(griech.), nach uralter
Sage der Griechen ein roher, halb tierischer, in Wäldern und
Gebirgen wohnender thessalischer
Volksstamm, rauhhaarig, voll wilder
Begierde nach
Wein und
Frauen, wurde von den
Lapithen befehdet und aus
seinen Wäldern und
Bergen
[* 2] verdrängt.
Pindar läßt diese von
Göttern und
Menschen gemiedenen Ungetüme von
Ixion (s. d.) abstammen,
der den Kentauros, den Stammvater der Kentauren, mit einem der
Hera
[* 3] ähnlichen Wolkengebilde
(Nephele) zeugte. Auch nach Diodor waren
die KentaurenSöhne des
Ixion von derWolke und wurden auf dem
Pelion von
Nymphen erzogen, wo aus ihrem
Umgang mit
Stuten die noch wildern
Hippokentauren hervorgingen. Frühzeitig wurden sie als
Menschen bis zum
Nabel, von da abwärts
¶
mehr
als Pferde
[* 5] gedacht. SchonHomer erwähnte den durch ihre Trunkenheit und Lüsternheit entstandenen Kampf mit den Lapithen auf der
Hochzeit des Peirithoos (s. d.), der als der Kampf des zivilisierten Hellenentums gegen barbarische Unkultur aufgefaßt und
auch von andern Dichtern vielfach behandelt wurde, ebenso wie ihre Vertreibung vom Pelion, infolge deren
auch der weise Cheiron (s. d.) auswandern mußte. In der bildenden Kunst treten die Kentauren zuerst in einer noch unentwickelten
Zwitterbildung mit menschlichen Vorderbeinen, also in voller Menschengestalt, mit dem Anhängsel eines Pferdekörpers auf,
dann in der bekannten Form, welche auch die neuere Kunst beibehalten hat.
Beliebt waren Darstellungen des Heraklesabenteuers bei dem KentaurenPholos (s. d.), vor allem aber der
erwähnte Kampf mit den Lapithen, bei welchem Theseus Vorkämpfer der letztern war. Diese Szene (Kentauromachie) bildet den Lieblingsstoff
der Tempelfriese und -Metopen (Theseion, Parthenon), ist aber auch in Gemälden (von Mikon, Zeuxis, auf Vasen)
[* 6] gern behandelt
worden. Statuarisch gibt ihn wieder die von Alkamenes entworfene, aber von elischen Lokalmeistern ausgeführte
Westgiebelgruppe des Zeustempels zu Olympia.
Die spätere Kunst verwendet die Kentauren im Gefolge des aus Indien im Triumphzug kommenden Dionysos,
[* 7] als den Wagen des Gottes ziehend
und Nymphen oder Eroten auf dem Rücken tragend. In dieser Auffassung ist die nicht erhaltene Gruppe des
Arkesilaos zu denken. Wir besitzen aber noch zwei in schwarzem Marmor ausgeführte Kentaurenstatuen von Aristeas und Papias
aus Aphrodisias in Karien (gefunden in der VillaHadrians bei Tivoli, jetzt im KapitolinischenMuseum), eine Gruppe, welche mehrfach
im Altertum kopiert worden ist (Wiederholungen im Vatikan,
[* 8] in Paris
[* 9] etc.). Der ältere, schwermütig resigniert
ausschauende Kentaur ist gefesselt und trägt einen kleinen Liebesgott auf dem Rücken (s. Abbildung), während der jüngere
in übermütiger Laune ein Schnippchen schlägt. Es ist ein leicht verständlicher, epigrammatischer Gedanke, den die neuere
Kunst (Thorwaldsen) in ähnlichen Darstellungen wieder aufgenommen hat. Was die Etymologie anlangt, so hat
der Name Kentauros, der oft als »Stierjäger« gedeutet wurde, mit dem »Stier« (tauros) höchst wahrscheinlich nichts zu thun,
sondern entspricht den indischen Gandharven, wieKuhn (»Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung«, Bd.
1) erkannt hat. Von Roscher (»Jahrbücher für Philologie«, 1872 u. 1874) werden die als Personifikationen wilder, von Waldgebirgen
niederströmender Bäche, von E. H. Meyer (»Indogermanische Mythen« I: Gandharven-Kentauren, Berl. 1883) als Winddämonen
gefaßt.
heißen in der griech. Mythologie Dämonen, die man sich in den Waldgebirgen Thessaliens und Arkadiens wohnhaft
dachte. Nach Pindar zeugte Ixion mit der Nephele (der Regenwolke) den Kentauros und letzterer mit magnesischen Stuten auf dem
Pelion die Kentauren (Hippokentauren). So entstand die eigentümliche Mischgestalt der aus Roß- und Menschenleib
zusammengesetzten und zwar wurden sie von der ältern Kunst (z. B. nach Pausanias auf der Lade des Kypselos) mit vollständigem
Menschenleibe (also mit menschlichen Vorderfüßen), dem hinten ein Roßleib angesetzt ist, dargestellt, während von der
entwickelten und spätern Kunst die ursprünglich menschlichen Vorderfüße auch in Pferdebeine verwandelt
werden.
Besonders berühmt waren die bildlich sehr oft dargestellten Kämpfe der Kentauren erstens mit den Lapithen (s. d.)
unter Führung des Peirithoos und Theseus in Thessalien, zweitens mit Herakles
[* 11] und Atalante in Arkadien. Später wurden die Kentauren wegen
ihrer Trunksucht oft als Begleiter des Dionysos (Bakchos) oder wegen ihrer Verliebtheit von Eros, dem Liebesgott,
der oft auf einem Kentauren reitet, gebändigt dargestellt (Statuen im Louvre zu Paris und im Kapitolinischen Museum in Rom).
[* 12]
Was den Charakter der Kentauren betrifft, so hat man zwei Klassen zu unterscheiden. In die ersteKlasse gehören
Cheiron (s. d.) und Pholos (s. d.), denen beiden ein milder, gastlicher, menschenfreundlicher Sinn eigen ist, daher sie auch
eine andere Genealogie haben als die übrigen Kentauren. Diese dachte man sich als wilde, verderbliche Gebirgsdämonen,
Felssteine und ausgerissene Bäume schleudernd, trunksüchtig, streitlustig, lärmend, rohes Fleisch essend, räuberisch,
nach Weibern lüstern, übermütig und gesetzlos dahinlebend.
Alle diese Charakterzüge deuten auf Dämonen der verheerenden Gieß- oder Wildbäche Thessaliens und Arkadiens. Die Roßgestalt
der Kentauren erklärt sich aus dem Vergleich solcher Wildbäche mit Rossen, der sich schon bei Homer findet. Unter den aus dem Altertum
erhaltenen Kunstdarstellungen der Kentauren sind hervorzuheben die Metopen
[* 13] vom athenischen Parthenon und Theseion,
der Fries vom Apollontempel zu Bassä
[* 14] und die eine Giebelgruppe vom Zeustempel in Olympia. Ein schönes Wandgemälde, das
den Empfang der in dem Palaste des Peirithoos darstellt, wurde in Pompeji
[* 15] ausgegraben. –