Titel
Jacoby
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1) Johann, preuß. Politiker, geb. zu Königsberg [* 2] als Sohn jüdischer Eltern, studierte daselbst und in Heidelberg [* 3] Medizin, brachte dann einige Jahre auf Reisen zu und ließ sich 1830 als praktischer Arzt in seiner Vaterstadt nieder. Rücksichtslos in Bekämpfung wirklich vorhandener oder vermeintlicher Mißstände, namentlich auch auf dem staatlichen Gebiet, geriet er zu wiederholten Malen in Konflikt mit der Zensur. An den Zeitfragen beteiligte er sich mit seinen Broschüren: »Über das Verhältnis des Oberregierungsrats Streckfuß zu der Emanzipation der Juden« (1833) und »Der Streit der Pädagogen und der Ärzte« (1836). In größern Kreisen ward er besonders durch seine »Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen« [* 4] (Mannh. 1841) bekannt, die ihm, da er darin scharf und bündig das Berechtigte des Verlangens des preußischen Volkes nach einer Verfassung darlegte, eine Anklage auf Hochverrat und vom Berliner [* 5] Kriminalgericht trotz seiner glänzenden Verteidigungsrede eine Verurteilung zu 2½jähriger Festungsstrafe zuzogen, welches Urteil aber 1843 vom Obertribunal kassiert ward. In neuen Konflikt mit den Behörden brachten ihn seine Schriften: »Das königliche Wort Friedrich Wilhelms III.«, eine Mahnung an das Verfassungsversprechen dieses Königs, »Preußen [* 6] im Jahr 1845« und »Beschränkung der Redefreiheit« (1846). 1848 war er ein sehr thätiges Mitglied der Reformpartei, beteiligte sich am Vorparlament und ward in den Fünfzigerausschuß gewählt, wie er auch in die 22. Mai eröffnete preußische Nationalversammlung eintrat.
Obwohl er nur selten auf der Rednerbühne erschien, war er doch durch die Schärfe und Konsequenz seiner politischen Ideen ein hervorragendes Mitglied der Linken. Als Mitglied der Deputation, die dem König im November 1848 die Adresse überreichte, worin derselbe um Bildung eines volkstümlichen Ministeriums statt des eben ernannten Brandenburg-Manteuffelschen ersucht wurde, rief er dem König die taktlosen Worte nach: »Das eben ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen«. 1849 ward er an Stelle F. v. Raumers in die deutsche Nationalversammlung gewählt, nahm dann am Rumpfparlament teil und fand zuletzt in Genf [* 7] ein Asyl.
Auf die wider ihn auf Hochverrat erhobene Anklage stellte er sich in Königsberg, ward aber vom Geschwornengericht freigesprochen und kehrte zu seiner ärztlichen Praxis zurück. Erst als der Sturz des Ministeriums Manteuffel 1858 einen Umschwung der preußischen Politik versprach, betrat J. wieder die politische Bühne mit der Schrift »Die Grundsätze der preußischen Demokratie« (Berl. 1859). Die in Königsberg 1858 auf ihn gefallene Wahl in die Zweite Kammer lehnte er ab und trat erst nach Ausbruch des Militärkonflikts 1863 in dieselbe ein, wo er zur entschiedensten Opposition gehörte. Wegen einer Rede an seine Wähler, worin er auf Steuerverweigerung als das letzte Mittel zur Lösung des obschwebenden Konflikts hingedeutet hatte, wurde er 1864 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die er 1866 abbüßte. Wegen einiger Stellen der von ihm verfaßten Biographie Heinrich Simons (Berl. 1865) wurde er 1866 aufs neue zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. Den ¶
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Umschwung der Dinge durch den deutschen Krieg 1866 wollte er nicht anerkennen, trat vielmehr im Landtag wie in der von ihm begründeten Zeitung »Die Zukunft« aufs entschiedenste der Politik der Regierung, der er regelmäßig das Budget verweigerte, entgegen, bekannte sich zuletzt zu republikanischen, ja antinationalen Grundsätzen, erklärte die Einigung Deutschlands [* 9] für das Grab der Freiheit und wurde in seinen Ansichten um so schroffer, je mehr er sich vereinzelt sah.
Beim Ausbruch des Kriegs 1870 wurde er als Stimmführer der internationalen Demokratie auf Befehl Vogel v. Falckensteins verhaftet und einige Zeit in der Festung [* 10] Lötzen interniert. Er erklärte sich auch sofort gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen. [* 11] Einer Niederlage in seinem Berliner Wahlkreis bei den Neuwahlen 1871 beugte er durch Ablehnung der Kandidatur vor und zog sich ganz vom politischen Leben zurück, für das er infolge seiner eigensinnigen Rechthaberei alles Verständnis verloren hatte. J. starb in Königsberg. Er veröffentlichte: »Gesammelte Schriften und Reden« (Hamb. 1872, 2. Bde.; Nachträge 1877). Aus seinem Nachlaß gab Rühl heraus: »Geist der griechischen Geschichte« (Berl. 1884).
2) Louis, Kupferstecher, geb. zu Havelberg, [* 12] bildete sich seit 1844 im Atelier Mandels in Berlin. [* 13] Sein erster Stich war 1850 der heil. Johannes nach Tiarini. Es folgten: die Geschichte und die Sage und die Hunnenschlacht nach Kaulbachs Wandgemälden im Neuen Museum zu Berlin. 1855 ging er nach Paris, [* 14] 1856 nach Spanien [* 15] und 1860 nach Italien, [* 16] wo er sich 2½ Jahre in Rom [* 17] aufhielt. 1863 ward er Professor der Kupferstecherkunst an der Wiener Akademie und begann nun seine Hauptarbeit: die Schule von Athen nach Raffael, zu welcher er eine Zeichnung in Rom gemacht hatte, und die er erst 1882 vollendete.
Von seinen übrigen Stichen sind hervorzuheben: die Porträte [* 18] des österreichischen Kaiserpaars nach Winterhalter, die von Rokitansky, Olfers, Ritter, Cornelius, Guhl, Th. Mommsen, Henzen, Grillparzer, Brücke, [* 19] dem General de la Motte-Fouqué (nach Pesne), dem Grafen York v. Wartenburg (nach einer Büste Rauchs, für Droysens Lebensbeschreibung Yorks), Lady Macbeth nachtwandelnd (zu Kaulbachs Shakespeare-Galerie). 1882 wurde er nach Berlin als artistischer Beirat der Reichsdruckerei berufen.
3) Hermann, protest. Theolog, geb. zu Berlin, studierte daselbst und wurde, nachdem er das Predigerseminar in Wittenberg [* 20] besucht, als Gymnasiallehrer zu Landsberg [* 21] a. W., in Stendal [* 22] und seit 1866 als Diakonus in Schloß Heldrungen thätig gewesen war, 1868 ordentlicher Professor der praktischen Theologie in Königsberg, seit 1871 zugleich Universitätsprediger. Aus seinen Veröffentlichungen sind hervorzuheben: »Zwei evangelische Lebensbilder aus der katholischen Kirche« (Fürstin Gallitzin und Bischof Sailer, Bielef. 1864);
»Liturgik der Reformatoren« (Gotha [* 23] 1871-76, 2 Bde.);
»Die Gestalt des evangelischen Hauptgottesdienstes« (das. 1879);
»Allgemeine Pädagogik auf Grund der christlichen Ethik« (das. 1883);