird nicht selten Bergmehl dem Brot [* 16] beigemengt. In Kriegszeiten (z. B. im Dreißigjährigen Krieg zu Kammin u. a. O. sowie noch 1719 und 1733 zu Wittenberg) [* 17] hat solches Bergmehl mehrfach zur Sättigung dienen müssen.