Isomerie
(v. griech. isomeres, »aus gleichen Teilen«),
die Erscheinung, daß Körper von gleicher prozentischer Zusammensetzung ungleiche Eigenschaften zeigen. Diese Ungleichheit kann entweder eine äußerliche physikalische (kristallinischer oder amorpher Zustand, verschiedene Kristallform, Härte, spezifisches Gewicht, Farbe, Schmelzpunkt etc.), ohne wesentliche Änderung des chemischen Verhaltens, oder eine auch auf die chemischen Eigenschaften (verschiedenes Verhalten gegen Reagenzien, verschiedene Zersetzungsprodukte etc.) sich erstreckende sein.
Danach unterscheidet man physikalische und chemische I. und bezeichnet die nur physikalisch isomeren Substanzen auch als Modifikationen. Eine Erklärung der I. bietet die Atomtheorie. Die Atome, aus denen eine chemische Verbindung besteht, können sich bei gleich bleibender Anzahl in verschiedener Art oder ohne Änderung des gegenseitigen Verhältnisses in verschiedener Anzahl zu Molekülen vereinigen, welche offenbar verschiedene chemische Eigenschaften besitzen müssen.
Diese chemischen Moleküle können sich weiter in regelmäßiger oder unregelmäßiger Weise, in mehr oder weniger dichter Gruppierung etc. zu sinnlich wahrnehmbaren Massen vereinigen, welche dann die erwähnten physikalischen Verschiedenheiten zeigen werden. Diese letztern sind mithin auch bei den Elementen möglich, und in der That kennt man verschiedene Modifikationen beim Phosphor, Kohlenstoff, Schwefel, Sauerstoff etc., eine Erscheinung, die als Allotropie bezeichnet wird.
Chemische [* 2] I. findet sich hauptsächlich bei den Kohlenstoffverbindungen. Man kennt z. B. fünf Körper, welchen die empirische Formel C4H8O2 zukommt, die aber in ihren Eigenschaften wesentlich voneinander abweichen. Zwei von diesen Körpern sind Säuren, die übrigen sind zusammengesetzte Äther, und die I. erklärt sich also hier wie in vielen ähnlichen Fällen daraus, daß die Atome in diesen isomeren Körpern verschieden gruppiert sind. Die Gruppierung der Atome läßt sich aus den Zersetzungsprodukten der Körper mehr oder weniger sicher nachweisen, und das Studium derselben bildet gegenwärtig eine der Hauptaufgaben der organischen Chemie. In dem angeführten Beispiel liegen die Verhältnisse einfach, und die Verschiedenheit der Körper mit der empirischen Formel C4H8O2 ergibt sich aus folgenden rationellen Formeln derselben:
Buttersäure CH3.CH2CH2.COOH ^[CH3.CH2CH2.COOH],
Isobuttersäure CH3.CH CH3.COOH ^[CH3.CH CH3.COOH],
Propionsäuremethyläther CH2.CH2.COOCH3 ^[CH2.CH2.COOCH3],
Essigsäureäthyläther CH3.COOC2H5 ^[CH3.COOC2H5],
Ameisensäurepropyläther HCOOC3H7 .
Benzol hat die Formel C6H6 . In dieser Atomgruppe kann der Wasserstoff Atom für Atom durch Chlor vertreten werden, und statt des Chlors kann auch die Methylgruppe CH3 eintreten. So entstehen Methylbenzol C6H5.CH3 ^[C6H5.CH3] u. Dimethylbenzol C6H4(CH3)2 ^[C6H4(CH3)2]. Nun kennt man aber drei Dimethylbenzole, und bei diesen beruht die I. offenbar darauf, daß die Atomgruppe CH3 an verschiedenen Stellen in das Benzolmolekül eintritt.
In den Dimethylbenzolen kann ferner
Wasserstoff durch
Chlor vertreten werden. Es ist aber ein großer Unterschied, ob das
Chlor
in die Atomgruppe CH4 oder in eine der
Gruppen CH3 eintritt, und so entstehen
sehr zahlreiche Isomerien.
Die neuere
Chemie sucht zu ergründen, weshalb es nur ein
Methylbenzol, aber drei Dimethylbenzole
gibt und geben kann, und gewinnt dadurch Einsicht in die
Konstitution der
Körper. Je nachdem die I. auf verschiedene in den
Verbindungen anzunehmende
Radikale (wie bei den
oben genannten zusammengesetzten
Äthern) oder bei gleichem
Kohlenstoffkern auf eine verschiedene Gruppierung der Kohlenstoffatome (wie bei der
Buttersäure und Isobuttersäure) oder
auf eine verschiedene Verteilung der mit letztern verbundenen
Elemente zurückzuführen ist, unterscheidet man metamere und
strukturisomere
Körper; doch
¶
mehr
versteht man unter metameren Körpern auch alle isomeren von gleichem Molekulargewicht gegenüber den polymeren, deren Molekulargewichte Multipla voneinander sind (Methylen CH2 , Äthylen C2H4 , Propylen C3H6 , Butylen C4H8 , Amylen C5H10 etc.). Manche organische Verbindungen, wie die Aldehyde, sind besonders geneigt, polymere Verbindungen zu bilden, indem in der Regel 3 Moleküle zu einem neuen Molekül zusammentreten.
Diesen Vorgang nennt man Polymerisation. Zu den physikalischen Isomerien
rechnet man auch das Auftreten der Körper im kristallisierten
oder amorphen Zustand oder in Kristallformen, die nicht auf dieselbe Grundform zurückzuführen sind (Polymorphie, s.
Dimorphismus). Die amorphen Körper verhalten sich oft gegen Lösungsmittel und Reagenzien anders als die
isomeren kristallisierten, zeigen also gewisse chemische Verschiedenheiten und lassen dadurch eine verschiedene Konstitution
ihrer Moleküle vermuten. Ob solche auch bei den Allotropien in Frage kommt, ist mindestens zweifelhaft. Die Allotropie des Sauerstoffs
(inaktiver Sauerstoff und Ozon) ist thatsächlich durch verschiedenes Molekulargewicht, also durch Polymerie,
bedingt, und auch bei andern Elementen sind Thatsachen bekannt, welche die gleiche Annahme als wahrscheinlich erscheinen lassen.