Kanzler
(lat. Cancellarius, franz.
Chancelier, engl. Chancellor), derjenige Beamte, welcher die
Ausfertigung der Staatsurkunden
zu besorgen hat. Die Kanzler
würde war anfänglich eine der höchsten in den europäischen
Reichen, welche regelmäßig mit
Geistlichen besetzt wurde, da diese fast allein im
Besitz litterarischer Kenntnisse waren. In
Deutschland
[* 2] führte der
Erzbischof
und
Kurfürst von
Mainz
[* 3] den
Titel
Erzkanzler des heiligen römischen
Reichs deutscher
Nation.
Der von ihm ernannte Vizekanzler
war der eigentliche Reichsminister und mußte stets um den
Kaiser sein. Auch die
Kaiserin hatte
ihren
Erzkanzler,
den
Abt zu
Fulda.
[* 4] Der
Erzbischof von
Köln
[* 5] führte den
Titel eines
Erzkanzlers in
Italien,
[* 6] der von
Trier
[* 7] war
Erzkanzler in
Burgund. In
Frankreich wurde der Kanzler
aus dem
Stande der Rechtsgelehrten genommen; er war der oberste Staatsbeamte
und wurde lebenslänglich ernannt. Da dies jedoch zu Unzuträglichkeiten führen konnte, wurde neben ihm noch ein
Siegelbewahrer
(Garde des sceaux) ernannt, welcher der eigentliche Justizminister war. In
England ist der
Großkanzler
oder
Lord-Kanzler
(Lord
High Chancellor) der erste Staatsbeamte,
Präsident oder Sprecher des
Oberhauses,
Chef der
Reichskanzlei,
Justizminister und Vorsitzender des indem obersten
Gerichtshof bestehenden Appellationsgerichts
(Court of appeal).
Außerdem hat
man in
England noch einen Kanzler
des Herzogtums
Lancaster und einen Kanzler
des
Lehnshofs und der Finanzkammer (Chancellor
of the
Exchequer); letzterer ist der Finanzminister von
England.
Irland hat wieder seinen besondern
Reichskanzler.
In
Deutschland wurden seit dem 15. Jahrh. auch die
Präsidenten der obersten
Gerichtshöfe Kanzler
genannt. In
Preußen
[* 8] errichtete
König
Friedrich II. 1746 die
Würde eines
Großkanzlers, der an der
Spitze der
Justiz stand. Der erste
Träger
[* 9] dieser
Würde war der um das preußische Justizwesen sehr verdiente
Samuel v.
Cocceji; später wurde der
Fürst von
Hardenberg zum Staatskanzler
ernannt, nach dessen
Tod aber diese
Stelle nicht wieder besetzt.
Nach der
Verfassung des nunmehrigen
Deutschen
Reichs steht an der
Spitze der Reichsverwaltung der
Reichskanzler (s. d.), welcher
den Vorsitz im
Bundesrat führt und vom
Kaiser ernannt wird. In
Österreich
[* 10] führte eine Zeitlang
Graf
Beust
den
Titel
»Reichskanzler«; außerdem wurden wiederholt
Ministerpräsidenten zu Staatskanzlern
ernannt. In der
Schweiz
[* 11] ist der
Bundeskanzler der Vorstand der
Bundeskanzlei (s.
Kanzlei). Auch die Büreauchefs der
Konsuln führen zuweilen den
Titel Kanzler;
so
ist z. B. dem
Gouverneur von
Camerun
[* 12] ein Kanzler beigegeben.
Endlich kommt die Bezeichnung als bloßer
Titel vor.
So gehört z. B. der »Kanzler im
Königreich
Preußen« zu den vier großen
Landesämtern des
Königreichs
Preußen und zu den erblichen
Mitgliedern des preußischen
Herrenhauses. Auch führt bei manchen
Universitäten der
Kurator den
Titel Kanzler.