Hyperkinesis
(griech.), s. v. w. Krampf.
Hyperkinesis
4 Wörter, 41 Zeichen
Hyperkinesis
(griech.), s. v. w. Krampf.
(Spasmus), im allgemeinen jede krankhafte Muskelzusammenziehung. Jeder Muskel wird in Bezug auf seine Thätigkeit, welche sich als Zusammenziehung äußert, von einem Bewegungsnerv beherrscht. Wird dieser Nerv in irgend einer Weise erregt, sei es durch den Willen oder durch Übertragung eines Reizes von einem Empfindungs- oder Sinnesnerv etc., so zieht er sich zusammen. Ganz in derselben Weise wie bei normalen Erregungen geschehen aber auch Zusammenziehungen auf abnorme Erregungen.
Jede dadurch hervorgerufene krankhaft gesteigerte Thätigkeit der vom Rückenmark entspringenden und von da sich verbreitenden Bewegungsnervenfasern äußert sich als unwillkürliche Zuckung, als Zittern oder anhaltende Kontraktion einer oder mehrerer oder fast aller Muskelgruppen. Diese krankhaften Muskelzusammenziehungen nennt man im allgemeinen Krampf, rasch hintereinander folgende vorzugsweise Konvulsionen. Das Wesentliche des Krampfes ist also die Muskelzusammenziehung, welche durch abnorme Erregung eines Bewegungsnervs hervorgerufen wird.
In der äußern Form zeigen die Krämpfe erhebliche Verschiedenheiten, je nachdem die erregende Ursache derselben direkt im Rückenmark oder im Hirn oder in peripherischen Körperteilen ihren Sitz hat. Daher hat man die Krämpfe eingeteilt in Gehirn-, Rückenmarks- und Reflexkrämpfe. Trotzdem, daß alle Bewegungsnervenfasern aus dem Rückenmark entspringen und dieses die Quelle [* 3] aller krampfhaften Zusammenziehungen ist, sind doch die eigentlichen Rückenmarkskrämpfe seltener als die Gehirnkonvulsionen, deren reinstes Bild die Epilepsie darstellt. Es gehören hierher die infolge von Entzündungen, Blutaustretungen, Wasseransammlungen entstehenden Konvulsionen. Am häufigsten aber sind die Reflexkrämpfe, d. h. solche Krämpfe, wo der Reiz, von irgend einer peripherischen Stelle aus auf das Rückenmark übertragen, nunmehr unwillkürliche, dem Willen sich entziehende, ungeordnete Zusammenziehungen und Zuckungen erregt; dahin gehören die Blasen-, Magen-, Augenlidkrämpfe, krampfhaftes Husten etc. Bei diesen genannten Krampfformen kann das Rückenmark vollkommen gesund sein.
Indes kann auch das Rückenmark selbst in einer eigentümlichen Weise krankhaft beschaffen erscheinen, so daß Krämpfe durch ganz geringe, ganz normale Bewegungsreize hervorgerufen werden können. Man rechnet hierher den Starrkrampf (Tetanus), den Veitstanz (Chorea) und die hysterischen Konvulsionen. Alle genannten Krampfarten können in sehr verschiedener Stärke [* 4] vorkommen, von einer leichten Zuckung eines Muskels oder auch nur Muskelbündels bis zu den stärksten Kontraktionen, wobei sogar Knochen [* 5] gebrochen werden können. Es ist dies ¶
abhängig teils von dem veranlassenden Reiz, teils vom Zustand des betreffenden Zentralorgans (Gehirn [* 7] oder Rückenmark), teils endlich auch von der Zusammenziehungskraft der Muskeln [* 8] selbst. Auch die Dauer der Krämpfe ist sehr verschieden; entweder ist es nur eine vorübergehende Zuckung, die mit einer Erschlaffung wechselt, oder eine anhaltende Zusammenziehung. Darauf gründet sich die Einteilung in klonische und tonische Krämpfe. Die klonischen Krämpfe sind solche, wobei bald diese, bald jene Muskelgruppe sich abwechselnd zusammenzieht und erschlafft (Gehirnkonvulsionen und die Reflexkrämpfe).
Als Typus der tonischen Krämpfe kann der Starrkrampf angesehen werden, welcher eine lang andauernde Kontraktion zeigt. Manche Krämpfe treten in ziemlich regelmäßigen periodischen Anfällen, in Paroxysmen, auf und halten nicht selten das ganze Leben hindurch an (Epilepsie). Die Verbreitung der Krämpfe ist nicht minder verschieden. Bald beschränken sie sich auf einzelne Muskeln, bald auf Muskelgruppen; bald sind sie auf alle Muskeln des Körpers ausgedehnt.
Die eigentlichen Rückenmarkskrämpfe verbreiten sich meist über den ganzen Körper, ebenso auch die vom Gehirn ausgehenden, obgleich diese öfters auch halbseitig vorkommen, vorzugsweise aber nur dann, wenn die eine Körperhälfte bereits gelähmt ist. Am partiellsten sind die Reflexkrämpfe, die sich oft nur auf einzelne Muskeln beschränken, wie Wadenkrampf, Husten, Erbrechen, Krampf der Schließmuskeln etc. Nur dann, wenn das Rückenmark in eigentümlicher Weise krankhaft beschaffen ist, können auch diese sich allgemeiner verbreiten. Bei den choreaartigen Krämpfen ist öfters die Zuckung beschränkt, ebenso bei der Hysterie, obgleich bei dieser die Krämpfe manchmal eine größere Verbreitung zeigen.
Die Ursachen der Krämpfe sind außerordentlich mannigfaltig. Bei manchen Menschen ist eine besondere Anlage vorhanden, und es bewirken dann selbst geringe Gelegenheitsursachen krampfhafte Erscheinungen. Diese letztern sind teils mechanischer Natur: Veränderungen im Gehirn und Rückenmark, Blutwallungen, Entzündungen, Erweichungen, Geschwülste in diesen Organen;
teils chemischer Natur, indem ein fehlerhaft gemischtes Blut Krämpfe hervorrufen kann (Gifte, Urämie).
Auch die Reflexkrämpfe können durch mechanische und chemische Reize, welche peripherische Teile treffen, entstehen. Entzündung der Bindehaut kann Lidkrampf verursachen; infolge von Reizung des Gehörs, von Würmern, von krankhafter Absonderung des Darmkanals, von Reizungen der innern Geschlechtsorgane können allgemeine Krämpfe, infolge von Reizungen der Blasenschleimhaut Blasenkrampf, von Reizungen des Magens Magenkrampf etc. entstehen. Auch psychische Einflüsse können Krämpfe hervorrufen, wie Angst, Zorn, Schreck und der Anblick eines Krampfanfalls.
Überanstrengung einzelner Muskelgruppen führt zu den sogen. Beschäftigungsneurosen (Schreibkrampf). Je nach der Stärke und Verbreitung der Krämpfe wirken dieselben auf das Befinden des Körpers verschieden ein. Schon oben wurde angegeben, daß infolge heftiger Zusammenziehungen Knochen brechen können; ebenso können einzelne Muskelfasern zerrissen werden. Meistenteils folgt dem ein Gefühl der Abspannung und Schwäche, eine Art Erschöpfung, wodurch längere oder kürzere Zeit die Bewegung beeinträchtigt ist.
Auch das Bewußtsein ist nicht selten aufgehoben, und sehr häufig ist ein namhafter Schmerz vorhanden (Wadenkrampf, Magenkrampf, Kolik). Durch heftige und anhaltende Kontraktion der Atemmuskeln kann aber auch der Tod veranlaßt werden. Während des Krampfanfalls ist, selbst wo das Bewußtsein nicht getrübt ist, aller Wille auf die Muskeln aufgehoben. Die Vorhersage richtet sich nach der Ursache und nach dem Ausgangspunkt der Krämpfe. Im allgemeinen sind Reflexkrämpfe die am wenigsten gefahrbringenden; wo eine organische Veränderung der Zentralorgane die Ursache derselben ist, ist die größte Gefahr vorhanden; wo eine Geneigtheit zu Krämpfen besteht, sind sie meist von geringerer Bedeutung, daher sie bei Erwachsenen oft viel gefährlicher sind als bei Kindern. Vergiftungen geben eine schlimme Prognose. Was die äußere Form betrifft, so sind die tonischen Krämpfe im allgemeinen schlimmer als die klonischen, und selbst in leichtern Fällen haben jene stets die Neigung, hartnäckiger der Heilung zu widerstehen, was überhaupt bei allen Krämpfen zu befürchten ist. Rückfälle sind nur allzu häufig.
Was die Behandlung anlangt, so gilt es vor allem, die Ursache und den Reiz zu erforschen, um das Übel an der Wurzel [* 9] anzufassen. Sodann muß jede Aufregung möglichst vermieden, alle Reize auf die Sinnesorgane müssen beseitigt werden; Gemütsruhe ist ein Haupterfordernis, wo Blutarmut vorhanden ist, kräftige Nahrung, frische Luft. Die Verdauung muß streng reguliert werden. Sehr zu empfehlen sind lauwarme Bäder (Gastein, Pfäfers etc.), später auch mit Vorsicht kalte Fluß- und Seebäder. Zur Beschwichtigung der Anfälle dienen beruhigende Mittel, Anästhetika. Hautreize, Brechmittel, Abführungen leisten in manchen Fällen ersprießliche Dienste. [* 10] Auch andre Mittel, wie die sogen. krampfstillenden (Antispasmodika): Baldrian, Artemisia, Bibergeil, Moschus, haben sich, wie die alterierenden Mittel aus der Reihe der Metallsalze und Metalloxyde, in vielen Fällen aufs beste bewährt.