Junius
,
Briefe des
, eine
Reihe von
Briefen, die unter dem
Pseudonym Junius
zuerst im »Public Advertiser«
in
London
[* 2] vom bis zum erschienen und auf gleiche
Weise König,
Minister,
Parlament,
Gerichtshöfe und Staatsbeamte,
die
Umtriebe der
Whigs und
Tories und ihre
Kämpfe untereinander mit schonungsloser
Satire, aber dabei mit
Geist, gründlicher
Sachkenntnis und
Beredsamkeit geißelten.
Ihre Hauptangriffe sind gegen den
Herzog von
Grafton,
Lord
North
und andre
Minister sowie auch gegen die damaligen Oppositionshäupter
Wilkes,
Horne Tooke u. a. gerichtet; nur wenige, wie
Fox
und die
Lords
Holland und
Chatham u. a., bleiben verschont.
Übrigens atmen sie trotz ihres republikanischen Cynismus ganz den monarchischen
Geist der britischen
Verfassung und machen
sich nicht selten der Parteilichkeit wie des
Mangels an Freisinnigkeit schuldig. Die Schreibart, bei
welcher tiefe, aus getäuschten
Hoffnungen entstandene
Bitterkeit die
Feder geführt zu haben scheint, ist gedrängt, oft epigrammatisch,
aber immer klar, sicher und präzis im
Ausdruck und reiht den Verfasser unter die ersten Prosaisten
Englands.
Die
Briefe wurden bald nach ihrem
Abdruck im »Public Advertiser« von dem Verleger des
selben, Woodfall,
auch in Buchform publiziert (Lond. 1772), wofür der Verfasser kein andres
Honorar forderte als ein schön gebundenes und
zwei andre
Exemplare seines Werkes. Ein
Prozeß, den die
Regierung 1770 der
Briefe wegen gegen Woodfall anhängig machte, wurde
niedergeschlagen und gab zu der Bestimmung Veranlassung, daß der Spruch in
Kriminalprozessen gegen ein
Libell einer
Jury und nicht den
Gerichten zustehe.
Die wichtigsten
Ausgaben der
Briefe sind die
Londoner von 1783 und 1812 bis 1814, dann die
Ausgabe von
Wade (Lond. 1849, 2 Bde.;
neue Aufl.: Bd. 1, 1873, Bd.
2, 1869). Eine französische Übersetzung erschien zu
Paris
[* 3] 1791, eine deutsche von
Arnold
Ruge (3. Aufl., Leipz. 1867). Über
den Verfasser der
Briefe erschöpfte man sich bald nach deren Erscheinen in Mutmaßungen aller Art; mehr als 30 verschiedene
Personen hatte man im
Verdacht, Junius
zu sein, darunter den
General
Lee,
Edmund
Burke, den Dichter
Richard
Glover, den
Herzog von
Portland, den
Genfer
Delolme, den
Lord
Temple u. a. Auch in neuester Zeit hat der Streit über die Autorschaft
der
Briefe noch fortgedauert.
Coventry (»Critical inquiry into the letters of Junius«
, Lond.
1825) suchte den aus dem Siebenjährigen
Krieg bekannten
Lord
Sackville als den Verfasser der B. d. J. hinzustellen,
und diese
Annahme suchte später
John
Jaques in seiner »History of Junius
and his works« (das.
1843) durch neue
Gründe zu stützen.
Sir
David
Brewster glaubte den Verfasser in einem gewissen Laughlin Maclean, der 1773 Generalkriegskommissar
war und 1777 bei der Rückkehr aus
Westindien
[* 4] verunglückte, zu erkennen; doch fand diese Meinung wenig
Anklang. W. Cramp (»Junius
and his works«, Lond.
1851) erklärte den bekannten
Lord
Chesterfield, die »Quarterly
Review« 1852 den berüchtigten Wüstling
Lord
Thomas Lyttleton
(gest. 1779 durch
Selbstmord) für den Verfasser der Juniusbriefe.
Weiter sprachen sich J.
^[John]
Britton (»The
¶
mehr
authorship of the letters of Junius elucidated«, Lond.
1848) für den Obersten Barré und J. ^[Jelinger] Symons (»William Burke, the author of Junius«, das. 1859) für den Bruder des
bekannten Edmund Burke aus. Mehr Wahrscheinlichkeit als alle diese hatte von vornherein die zuerst 1816 von Taylor (»Junius identified«,
Lond. 1816) ausgestellte Ansicht, daß Sir Philip Francis Junius sei; derselben schlossen sich 1841 Macaulay, 1850 Sir
F. Dwaris an, sie wurde durch die von dem Schreibverständigen Chabot vorgenommene Untersuchung der hinterlassenen Briefe von
Francis sowie der Korrespondenz zwischen Junius und Woodfall und der im Britischen Museum erhaltenen Korrekturbogen der Juniusbriefe
in dem Prachtwerk »The handwriting of Junius professionally
investigated« (das. 1873, mit einem Vorwort von Edw. Twisleton) unwiderleglich begründet.
Vgl. auch F. Brockhaus, Die Briefe
des
J. (Leipz. 1875). -
Sir Philip Francis, geb. zu Dublin,
[* 6] trat 1756 in den Staatsdienst und avancierte durch Lord Hollands und Pitts
Protektion schnell, bis er eine hohe Stellung im Kriegsministerium einnahm, die ihm aber 1772 wegen eines gegen seinen Chef gerichteten
Pamphlets entzogen wurde. Dann 1773 zum Mitglied des
Rats für Bengalen ernannt, geriet er in Streit mit dem Generalgouverneur
Warren Hastings, wurde in einem Duell mit demselben verwundet, nahm 1780 seine Entlassung und kehrte nach
England zurück. Danach bekleidete er kein öffentliches Amt mehr, saß aber längere Zeit im Parlament, in welchem er sich
den Whigs anschloß. Er starb
Vgl. »Memoirs of Sir P. Francis. With correspondence and journals« (hrsg. von Parkes und Merivale, Lond. 1867, 2 Bde.).