Juragewäss
erkorrektion,
eine technische Leistung neuester Zeit, welche sich die Aufgabe gestellt hat, die zwischen dem Neuenburger, Bieler und Murtner See, der Broye, Zihl (Thièle) und Aare ausgebreitete Ebene des Berner Seelandes zu entsumpfen. Noch zur Römerzeit ein fruchtbares Gebiet, muß das Gelände, wahrscheinlich durch die Wirkung des von der Emme in die Aare vorgeschobenen Schuttkegels, versumpft, vielleicht eine Zeitlang zum förmlichen See geworden sein.
Ein Durchbruch, welcher (unbekannt wann) im Aaredamm bei Solothurn
[* 2] entstand, genügte zwar, den seichten Landsee abzulassen; aber die
andauernde Geschiebeablagerung und die fortschreitende Torfbildung wirkten zusammen, um mehr und mehr das ganze Gebiet zu
gefährden. Das Übel hatte seine
Ursache sowohl in der
Aare, namentlich in deren Zuflüssen
Saane und
Sense,
als in den eigentlichen »Juragewässern«
. Erstere, welche als
Rinnsale eines bedeutenden Berggebiets direkt, ohne sich in
Seebecken zu läutern, in das
Flachland hinausstürzen, veranlaßten von
Aarberg abwärts umfangreiche
Überschwemmungen, so
daß infolge der Geschiebeablagerung ein sehr unregelmäßiges, für die Anwohner immer gefährlicher
werdendes Flußbett sich bildete.
Anderseits führten die Juraflüsse Orbe und Broye bei Hochwasser dem Neuenburger und Murtensee viel mehr Wasser zu, als die Abflüsse, die untere Broye und die mittlere Zihl, zu fassen vermochten; ebensowenig reichte der Abfluß des Bieler Sees, die untere Zihl, für die Wassermasse aus. Wenn also schon bei gewöhnlichem Wasserstand die anliegenden Ebenen als versumpfte Flächen erschienen, so setzten 1-2 m Steigung das Land stundenweit unter Wasser. Die Hochwasser der Flüsse [* 3] bedrohten über 2000 Hektar Land mit Verheerung, und die Wasserstände der Seen veranlaßten die Versumpfung von gegen 16,000 Hektar.
Die Anstrengungen, das Übel zu beseitigen, datieren von 1670 an; doch abgesehen von dem 2,2 km langen Kanal, [* 4] durch welchen 1824 die Suze in den Bieler See geleitet wurde, blieb es bei Projekten. Erst 1842 trat La Nicca, Oberingenieur des Kantons Graubünden, mit dem Plan hervor, durch einen Kanal Aarberg-Hagneck die Aare in den Bieler See zu führen, dem vereinigten Abfluß Aare-Zihl einen neuen und erweiterten Kanal bis Büren zu geben und im Sinn früherer Vorschläge auch die untere Broye und die mittlere Zihl zu korrigieren. Er rechnete auf eine Seesenkung von 2,9 m für den niedrigsten und 0,7 m für den höchsten Wasserstand.
Als nach den politischen Wirren der Jahre 1843-45 Bern [* 5] die Frage wieder aufnahm (1847), ergab eine Vermessung des Inundationsgebiets ein Areal von 24,488,6 Hektar beteiligten oder zu gewinnenden Bodens. Nachdem 1867 die beteiligten Kantone endlich eine Subvention zugesagt hatten, begann der Bund die Korrektion nach La Niccas Plan, der jedoch dahin abgeändert war, daß, um allzu große Schwankungen im Wasserstand des Bieler Sees zu vermeiden, von Aarberg aus nur die normale Aare in den Bieler See geleitet, bei Hochwassern jedoch der Überschuß im alten Aarebett direkt weitergeführt werde.
Die Ausführung wurde unter Oberaufsicht des Bundes unter die Kantone in der Art verteilt, daß Bern die Kanäle Nidau-Buren und Aarberg-Hagneck, Solothurn die Aarekorrektion Büren-Attisholz, die obern drei Kantone die Korrektion der untern Broye und der mittlern Zihl übernahmen. Die Dauer der Arbeiten wurde, allerdings viel zu kurz, auf 10 Jahre veranschlagt. Zu den Kosten des gesamten Unternehmens, die auf 14 Mill. Frank für die Entsumpfungsarbeiten, 1 Mill. für Hafen- und Uferbauten geschätzt wurden, trägt der Bund ein Drittel bei.
Die Unterhaltung der hergestellten Arbeiten fällt den Kantonen zu. Die Arbeiten an dem 9 km langen Aare-Zihlkanal Nidau-Meienried (bei Büren), im Dezember 1868 begonnen, waren bis 1883 im wesentlichen vollendet; die Fortsetzung von Meienried nach Büren (2½ km lang) wurde erst 1882 in Angriff genommen. Wegen verzögerter Expropriation begann die Ausführung des Aarberg-Hagneckkanals erst im April 1874, ebenso die obere Korrektion, während die Korrektion der Strecke Solothurn-Attisholz sich noch länger verzögert hat. Nach Vollendung des großen Einschnitts bei Hagneck war die Kanallinie Aarberg-Hagneck bis ¶
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1879 offen gelegt und ist in den folgenden Jahren noch vertieft worden. Die Beendigung der Korrektion der Broye und Zihl sowie die Entsumpfung des Seelandes wird für 1887 erwartet. - Schon während des Baues äußerten sich die Wirkungen der Korrektion. Gegenüber dem Nullpunkt im Murgenthal war der Stand des Bieler Sees im September 1869: 29,6, 1871: 29,25, 1873: 27,8 m, und im November 1874 sank die Zahl auf 27,5, d. h. 2,64 m unter die frühern tiefsten Wasserstände. Zu Ende Juli 1874 kam der Fall vor, daß die Hochwasser der Aare sich von Meienried durch den neuen Kanal rückwärts in den See ergossen und das Niveau zu 28,1 m hoben.
Infolge jener Senkungen haben, nachdem schon bei Seewasserständen von 28-28,5 m kleinere Senkungen von Strandboden eintraten, zu Anfang des Winters auf dem linken Ufer verschiedene Einstürze und Rutschungen stattgefunden. Bei Bipschal versanken 13.-16. Nov. 1874 ca. 3700 qm Rebland; gleichzeitig senkte sich der Strandboden vor der Gasanstalt in Neuenstadt und fand in Tüscherz ein für die dort hart am See angelegte Eisenbahn gefährlicher Einsturz statt. Zum Schutz der bedrohten Ufer wurden sofort die nötigen Steinwürfe angeordnet und weitere Vorkehrungen ins Auge [* 7] gefaßt.
Nachdem dann im Januar 1875 infolge plötzlichen Steigens des Seespiegels das Vorland vom Wellenschlag abgetrieben worden war und die Ufermauern bei Tüscherz in Gefahr kamen, unterspült zu werden, wurden alle diese eingestürzten oder gefährdeten Stellen mit Steinwürfen versichert. Auch wurde, um ein weiteres Sinken des Seespiegels unter 28 m zu verhüten, behufs provisorischer Stauung des Bieler Sees im November 1874 ein Sperrwerk in der untern Zihl angelegt, und der Wasserstand betrug Ende August 1875: 28,8 m. Zufolge neuern Mitteilungen der Generalleitung sind die drei Seespiegel auf folgende Mittelstände gesenkt: Murtensee von 434 auf 433 m, Neuenburger See von 433,7 auf 432,7, Bieler See von 432,5 auf 432 m.
Vgl. Schneider, Das Seeland der Westschweiz und die Korrektionen seiner Gewässer (Bern 1881), und die Jahresberichte der J. (Biel 1868 ff.).