Titel
Kärnten
(hierzu
Karte »Kärnten«
),
[* 2]
österreich. Kronland, grenzt nördlich an das Herzogtum
Salzburg
[* 3] und an
Steiermark,
[* 4] östlich an
Steiermark, südlich an
Krain,
[* 5] die
Grafschaft
Görz
[* 6] und an
Friaul, westlich an
Tirol
[* 7] und hat einen
Flächengehalt von 10,328 qkm (187,6 QM.). Kärnten
ist
größtenteils Gebirgsland mit langgestreckten, durch hohe Gebirgszüge abgegrenzten
Thälern, welche sich nur im Innern zu
größern
Ebenen erweitern. Das Drauthal durchzieht das Land in seiner größten
Länge von W. nach O. und scheidet
die
Gebirge desselben in zwei große
Gruppen, von denen die nördlich gelegene den Zentralalpen, die südliche den südlichen
Kalkalpen angehört.
Die erstere umfaßt im W. die zur hohen Tauernkette gehörigen Gruppen des Großglockner (3796 m hoch), des Hochnarr (3259 m), des Ankogel (3253 m) und des Hafnerspitz (3093 m), des letzten Gletschers der Mittelalpen, im O. einen Teil der Kärntnisch-Steirischen Alpen [* 8] mit dem Königsstuhl (2489 m); im O. folgen, durch tiefe Senken getrennt, die Gruppen der Saualpe (2073 m) und Koralpe (2137 m). Auf Seitenästen und im Innern des Landes erheben sich das Petzeck (3277 m) und die Kreuzeckgruppe (3510 m). Die Gebirge im S. heißen an der venezianischen Grenze die Karnischen Alpen (s. d.), mit der Vorkette der Gailthaler Alpen, an der Grenze von Krain die Karawanken (s. d.). Diese südlichen Gebirgsketten enthalten Gipfel von 2000-2700 m Höhe.
Hier sind als fahrbare Übergänge zu bemerken: der Pontafelpaß (784 m), der Predil (1165 m hoch), die Übergänge von Weißenfels [* 9] und Wurzen [* 10] (1044 m), der Loiblpaß (1355 m), der Seeberg (1205 m). Die Saumwege über die Tauern sind das Hochthor, der Naßfeldtauern (2202 m) und die Arlscharte. Über den Katschberg (1604 m) führt eine gebahnte Straße. Die Ebenen (Zollfeld, Krapffeld, Lurnfeld) sind nur klein, die Thäler nur selten bedeutend erweitert (Lavantthal, Rosenthal, Jaunthal).
Der bedeutendste Fluß ist die Drau, welche von Oberdrauburg bis Unterdrauburg (163 km) das Land durchfließt und zum Flößen benutzt wird. Die meisten Zuflüsse erhält sie auf der linken Seite: die Möll (vom Großglockner), die Lieser, die Gurk mit der Glan, die Lavant;
auf der rechten die Gail.
Unter den
Seen gilt der
Millstätter
See für den schönsten;
der
Wörther See wird von
Dampfern befahren; außerdem sind der
Ossiacher, der
Weißen- und der Faaker
See zu bemerken.
Alle liegen
in Längenthälern, was sie vor den übrigen Alpenseen auszeichnet. Unter den
Mineralquellen sind bekannt
die
Sauerbrunnen von Vellach, südlich von
Kappel, St.
Leonhard und Preblau im Lavantthal, das Warmbad bei
Villach u. a. Kärnten
ist
ein eigentliches Alpenland und hat im N. und
NW. ein ziemlich rauhes
Klima.
[* 11] Unterkärnten
(d. h. der östliche und südöstliche
Teil) ist milder; am wärmsten ist das Lavantthal, wo selbst feinere Obstsorten gedeihen. Die mittlere
Temperatur in
Klagenfurt
[* 12] beträgt 7,5° C., die mittlere
Temperatur des Juli erhebt sich bis 18,8° C., die des
Januar sinkt
auf -6,0° C. Der
Niederschlag ist bedeutend (99
cm), die mittlere Zahl der
Gewitter 25.
Die
Bevölkerung
[* 13] von Kärnten
belief sich im Jahr 1869 auf 337,694, im Jahr 1880 auf 348,730 Einw.,
zeigt demnach eine sehr langsame Zunahme (jährlich 0,29 Proz.). Auf 1 qkm
kommen nur 34 Einw. Der
Nationalität nach ist die
Bevölkerung von Kärnten
, mit Ausnahme von 30 Proz.
Slowenen (in den an
Krain angrenzenden
Bezirken), deutsch; der
Konfession nach, mit Ausnahme von 17,522
Protestanten (gegen Ende des 16. Jahrh.
waren 19/20 der Einwohner evangelisch!), römisch-katholisch; das Land bildet die zum Erzbistum
Salzburg gehörige
Diözese
Gurk, mit dem Bischofsitz in
Klagenfurt.
Die
Evangelischen sind in zwei
Seniorate (diesseit und jenseit der
Drau) geteilt und stehen unter der Superintendenz zu
Wien.
[* 14] Die deutschen Bewohner Kärntens
gleichen fast in allen Beziehungen den Steiermärkern und kleiden sich
auch ziemlich wie diese. Die
Slowenen sind fromm, mäßig, enthaltsam, aber unreinlich, träge, abergläubisch und wenig gastfreundlich.
In den letzten
Jahren waren 46 Proz. der neugebornen
Kinder uneheliche, weit mehr als in irgend einem andern Kronland.
In den verschlossenen Alpenthälern sind auch hier
Kretins nicht selten und
Kröpfe sehr gewöhnlich. Von der
Gesamtfläche des
Landes sind 91 Proz. produktiver
Boden; doch entfallen davon nur 15 Proz. auf das Ackerland, während die
Waldungen 48½ Proz., die
Wiesen und
Gärten 11½ Proz., die Hutweiden und
Alpen 24½ Proz. einnehmen. Kärnten
besitzt
daher zu wenig Ackerland, um seinen
Bedarf an
Getreide
[* 15] zu decken; überdies ist auch der
Ertrag (gegen 2 Mill.
hl, hauptsächlich
Hafer
[* 16] und
Roggen) verhältnismäßig nicht bedeutend.
In den
Thälern und an den Bergabhängen ist die Wiesenkultur vorherrschend,
daher auch die
Viehzucht,
[* 17] ohnehin durch schöne Alpenweiden begünstigt, ziemlich bedeutend. Man zählte 1880 gegen
25,000
Pferde,
[* 18] 258,000
Stück
Rindvieh, 168,000
Schafe,
[* 19] 105,000
Schweine
[* 20] und 30,000
Ziegen.
Sehr wichtig ist der
Bergbau
[* 21] und die darauf sich gründende Metallindustrie; in keinem
Lande der
Monarchie leben davon verhältnismäßig
so viel Bewohner als in Kärnten.
Das Land liefert namentlich ausgezeichnetes
Eisenerz, woraus 1885 in 10 Hochöfen
der Österreichisch-alpinen Montangesellschaft 422,000 metr. Ztr.
Roheisen gewonnen wurden, und vorzügliches
Blei
[* 22] (1885: 52,000 metr. Ztr.); außerdem Zinkerz (88,200 metr.
Ztr.), welches aber nicht im Land verhüttet wird, und
Braunkohle (828,000 metr. Ztr.). Der
Wert der
Bergbau- und Hüttenprodukte
belief sich 1885 auf 3,052,000
Gulden. Die
Industrie Kärntens
erstreckt sich zumeist auf die Verarbeitung
der gewonnenen
Metalle, vor allen des
Eisens zu
¶
mehr
Puddelstahl und Gärbstahl (welch letzterer einen Weltruf genießt und unter verschiedenen Bezeichnungen, gewöhnlich als »Brescianer Stahl«, bis nach der Türkei [* 24] und nach überseeischen Ländern abgesetzt wird), in neuerer Zeit auch zu Bessemerstahl (250,000 metr. Ztr.), dann zu Gußwaren, Schwarz- und Kesselblech, Draht, [* 25] Drahtseilen und Drahtstiften, Eisenbahnschienen und anderm Eisenbahnmaterial, Maschinen, Sensen und Waffen. [* 26] Die Hauptsitze der Eisenindustrie sind Prävali, Buchscheiden, Lippitzbach, Heft u. a. Die Waffenfabrikation insbesondere konzentriert sich in Ferlach, wo jährlich 12,000 Stück Jagdgewehre nebst Pistolen [* 27] und andern Waffen gefertigt werden.
Auch das gewonnene Blei wird zu mannigfachen Fabrikaten, als vorzüglichem Bleiweiß, [* 28] dann Blech, Röhren, [* 29] Schrot, Mennige etc., verarbeitet. Neben der Metallwarenindustrie ist noch die Fabrikation von feinem Tuch zu Viktring, die Lederwarenfabrikation zu Klagenfurt, die Zementfabrikation (6 Fabriken), endlich die Holzstofffabrikation (für Papierfabriken) und sonstige Holzverarbeitung zu nennen. Das Land bildet seiner Lage wegen das Verbindungsglied zwischen dem mittlern Donaugebiet und Italien [* 30] und besitzt in den Städten Klagenfurt und Villach Mittelpunkt seines Verkehrs, der sich neuerdings infolge der Eisenbahnen, die das Land von O. nach W. und von N. nach S. durchschneiden, und infolge der direkten Verbindung mit Italien durch die Pontebbabahn bedeutend gehoben hat. Es exportiert Erzeugnisse der Montanindustrie, Holz [* 31] und Rindvieh; dagegen führt es Nahrungsmittel, [* 32] Manufakte und gewerbliche Hilfsstoffe ein.
In den letzten Jahren ist der Fremdenverkehr in Kärnten
erheblich gewachsen; die Gebirge bieten zahlreiche Anziehungspunkte für
Touristen, und die Ufer der Seen sind als Sommeraufenthalt sehr beliebt. Für die geistige Bildung sorgen über 350 Volksschulen,
die von 94 Proz. der schulpflichtigen Jugend besucht werden, die Obergymnasien in Klagenfurt und Villach,
das Untergymnasium in St. Paul, die Oberrealschule, die Lehrerbildungsanstalt, die mechanisch-technische Lehrwerkstätte und
die Bibliothek in Klagenfurt, die Fachschulen für Gewehrindustrie in Ferlach, für Holzindustrie in Villach und Wolfsberg.
In politischer Beziehung zerfällt das Herzogtum in den Stadtbezirk Klagenfurt und 7 Bezirkshauptmannschaften, die unter der k. k. Landesregierung stehen. Areal und Bevölkerung derselben sind aus nachfolgender Tabelle zu ersehen:
Politische Bezirke | Areal | Bevölkerung | |
---|---|---|---|
QKilom. | QMeil. | 1880 | |
Stadt Klagenfurt | 5 | 0.1 | 18747 |
Bezirkshauptmannschaften | |||
Hermagor | 825 | 15.0 | 18248 |
Klagenfurt | 1480 | 26.9 | 61282 |
St. Veit | 1487 | 27.0 | 52210 |
Spittal | 2767 | 50.3 | 45463 |
Villach | 1446 | 26.2 | 58409 |
Völkermarkt | 1318 | 23.9 | 53506 |
Wolfsberg | 1000 | 18.2 | 40865 |
Zusammen: | 10328 | 187.6 | 348730 |
Der Sitz der Landesregierung sowie des Landesgerichts, der Finanzdirektion, der Berghauptmannschaft, der Handelskammer und des
Landtags ist Klagenfurt. Letzterer besteht aus 37 Mitgliedern: dem Fürstbischof von Gurk, 10 Abgeordneten des großen Grundbesitzes, 9 der
Städte und Märkte, 3 der Klagenfurter Handelskammer, 14 der Landgemeinden. In das Haus der Abgeordneten des
Reichsrats sendet Kärnten
9 Vertreter. Als Gerichtshof erster Instanz, dann als Handels- und Berggericht fungiert das Landesgericht
zu Klagenfurt, welchem 28 Bezirksgerichte unterstehen; in zweiter Instanz entscheidet das Oberlandesgericht zu Graz.
[* 33] Das kärntnerische
Wappen
[* 34] (s. Tafel »Österreich.-ungarische
Länderwappen«)
[* 35] ist ein gespaltener Schild,
[* 36] links ein silberner Querbalken im roten Feld, rechts drei schwarze Löwen
[* 37] im goldenen
Feld.
Geschichte.
Kärntens
Name ist dem keltischen Volsstamm ^[richtig: Volksstamm] der Karner (s. d.) entlehnt. Anfangs zu Noricum und seit
der Zeit des Augustus zum Römerreich gehörig, wurde das Land nach dem Aufhören der Römerherrschaft
über die Länder im Süden der Donau von Slawen besetzt. Da jedoch die korutanischen Slawen meist von Salzburg aus zum Christentum
bekehrt wurden und die bayrischen Herzöge immer mehr Einfluß daselbst erzwangen, so wurde um 772 Karantonien dem bayrischen
Dukat einverleibt und kam bei dem Fall Thassilos II. unter die fränkische Herrschaft Karls d. Gr. Im J. 843 blieb
Kärnten
mit Bayern
[* 38] bei Ludwig dem Deutschen, dessen Sohn Karlmann seinen natürlichen Sohn, den spätern Kaiser Arnulf, zum Herzog von
Kärnten
ernannte.
Unter letzterm und Ludwig dem Kinde war Kärnten
wieder mit Bayern vereinigt, gelangte unter die Amtsgewalt Liutpolds
von Scheyern und teilte dann die Geschicke Bayerns, bis es 976 von Kaiser Otto II., durch die Markgrafschaft Istrien und fast ganz
Friaul vergrößert, als ein besonderes Herzogtum Heinrich dem jüngern, einem Neffen des bayrischen Herzogs Arnulf, verliehen
wurde, der es aber 978 verlor, 983 wieder erwarb. Nach dessen Tod (989) kam Kärnten
für eine kurze Zeit wieder
an Bayern zurück, von welchem es 995 für immer getrennt wurde.
Dann kam es in den Besitz des herzoglichen Geschlechts von Rheinfranken, 1011-1035 in die Hand [* 39] der Eppensteiner Grafen von Mürzthal, und nach dem Zurücktritt des Herzogs Konrad II., des jüngern (1039), ließ es Kaiser Konrad II. unbesetzt. Kaiser Heinrich III. verlieh Kärnten 1047 dem Grafen Welf von Altorf, und Heinrichs IV. Mutter Agnes darauf dem Grafen Berthold von Zähringen, dessen Nachkommen seitdem den Titel Herzöge von Kärnten führten, obwohl schon 1073 Berthold des Herzogtums verlustig wurde. 1073-1122 hatten die Eppensteiner, 1122-1269 die Sponheim-Lavantthaler den Herzogsstuhl inne.
Als der letzte derselben, Ulrich III., starb (1269), fiel das Land zufolge eines Erbvertrags an seinen Vetter, den König Ottokar II. von Böhmen. [* 40] Schon infolge des Wiener Friedens mit Ottokar (1276) nahm König Rudolf von Habsburg Kärnten und Krain nebst Österreich [* 41] und Steiermark in Besitz und zog erstere beiden Länder als erledigte Lehen ein. Den Grafen Meinhard von Görz-Tirol, welcher die Verwaltung Kärntens und Krains in Händen hatte, belehnte er 1286 für seine Treue im Kampf gegen Ottokar von Böhmen mit dem Herzogtum Kärnten. Als nun dessen Nachkommen in männlicher Linie 1335 ausstarben, erbte die Tochter des letzten Grafen, Margarete Maultasch, Tirol; Kärnten aber ward vom Kaiser Ludwig dem Bayern den Herzögen Albert und Otto von Österreich und Steiermark verliehen. Seitdem ist es bei Österreich verblieben und bildete seit 1412 einen Bestandteil der sogen. »innerösterreichischen« Ländergruppe. 1809 kam Kärnten teilweise (der Villacher Kreis) [* 42] infolge des Friedens von Schönbrunn an Frankreich und bildete einen Teil der illyrischen Provinzen; 1814 fiel es indes wieder an Österreich zurück. Seit 1816 gehörte es als Klagenfurter und Villacher Kreis zum Gubernium Laibach [* 43] des Königreichs ¶
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Illyrien, und 1849 ward es als eignes Kronland organisiert.
Vgl. Ankershofen, Handbuch der Geschichte des Herzogtums Kärnten (Klagenf. 1842-74, 4 Bde.);
Älschker, Geschichte Kärntens (das. 1882-85);
Derselbe, Heimatskunde von Kärnten (mit Palla, [* 45] das. 1886);
»Spezialortsrepertorium von Kärnten« (hrsg. von der statistischen Zentralkommission, Wien 1884);
Hock, Statistisches Handbuch für Kärnten (Klagenf. 1886 ff.);
v. Radics, Ins Kärnten, Kultur- und Reisebilder (Wien 1882);
Frischauf, Gebirgsführer durch Steiermark und Kärnten (Graz 1873);
Amthor und Jabornegg, Kärntner Führer (Gera [* 46] 1874);
Rabl, Illustrierter Führer durch Kärnten (Wien 1884);
»Meyers Reisebücher: Deutsche [* 47] Alpen III« (Leipz. 1887).