Kaiser
(lat.
Caesar), seit C.
Julius Cäsar
Octavianus
Titel des Beherrschers des römischen
Reichs, entstanden aus dem
römischen Familiennamen
»Cäsar«, welcher zu einer Bezeichnung der höchsten
Würde des
Inhabers der
Staatsgewalt wurde.
Daneben waren die
Titel
Augustus und
Imperator gebräuchlich. Seit
Hadrian führte auch der Thronfolger den
Titel
Cäsar; auch
kam es vor, daß dem eigentlichen
Imperator
Cäsaren als Mitregenten zur Seite traten. Die römische Kaiser
gewalt war eine
unumschränkte Herrschergewalt, ohne an und für sich erblich zu sein; vielmehr wurde sie formell durch
einen Senatsbeschluß
(Lex regia) dem jeweiligen Kaiser
übertragen.
Seit der
Teilung des
Reichs durch
Theodosius d. Gr. (395
n. Chr.) wurde zwischen ost- und weströmischem
Reich unterschieden,
indem von dessen beiden
Söhnen
Arcadius Kaiser
des
Ostens und
Honorius Kaiser
des
Westens wurde. Nach dem
Sturz des weströmischen
Reichs
durch germanische
Völkerschaften unter
Odoaker (476) betrachteten sich die oströmischen als die alleinigen
Träger
[* 2] der römischen Weltmonarchie, deren
Gedanke unter dem Kaiser
Justinian (527-565) noch einmal der Verwirklichung nahegeführt
ward.
In der Folgezeit wurde die weströmische Kaiser
würde auf die fränkischen
Könige
übertragen, indem die römischen
Bischöfe,
welche bei den oströmischen Kaisern
den nötigen
Schutz nicht mehr zu finden hofften, den Frankenkönigen
die Schutzherrschaft (Patriziat) über
Rom und
[* 3] über die römische
Kirche übertrugen.
Papst
Leo III. krönte schließlich 25. Dez. 800
Karl
d. Gr. in aller Form zum römischen Kaiser.
Gleichwohl war dies Kaisertum von durchaus
germanischem
Charakter.
Das »heilige
römische Reich deutscher
Nation« nahm die
Idee der römischen
Universalmonarchie in dem
Sinn
wieder auf, daß der Kaiser
das weltliche Oberhaupt der gesamten
Christenheit sein und als solches die höchste Schutzgewalt über
die römische
Kirche ausüben sollte. Unter Kaiser
Otto I. aus dem sächsischen
Haus wurde die Kaiser
würde dauernd mit derjenigen
des deutschen
Königs verbunden (962). Dies
abendländische Kaisertum stand unter Kaiser
Heinrich III. aus dem
salischen (fränkischen)
Haus auf dem Höhepunkt der Macht, als mit
Deutschland
[* 4] die
Königreiche
Burgund und
Italien
[* 5] vereinigt
waren und der römische
Papst sich der kaiser
lichen Macht unterzuordnen hatte.
Aber schon unter dem Nachfolger jenes Kaisers, welcher im Papst Gregor VII. den gefährlichsten Gegner und den gewaltigsten Vorkämpfer der päpstlichen Prärogative fand, trat der Umschwung zum Nachteil der ein. Anstatt den Schwer- und Stützpunkt ihrer Machtfülle in Deutschland zu suchen, opferten sie auf ihren Römerzügen und in den Kämpfen mit dem Papsttum ihre besten Kräfte, während daheim Macht und Ansehen derselben mehr und mehr sanken. Um so mehr erstarkte die Macht der deutschen Fürsten und Territorialherren, welche sich schließlich zu einer wirklichen Landeshoheit umgestaltete.
Seit Maximilian I. (1508) führten die deutschen Könige den Kaisertitel auch ohne Krönung durch den Papst. Karl V. war der letzte Kaiser, welcher (1530) vom Papst, aber nicht in Rom, sondern in Bologna, gekrönt worden ist. Seitdem das Kaisertum unter den Hohenstaufen dem Papsttum unterlegen, war das entscheidende Moment für das Ansehen der Kaiser lediglich ihre Hausmacht. Daß das Reich ein Wahlreich sei, war in der Goldenen Bulle Karls IV. (1356) ausdrücklich anerkannt, wenn auch thatsächlich in den letzten Jahrhunderten des Reichs die Kaiserkrone mit der österreichischen Monarchie verbunden blieb. Die Wahl erfolgte durch die Kurfürsten, und zwar sollte der Kurfürst und Erzbischof von Mainz [* 6] innerhalb eines Monats nach dem Ableben des bisherigen Kaisers die Wahl nach Frankfurt [* 7] a. M. ausschreiben. Noch vor der Krönung hatte der Kaiser die Wahlkapitulation zu beschwören, d. h. ein Staatsgrundgesetz, welches die Bedingungen der Wahl und ¶
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die Beschränkungen der kaiserlichen Regierungsgewalt enthielt und zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten vereinbart wurde. Die Krönung erfolgte in der letzten Zeit regelmäßig in Frankfurt a. M. Seit Ferdinand I. fand nur eine einmalige Krönung statt, während der Kaiser früher in Aachen [* 9] zum deutschen König, in Pavia, Mailand [* 10] oder Monza zum König von Italien und in Rom zum Kaiser gekrönt worden war. Seit Maximilian I. war die offizielle Titulatur: »Von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, König in Germanien«. [* 11] In den spätern Zeiten wurde in dem »römischen König« (Rex Romanorum) bei Lebzeiten des Kaisers dessen Nachfolger erwählt, welcher zugleich in Verhinderungsfällen als Reichsverweser fungierte. Das kaiserliche Wappen [* 12] war ein zweiköpfiger schwarzer Adler [* 13] mit dem Hauswappen des Kaisers auf der Brust; die Reichsfarben waren Schwarz und Gelb (Gold). [* 14]
Nach der Gründung des Rheinbundes legte Kaiser. Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder, nachdem er schon 1804 für seine österreichischen Erblande den Kaisertitel als Franz I. angenommen hatte, dem Beispiel Napoleons folgend, der sich damals den Titel eines Kaisers der Franzosen beilegte. Nach der Gründung des Deutschen Bundes ist 1848 und 1849 ein Anlauf [* 15] zur Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde genommen worden. Aber König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die Annahme der Kaiserwürde ab, welche ihm die Frankfurter Nationalversammlung anbot.
Die Siege von 1866 und 1870 führten zu der Wiederherstellung des Deutschen Reichs und der Würde eines deutschen Kaisers. Die Proklamierung des letztern erfolgte zu Versailles. [* 16] Dem Kaiser steht das Präsidium des Bundes zu, welcher die Bezeichnung »Deutsches Reich« führt. Dieses Reich, ein Gesamtreich oder Bundesstaat, setzt sich aus den verbündeten deutschen Einzelstaaten zusammen. Der Kaiser ist also nicht der Monarch des Reichs, sondern die verbündeten Regierungen sind die eigentlichen Träger der Regierungsgewalt.
Die Kaiserwürde ist jedoch erblich mit der Krone Preußen [* 17] verbunden, und der König von Preußen nimmt unter den verbündeten Fürsten, ausgestattet mit wichtigen Vorrechten, die erste Stelle ein. Ihm steht die Vollzugsgewalt im Reich zu, welche er »im Namen des Reichs« und »im Namen der verbündeten Regierungen« ausübt. Der Kaiser ist der oberste Kriegsherr. Seine Regierungsrechte sind durch die Reichsverfassung und durch die Reichsgesetzgebung bestimmt (s. Deutschland, S. 836 ff.; das kaiserl. Wappen, das. S. 846).
Nach dem Sturz des oströmischen Kaiserreichs ward der Kaisertitel auch vom Sultan angenommen (1453); aber erst im Frieden von Passarowitz (1718) erkannte der deutsche Kaiser den gleichen Rang desselben an. Der russische Zar führt seit 1721 den Titel »Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen«. Napoleon III. nahm als Wiederhersteller des französischen Kaiserreichs (Second empire) den Kaisertitel an. Seit 1876 führt die Königin von England als Nebentitel das Prädikat »Kaiserin von Indien« (Empress of India).
Außerdem kommt der Kaisertitel noch in Birma, Brasilien, [* 18] China, [* 19] Fes und Marokko, [* 20] Japan und Siam vor. Zeitweilig gab es auch in Haïti [* 21] und Mexiko [* 22] Kaiser.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts Ficker, Das deutsche Kaiserreich in seinen universellen und nationalen Beziehungen (Innsbr. 1861);
Derselbe, Deutsches Königtum und Kaisertum (das. 1862);
v. Held, Das Kaisertum als Rechtsbegriff (Würzb. 1879);
weitere Litteratur bei Deutschland, Geschichte, S. 910 ff.