Pflanzen (hierzu die Tafel »Insektenfressende Pflanzen«),
eine
Gruppe von
Gewächsen, hauptsächlich
aus den
Familien der
Droseraceen, Utrikulariaceen,
Sarraceniaceen und Nepentheen, welche Einrichtungen zum
Fang von
Insekten
[* 2] und
ähnlichen
Tieren besitzen und dieselben unter
Ausscheidung eines Ferments teilweise auflösen. Die erste
Nachricht über eine derartige
Pflanze wurde 1768 von dem amerikanischen Naturforscher
Ellis in einem
Brief an
Linné gegeben
und betraf die
Venusfliegenfalle
(Dionaea), welche in ihren bei Berührungen lebhaft zusammenklappenden, gewimperten und borstigen
Blättern
Insekten fängt und aussaugt.
Diderot legte ihr bereits den
Namen einer »fleischfressenden«
Pflanze (une plante presque carnivore) bei.
Ein ähnliches Verhalten beobachteteRoth 1779 an den Sonnentauarten
(Drosera) unsrer Torfwiesen, deren
Blätter reichlich mit
schleimaussondernden
Drüsen bedeckt sind und sich ebenfalls, wenn auch langsamer, um das gefangene
Insekt schließen. Obwohl
nun diese und spätere Beobachter behauptet hatten, daß die genannten
Droseraceen die
Insekten oder auch
auf die
Blätter gelegte Fleischstückchen vermittelst der ausgeschiedenen Säfte auflösen und verdauen, erregte diese
Ansicht
ein allgemeineres Aufsehen doch erst, nachdem
Darwin eine
Reihe systematischer
Beobachtungen und
Versuche an diesen
Pflanzen begonnen
und deren Ergebnisse gelegentlich in Abhandlungen sowie später (1875) in einem
besondern
Buch veröffentlicht hatte.
Zahlreiche
Forscher, wie
Hooker,
Kohn,
Morren,
Warming,
Stein,
Kurtz u. a., beschäftigten sich ebenfalls mit dem interessanten
Gegenstand. Gegenwärtig kennt man
ca. 350
Arteninsektenfressender
Pflanzen aus 15
Gattungen, von denen
Repräsentanten fast
in keinem
Florengebiet der
Erde fehlen. Nach der Art der Fangeinrichtung lassen sich Schließfänger,
Drüsen-
und Schlauchfänger unterscheiden. Zu der ersten
Kategorie gehört die in den Moorgründen von
Nord- und
Südcarolina einheimische
DionaeamuscipulaL., die eine grundständige
Rosette von 5-6 merkwürdig umgestalteten, reizbaren Blättern trägt; oberhalb
des geflügelten Blattstiels steht nämlich eine aus zwei beweglichen
¶
Hälften gebildete Blattfläche, welche um die Mittelrippe wie um ein Scharnier zusammenklappen können, und deren steife
Randborsten dabei wie die Finger zweier zusammengefalteter Hände ineinander greifen. Diese Bewegung erfolgt fast momentan,
sobald eine der drei auf jeder Blatthälfte oberseits stehenden langen Haarborsten berührt wird. Erfolgt die Berührung
durch ein Insekt oder durch ein aufgelegtes Stückchen Eiweiß, Fleisch u. dgl., so beginnen nach völligem
Schluß der Klappenvorrichtung Hunderte von Drüsenhaaren (Digestionsdrüsen) der Blattoberfläche aus ihren scheibenförmigen
Köpfchen ein Sekret in großer Menge auszuscheiden, das etwa in 4-6 Tagen den gefangenen Körper bis auf die Hartteile auflöst,
um die stickstoffhaltigen Substanzen desselben aufzunehmen und gleichsam zu verdauen; schließlich öffnet
sich das so gefütterte Blatt
[* 6] wieder und wächst kräftig weiter.
Einfacher ist die Fangvorrichtung bei der wasserbewohnenden, durch Mittel- und Südeuropa sporadisch verbreiteten, auch in
Ostindien
[* 7] und Australien
[* 8] vorkommenden AldrovandavesiculosaL., die, wie auch Dionaea, zu der Familie der Droseraceen gehört.
Ihre frei im Wasser schwimmenden Stengel
[* 9] tragen quirlig gestellte, von 4-5 Borsten umgebene Blätter, deren
halbkreisförmige Blattflächen in der Mitte scharf zusammengeklappt sind und mit ihren eingebogenen Rändern übereinander
greifen. Die Reizbarkeit dieser Teile zeigt sich darin, daß in warmem Wasser die Klappen sich öffnen und bei Berührung der
auf der Blattfläche stehenden zarten Borsten sich für längere Zeit schließen; besondere Verdauungsdrüsen
sind in diesem Fall nicht vorhanden. In den Fangklappen der Aldrovanda werden kleine Krustaceen (Daphnia, Cyclops, Cypris) sowie
auch Insektenlarven gefangen und tagelang eingeschlossen gehalten.
Ein schönes Beispiel einer als Drüsenfänger konstruierten Pflanze bieten unsre einheimischen, zwischen Torfmoosen wachsenden
Drosera-Arten dar. Die kleinen, mit sehr schwachen Wurzeln versehenen Pflänzchen von DroserarotundifoliaL. haben eine grundständige,
braunrot gefärbte Blattrosette, aus deren Mitte der Blütenstengel sich erhebt; jedes Blatt trägt auf einem 2-5 cm langen
Stiel eine fast kreisrunde Blattfläche von ca. 1 qcm Oberfläche, deren Oberseite und Rand mit roten,
stielartigen, am Ende ein glänzendes Köpfchen tragenden Drüsen, den sogen. Tentakeln, dicht besetzt sind.
Dieselben sind im ungereizten Zustand gerade ausgestreckt und sondern aus dem Drüsenköpfchen schleimige Tropfen aus, die
der Pflanze den NamenSonnentau verschafften. Sobald ein kleines Insekt (Fliege, Mücke od. dgl.) mit dem Schleim in Berührung
kommt, bleibt es daran hängen und sucht sich zwar zu befreien, wird aber, da es von zahlreichen Drüsen allerseits umgeben
ist, in der Regel festgehalten und stirbt nach Verlauf kurzer Zeit. Zugleich beginnen die Tentakeln sich an ihrem Stiel so
zu krümmen, daß sie mit ihrem Drüsenkopf gerade den Insektenkörper berühren und denselben mit ihrem
Schleim einzuhüllen vermögen.
Das bis dahin neutral reagierende Sekret wird nunmehr sauer und ist im stande, peptonisierend zu wirken, d. h. Eiweißstoffe
(Fibrin) aufzulösen. Mit der Reizung der Tentakeln geht eine Veränderung in den oberflächlichen Zellen des Drüsenköpfchens
parallel; das von einer purpurnen Flüssigkeit umgebene, sonst farblose, randständige Plasma dieser Zellen
ballt sich nämlich zu purpurgefärbten Massen von verschiedener Gestalt zusammen, während der Zellsaft seine Farbe fast verliert.
Auch die Fläche des Drosera-Blattes selbst krümmt
sich um den Insektenkörper herum ein, nachdem die auflösende Wirkung des
Sekrets längere Zeit gedauert hat. Nach Auflösung der Weichteile des Tiers und erfolgter Verdauung derselben
breiten sich Blattfläche und Tentakeln schließlich wieder normal aus. Übrigens findet man an den im Freien wachsenden Pflänzchen
von Drosera in der Regel zahlreiche Reste von ausgesogenen kleinen Insekten; auch kann man an kultivierten Pflanzen die Fütterung
mit sehr kleinen Stückchen Fleisch, Eiweiß, Käse u. dgl. erfolgreich
ausführen. - Eine viel einfachere Fangeinrichtung als die eben geschilderte besitzen die einheimischen Pinguicula-Arten aus
der Familie der Utrikulariaceen.
Bei ihnen ist eine dem Boden aufliegende Rosette zungenförmig gestalteter breiter Blätter vorhanden, welche sehr zahlreiche,
einem Hutpilz ähnliche Drüsen tragen und eine klebrige Flüssigkeit aussondern. Insekten oder auch kleine
Eiweiß- und Fleischstückchen veranlassen auf der Blattfläche lebhafte Sekretion sowie auch eine langsame Einrollung der
Blattränder nach oben. Einige ausländische Verwandte von Drosera, wie das in Portugal
[* 10] u. Marokko
[* 11] einheimische Drosophyllum
lusitanicum St., die südafrikanische Roridula dentataL. und die australische Byblis giganteaLindl., besitzen unbewegliche,
stark sezernierende Verdauungsdrüsen und gehören daher ebenfalls zu den Drüsenfängern.
Den Typus der Schlauchfänger stellen in unsrer einheimischen Flora die Utricularia-Arten dar, wurzellose, schwimmende Wasserpflanzen
[* 12] mit fiederförmig verästelten Zweigen, an denen kleine, linsen- oder erbsenähnliche, aus umgestalteten Blattzipfeln hervorgegangene
lufterfüllte Blasen sitzen. Letztere tragen an ihrem mit einer Öffnung versehenen obern Ende eine Art
von Verschlußklappe, die mit ihrem freien Rand unter einem Wulste des gegenüberliegenden Mündungsteils liegt, so daß die
Klappe einem beweglichen kleinen Körper wohl den Zutritt von außen, aber nicht den Austritt von innen her gestattet und in
ersterm Fall sich durch ihre Elastizität von selbst wieder schließt.
Rechts und links vom Eingang der Blase stehen vier lange, an die Fühler von Krustaceen erinnernde Borsten,
in ihrem Innern befinden sich zweispaltige Haare,
[* 13] während Verdauungsdrüsen fehlen. In diese Falle werden vorzugsweise kleine
Krustaceen gelockt, die sich tagelang darin umherbewegen und schließlich zersetzt werden. Ausländische Utrikulariaceen,
wie die australische GattungPolypompholyxLehm. und die im tropischen Amerika
[* 14] einheimischen Arten von Genlisea
St.-Hil., besitzen ähnliche Schläuche, in deren Innerm bei letztgenannter Gattung auch zwei Reihen von Sekretionsdrüsen vorhanden
sind.
Ganz besonders ausgezeichnete Schlauchfänger sind die schon seit den ZeitenLinnés bekannten Kannenträger (Nepenthes), deren
Arten die Sumpfgegenden des tropischen Asien,
[* 15] vor allen die des Indischen Archipels, Ceylon,
[* 16] die Philippinen,
Neukaledonien
[* 17] und Neuguinea, die Seschellen und Madagaskar
[* 18] bewohnen. An ihren kletternden Blattstielranken stehen hohe, bisweilen
⅓ m lange, krugförmige Erweiterungen, deren ringförmigem Rande die Blattfläche als seitlicher Deckel aufsitzt; der dicke
Ring der Krugmündung sowie die Unterseite des Deckels sind mit zahlreichen Honigdrüsen besetzt, welche
im Verein mit auffallender Färbung der sie tragenden Teile der Anlockung von Insekten dienen. Im Innern des Krugs gleiten die
angelockten Kerbtiere an einer glatten Fläche hinab, um im untern Teil der Behälter in eine Flüssigkeit zu geraten, welche
von zahlreichen an der
¶
mehr
Schlauchwandung befindlichen Verdauungsdrüsen abgesondert wird; die Zahl dieser Drüsen wurde von Hooker in einem Fall zu 3000 auf
den Quadratzoll geschätzt. Das sehr reichlich vorhandene Sekret nimmt bei Reizung mit tierischen Substanzen eine stark saure
Reaktion an und löst Eiweißstoffe mit Leichtigkeit auf. Ähnliche Verhältnisse kehren auch bei den amerikanischen
Sarraceniaceen wieder; die sumpfbewohnenden, vorzugsweise in Virginia einheimischen Arten von Sarracenia besitzen offene oder
geschlossene Schläuche mit kleiner, zungenförmiger Blattfläche, während DarlingtoniaTorr. trompetenförmige, an jungen
Pflanzen nach oben gekehrte, an ältern nach unten gewendete Krüge
[* 20] mit gespaltenem Deckel aufweist; auch die in Venezuela
[* 21] einheimische
HeliamphoraBenth. und die australische GattungCephalotusLab. gehören zu den Schlauchträgern. Zwar sind
nicht bei allen Arten der genannten Gattungen Verdauungsdrüsen vorhanden, dieselben fehlen z. B. bei Sarracenia purpurea; jedoch
scheint der Zweck der Schläuche bei allen der gleiche zu sein.
Die physiologische Bedeutung der Ernährungsweise der insektenfressenden Pflanzen liegt besonders darin, daß dieselben stickstoffhaltige
Nahrung in einer Form aufzunehmen vermögen, welche bei andern chlorophyllhaltigen Pflanzen ausgeschlossen ist, indem letztere
den Stickstoff nur in Form von Nitraten und Ammoniaksalzen durch die Wurzeln dem Boden entnehmen. Die insektenfressenden Pflanzen
ernähren sich dagegen, wenigstens teilweise, auf Kosten fertig gebildeter organischer Substanz, deren Eiweißstoffe von ihnen
wie im Magen
[* 22] der Tiere durch ein peptonisierendes Ferment der Verdauungsdrüsen gelöst und dann von sonst
dazu ganz ungeeignet erscheinenden Organen, nämlich von Blattteilen, resorbiert werden.
Experimentell steht die peptonisierende, d. h. Eiweiß (Fibrin) lösende, Eigenschaftdes sauer reagierenden Drüsensekrets der
insektenfressenden Pflanzen unzweifelhaft fest, während sich die Versuche darüber widersprechen, ob die
Fütterung derBlätter mit Eiweißstoffen für die Pflanze förderlich oder unnütz ist; wenigstens kann sich Drosera ohne Insektennahrung
vollkommen normal bis zur Fruchtbildung entwickeln. Als eine analoge Ernährungsweise hat man die des jungen Pflanzenembryos
zu betrachten, der sich ebenfalls auf Kosten organisierter Stoffe des Samens ernährt und dieselben mit Hilfe
von Fermenten umsetzt.
Auch die Pilze
[* 23] und eine Reihe von fäulnisliebenden Humusbewohnern (Monotropa, manche Orchideen)
[* 24] entnehmen ihrem Substrat direkt
organische Verbindungen. Diese Analogien machen die Ernährungsweise der insektenfressendenPflanzen durchaus begreiflich, wenn
auch manche Punkte noch weiterer Aufklärung bedürfen.
Vgl. Darwin, Insektenfressende Pflanzen (deutsch von Carus, Stuttg. 1876);
Die genauere Kenntnis dieser Pflanzen verdankt man hauptsächlich Darwin, der in seinem Werke «Insectivorous plants» (Lond.
1875) seine ausgedehnten Beobachtungen über die Lebensweise der Karnivoren veröffentlichte. Mit der
Fähigkeit, die genannten Stoffe in sich aufzunehmen, verbinden die I. P. die Eigenschaft, mittels besonderer Einrichtungen
kleine Tiere zu fangen und festzuhalten. Der engl. Naturforscher Ellis hat schon in den J. 1765-68
Untersuchungen über die bei Berührung zusammenklappenden Blätter der Venus-Fliegenfalle(Dionacea muscipulaL., s. Dionacea und Tafel: Insektenfressende Pflanzen,
[* 26]
Fig. 1)
¶
mehr
angestellt. Ebenso ist das Einkrümmen der Blätter der verschiedenen Sonnentauarten (Drosera) schon Ende des 18. Jahrh. untersucht
worden, und schon damals (1782) vermutete der BremerArztRoth, daß die von den Blättern festgehaltenen und getöteten Insekten
zur Ernährung der genannten Pflanzen beitragen könnten. Die Blätter der Dionaea besitzen auf jeder Hälfte
der Spreite drei Haare, die als der Sitz der Reizbarkeit angesehen werden müssen, denn bei der geringsten Berührung dieser
Haare klappen die beiden Blatthälften sofort zusammen, was bei den übrigen Teilen der Blattspreite stärkerer Reize bedarf.
Da die Haare so stehen, daß jedes über die Blattspreite hinwegkriechende Insekt dieselben berühren muß,
so ist dadurch eine schnell und sicher wirkende Falle hergestellt, der die Insekten nicht wieder entrinnen können, zumal
auch die borstenartigen Haare, die am Blattrande sitzen, nunmehr wie die Finger beim Falten der Hände ineinander greifen und
so jeden Ausweg versperren.
Außer den genannten empfindlichen Haaren finden sich aus der Blattfläche noch andere Haargebilde, die
scheibenförmig entwickelt sind und aus einer größern Anzahl von Zellen bestehen. Diese Organe sind die Digestionsdrüsen,
die nach dem Schließen des Blattes reichliche Mengen eines eigentümlichen Sekrets abscheiden, durch dessen Wirkung die eingeschlossenen
Tiere zum größern Teile in Lösung übergeführt und als eiweißhaltige Nahrung vom Blatte aufgenommen
werden.
Die Dauer des Verschlusses dauert gewöhnlich 8-9 Tage; dann öffnet sich das Blatt zu neuem Fang. Dies gilt jedoch nur, wenn
bestimmte animalische Nahrung dargeboten wird; wenn dagegen das Blatt bloß gereizt wird und der den Reiz veranlassende Gegenstand
wieder entfernt wird, oder wenn Stoffe dargeboten werden, die nicht als Nahrung dienen können, wie kleine
Holzstückchen, Steinchen u. dgl., so tritt zwar ein Verschluß ein, aber nur von kurzer Dauer; das Blatt öffnet sich wieder,
ohne daß eine bemerkenswerte Thätigkeit der Digestionsdrüsen eingetreten wäre. Zahlreiche Untersuchungen des Mechanismus
des Öffnens und Schließens haben ergeben, daß die Bewegungen der beiden Blatthälften höchst wahrscheinlich
durch Änderung des Turgors in dem Gewebe
[* 28] der Blattunterseite zu stande kommen. Ob dabei elektrische Ströme eine Rolle spielen,
ist noch zweifelhaft.
Bei den Drosera-Arten (s. Sonnentau und Fig. 2) treten die Blattbewegungen ebenfalls infolge von Reiz ein; aber der Vorgang
ist ein anderer. Die Blätter sind dicht besetzt mit langen Drüsenhaaren, deren Zellen zum Teil mit einer
purpurroten Flüssigkeit erfüllt sind. An diesen Drüsenhaaren, die alle an ihrer Spitze kopfartig angeschwollen sind, findet
die Sekretion einer klebrigen Flüssigkeit statt. Kommt nun ein Insekt auf die Oberfläche des Blattes, so bleibt es an den
Spitzen derHaare, an denen jene klebrige Masse sitzt, hängen und durch die lebhaften Bewegungen, die das Tier ausführt, um
sich zu befreien, werden auch die meisten übrigen Haare berührt, die mit den klebrigen Köpfchen nunmehr ebenfalls zum Festhalten
des Insekts beitragen.
Etwa eine halbe Stunde nach diesen Vorgängen treten sodann die infolge der Berührungen ausgelösten
Reizbewegungen an den Haaren und an der Blattspreite auf, die darin bestehen, daß sämtliche Drüsenhaare sich nach dem gefangenen
Insekt hinkrümmen und schließlich auch die Blattspreite nach oben konkav zu werden beginnt, sodaß nunmehr das Tier vollständig
von
den secernierenden Haaren umschlossen ist. Gewöhnlich dauert dieses Einschließen bei günstiger
Temperatur 8-12 Stunden.
Sodann findet eine vermehrte Sekretion der Drüsen statt, sodaß das ganze Tier von einer schleimigen Masse umhüllt und so
allmählich bis auf die unlöslichen Chitinteile verflüssigt wird. Nachdem dies geschehen ist, was auch hier, wie bei Dionaea,
mehrere Tage dauert, öffnet sich das Blatt wieder. Bei Berührung mit nicht verdaulichen Körpern tritt
auch bei Drosera eine Einkrümmung der Haare nur von kurzer Dauer auf. Wie beim Sonnentau geschieht der Insektenfang bei Drysophyllum
(s. d. und
[* 27]
Fig. 5).
Den Drosera-Arten ganz ähnlich verhalten sich die Arten der Gattung Pinguicula, (s. d. und
[* 27]
Fig. 4),
nur sind hier die Blätter etwas anders gestaltet. Sie besitzen keine langen Drüsenhaare, sondern die Blattspreite rollt sich
mit ihrer ganzen Fläche oder mit einem Teile derselben um das Insekt herum. Fast ebenso wie bei Dionaea ist der Vorgang des
Schließens und Öffnens der Blätter bei Aldrovanda (s. d.); nur sind bei ihr eine größere Anzahl
sensibler Haare vorhanden, auch ist die Form der Blätter eine etwas andere. Als Nahrung dienen bei dieser Pflanze, da sie im
Wasser lebt, hauptsächlich kleine Crustaceen. Sekretionsdrüsen von ähnlichem Bau wie bei Dionaea oder Drosera sind nicht
vorhanden, überhaupt fehlen noch genauere Untersuchungen darüber, ob hier Sekrete gebildet werden und
an welchen Stellen dieselben auftreten.
Auf ganz andere Art findet bei den übrigen I. P. das Fangen und Festhalten der Tiere statt. Hier kommen keine Reizbewegungen
der Blätter vor, sondern es sind bestimmte Organe ausgebildet, deren eigentümliche Einrichtung ein Hineinkriechen der Insekten
ermöglicht, ein Entweichen derselben aber verhindert. Bei denUtricularia-Arten (s. Utricularia und Fig.
8) finden sich an den untergetauchten Blättern kleine linsenförmige Gebilde, die Schläuche oder Utrikeln, die aus umgeformten
Blattzipfeln entstehen und einen merkwürdigen Bau besitzen.
Sie sind im Innern hohl und an der nach oben gekehrten Seite finden sich kleine Öffnungen, die mit einer
Art Klappe verschlossen sind; diese Klappe bildet ein Ventil
[* 29] in der Weise, daß sie bei geringen Druckkräften sich nur nach
dem Innern des Schlauchs biegen läßt, nicht aber nach außen, da ein vor ihr liegender kleiner Wulst dies verhindert. So
können kleine Wassertiere wohl in das Innere des Schlauchs gelangen; aber sofort, nachdem sie eingedrungen
sind, schnellt die Klappe zurück und verhindert ein Entkommen der gefangenen Tiere. Sowohl außen wie innen stehen an den
Schläuchen verschiedenartige Haargebilde; ob aber die im Innern sich befindenden Sekrete absondern, die eine Verdauung der
Tiere herbeiführen, weiß man noch nicht.
Die übrigen I. P. mit ähnlichen Organen sind Landpflanzen; es sind dies hauptsächlich Arten der Gattungen
Sarracenia, Darlingtonia und Nepenthes. Bei Sarracenia und Darlingtonia sind die Blattstiele zu Fangorganen umgebildet, sie
haben eine schlauchförmige Gestalt und die Blattspreite sitzt als verhältnismäßig kleines Blättchen dem Blattstiel auf,
bei den meisten Arten der Gattung Sarracenia gleichsam einen Deckel über den hohlen Blattstiel bildend.
Die Innenwand der Schläuche ist mit zahlreichen nach abwärts gerichteten borstenförmigen Haaren und außerdem mit Digestionsdrüsen
besetzt. Die von der lebhaften Farbe der
¶
ganzen Blattorgane angelockten oder auch zufällig herankommenden Insekten werden durch das Vorhandensein von Honigdrüsen
am obern Rande des Schlauchs veranlaßt, auch in das Innere hineinzukriechen, und können dann infolge der abwärts gerichteten
Haare wohl noch weiter nach innen, aber nicht wieder herausgelangen. Da von den Digestionsdrüsen reichliche Mengen Flüssigkeit
abgeschieden werden, so fallen sie schließlich in diese hinein und werden so bis auf ihre Chitinteile
verdaut. Es gelangen auf diese Weise in der freien Natur so viele Insekten in die Schläuche der Sarracenien hinein, daß insektenfressendeVögel
[* 33] nach Berichten von Reisenden mit Vorliebe solche Pflanzen aufsuchen, um ihre Insektennahrung daraus
zu holen. Während bei den Sarracenia-Arten mit Ausnahme der am häufigsten vorkommenden Sarracenia purpureaL.
[* 32]
(Fig.
7) die Blattspreite das Hineinfallen der Regentropfen verhindert, ist bei Darlingtoniacalifornica DC.
[* 32]
(Fig.
6) eine andere Einrichtung getroffen, um den Regen abzuhalten; es sind hier die schlauchförmigen Blattstiele nicht bloß schwach
gekrümmt, sondern spiralig um etwa 180° gedreht, sodaß die Mündung wieder nach unten gekehrt ist.
Bei Sarracenia purpurea sitzt die Spreite nicht als Deckel auf, sodaß also der Regen in den Schlauch hineingelangen kann;
die Schläuche besitzen jedoch keine Digestionsdrüsen, und es scheint, daß die Insekten erst in dem Wasser zersetzt werden
müssen, vielleicht ähnlich wie bei Utricularia, um als Nahrung aufgenommen werden zu können. (S. Sarracenia und Darlingtonia.)
Die Gattung Nepenthes besitzt ganz ähnlich gebaute Schläuche wie die beiden eben beschriebenen Gattungen, doch sind sie
hier nicht umgeformte Blattstiele, sondern sie stehen an der Spitze der ziemlich breiten Blattspreite, wo sie
als kannenartige Gebilde an einer kleinen Ranke herabhängen
[* 32]
(Fig. 3). Bei manchen Arten erreichen diese Kannen bedeutende
Größe; so werden sie bei einer in Borneo wachsenden fast 0,5 m lang, bei der bekanntesten Art, Nepenthes destillatoriaL.,
dagegen erreichen sie gewöhnlich nur eine Ausdehnung
[* 34] von 10 bis 15 cm. Am Rande der Kannen, die meist
sehr lebhaft gefärbt und ebenfalls mit einem deckelartigen Gebilde versehen sind, befinden sich zahlreiche Honigdrüsen.
An der Innenwand fehlen die nach abwärts gerichteten Haare, dagegen ist die Oberfläche der hier befindlichen Zellen sehr
glatt. Im untern Teile der Kannen stehen zahlreiche Digestionsdrüsen, die eine große Menge Flüssigkeit
abscheiden, sodaß die Krüge fast fortwährend zum Teil gefüllt sind; in diese Flüssigkeit fallen die Insekten hinein und
werden dann verdaut. (S. Nepenthes.)
Die chem. Natur der Flüssigkeiten, die von den Digestionsdrüsen der I. P. abgeschieden werden, ist schon häufig Gegenstand
der Untersuchung geworden, und die Resultate, die dabei gewonnen wurden, lassen sich im allgemeinen dahin
zusammenfassen, daß die Sekrete ihrer Wirkung nach dem Pepsin des Magensaftes nahe kommen, und daß sie meist anfangs alkalisch
reagieren, später aber, wenn stickstoffhaltige Nahrung dargeboten wurde, stets freie Säuren enthalten, und zwar nur organische
Säuren, wie Essigsäure, Buttersäure, Ameisensäure, Citronensäure.
Erst beim Vorhandensein solcher Säuren können die eiweißhaltigen Körper in Lösung übergeführt
werden. Über die Bedeutung der animalischen Nahrung für die I. P. läßt sich nicht viel Bestimmtes aussagen.
Es ist durch
zahlreiche Versuche festgestellt worden, daß Dionea, Nepenthes, Sarracenia, Pinguicula, Aldrovanda sich ganz normal entwickeln,
ohne daß ihnen Fleischnahrung geboten wird. Dasselbe gilt für Drosera; allerdings sollen bei dieser
Gattung nach neuern Untersuchungen regelmäßig gefütterte Exemplare reichlicher Blüten und Samen
[* 35] bilden als solche, die
keine animalische Nahrung erhielten.
Andererseits ist jedoch auch zweifellos, daß die stickstoffhaltigen Körper, die als Nahrung dargeboten werden, auch wirklich
von den Pflanzen aufgenommen werden. Es scheint demnach diese Aufnahme von Eiweißsubstanzen nicht unbedingt
zum Fortkommen der betreffenden Pflanzen nötig zu sein, wohl aber immer stattzufinden, wenn überhaupt die Möglichkeit dazu
gegeben wird. Allzu reichliche Fleischnahrung wirkt jedenfalls schädlich; die Blätter der Dionaea sterben gewöhnlich ab,
wenn sie ein zu großes Insekt gefangen und aufgelöst haben; dadurch ist schon eine gewisse Beschränkung
in der Ausnahme animalischer Stoffe gegeben, ebenso durch den Umstand, daß nach drei- oder viermaligem Fangen kleinerer Tiere
gleichfalls ein Absterben des betreffenden Blattes eintritt.
Neuerdings ist auch für einige teils als Parasiten, teils als Humusbewohner lebende Pflanzen angegeben worden, daß sie im
stande seien, animalische Körper, wie kleine Milben u. dgl., für ihren Ernährungsprozeß nutzbar zu
machen. Am genauesten untersucht wurde in dieser Hinsicht die Schuppenwurz, Lathraea squamariaL. (s. Lathraea und Tafel: Labiatifloren,
[* 32]
Fig. 3), eine auf den Wurzeln verschiedener Sträucher schmarotzende Pflanze. Sie besitzt an ihren unterirdischen Stammteilen
eigentümlich geformte Blätter, die in einer Höhlung zahlreiche Haare von drüsenartiger Beschaffenheit
enthalten.
Diese Haargebilde, die unter sich wieder verschiedene Gestalt zeigen, haben an ihren kugelig angeschwollenen Drüsenzellen
sehr regelmäßig angeordnete Perforationen, durch die hindurch zarte Plasmafortsätze nach außen dringen. Mittels dieser
Fäden soll nach den neuern Beobachtungen eine teilweise Auflösung der in die Höhlungen gelangenden animalischen
Körper und damit auch eine Nahrungsaufnahme ermöglicht werden. Die eigentlichen Blatthöhlungen könnten dann als die Fangvorrichtungen
betrachtet werden, aus denen die hineingelangten Tierchen sich nicht leicht wieder zu entfernen vermögen.
Man hatte zwar schon früher diese Gebilde in ähnlicher Weise zu deuten gesucht, doch ist erst in neuester
Zeit eine Bestätigung jener Vermutung gegeben worden. In biologischer Hinsicht ist es noch interessant, daß im Herbst, wenn
die Haustorien der erwähnten chlorophylllosen Schmarotzerpflanze zum Teil absterben, eine ausgiebigere Thätigkeit der Blatthöhlungen
einzutreten scheint, da um diese Zeit reichlicher kleine Tiere in ihnen sich vorfanden.
Litteratur. Joh. Ellis, De Dionaea muscipula (deutsch von Schreber, Erlangen
[* 36] 1771);Roth, Von der Reizbarkeit
des sog. Sonnentaus (Brem. 1782); Darwin, Insectivorous plants (Lond. 1875; deutsch von J. V. Carus, Stuttg. 1876).
Eine vollständige Zusammenfassung der Litteratur findet sich in Drude, I. P. (in Schenks «Handbuch der Botanik», Bd. 1, Bresl.
1881);Bouché, Die I. P., Beitrag zur Kultur derselben (Bonn 1884).