Hunnen
,
ein
Volk mongolischer
Rasse, wahrscheinlich mit den Hunjo identisch, welche schon um 2000
v. Chr. in der Geschichte
des chinesischen
Volkes auftreten. Nachdem die
Chinesen die
Mongolen bezwungen
und sie zur friedlichen Ansiedelung gebracht hatten,
zogen die kräftigern
Stämme nach
Westen. Ein Teil, die weißen Hunnen
(Euthaliten), ließ sich im Gebiet
des
Aralsees nieder und nahm hier feste
Wohnsitze und staatliche
Ordnungen
an. Ein andrer Teil zog nach der untern
Wolga und
führte hier zunächst ein Nomadenleben.
Durch nachrückende
Völker gedrängt und verstärkt, stießen die Hunnen
auf die
Alanen, besiegten diese und
zwangen sie zur
Heeresfolge.
Nun überschritten
sie den
Don und erschienen an den
Grenzen
[* 2] des gotischen
Reichs. Zu den Schrecknissen,
welche die Zahl und der rasche Siegeslauf der Hunnen
verbreiteten, gesellten sich noch das Staunen und der Abscheu,
welchen die gellende
Stimme, die ungeschlachte Gebärde und die abstoßende Häßlichkeit der Hunnen
einflößten.
Sie unterschieden sich, nach den Schilderungen der alten Schriftsteller, von dem übrigen Menschengeschlecht durch ihre breiten
Schultern, platten
Nasen, ihre kleinen, schwarzen, tief in dem
Kopf liegenden
Augen und ihre Bartlosigkeit.
Viehzucht, [* 3] Jagd und Raub waren ihre Beschäftigungen und lieferten ihnen den Unterhalt. Ihre Kleidung bestand meist aus den Fellen der erlegten Tiere; als Nahrung dienten ihnen Wurzeln und rohes Fleisch, welches sie unter dem Sattel mürbe zu reiten pflegten. Die Wohnung der Weiber und Kinder war der Wagen; die Männer waren fast unzertrennlich von ihren unschönen, aber raschen Pferden. Sie fochten nicht in geordneten Reihen, sondern umschwärmten die feindliche Schlachtordnung und waren ebenso rasch im Angriff wie in scheinbarer Flucht.
Ihre
Waffen
[* 4] waren mit spitzen
Knochen
[* 5] versehene Wurfgeschosse,
Säbel und
Schlingen, mit welchen
sie den Feind geschickt vom
Pferde
[* 6] zu reißen wußten. Der König der
Goten,
Hermanrich, widerstand zuerst kräftig dem Andrang der wilden
Völker, ließ aber schließlich den
Mut sinken und gab sich selbst den
Tod (373).
Sein Sohn Hunimund unterwarf sich mit einem
Teil seines
Volkes, ein andrer bewahrte unter Winithar eine gewisse Selbständigkeit. Auch die Westgoten mußten vor den Hunnen
weichen:
einer ihrer Häuptlinge,
Athanarich, zog sich 376 nach
Siebenbürgen zurück, nachdem er vergebens am
Dnjestr
und dann am
Pruth eine verschanzte
Stellung zu halten versucht hatte;
ein andrer, Fridigern, trat mit einem Teil des Volkes auf römisches Gebiet über.
Die Macht der Hunnen
zersplitterte sich unter der Zwietracht unabhängiger Häuptlinge, und ihre
Tapferkeit
nutzte sich in Raubzügen ab, sowie sie aus Beutegier sich auch öfters unter die
Fahnen von ihnen besiegter
Feinde scharten.
Ihre Hauptmasse hatte sich unter den von ihnen besiegten germanischen und sarmatischen Völkern niedergelassen
und breitete sich im
Norden
[* 7] des
Kaspischen und
Schwarzen
Meers von der
Wolga bis zur
Donau aus. Erst unter König Rugilas (bis
433) und seinen
Neffen
Attila und
Bleda nahmen die Hunnen
wieder eine ihrer Macht entsprechende
Stellung ein.
Attila vereinigte 445 als Alleinherrscher die hunnische Macht in Einer
Hand
[* 8] und ward der mächtigste aller
Fürsten seiner Zeit,
in
Europa
[* 9] wie in
Asien.
[* 10] Das
oströmische Reich wurde ihm tributpflichtig, das weströmische nur durch die
Kraft
[* 11] und
Klugheit der vereinten
Römer
[* 12] und Westgoten vor einem gleichen
Schicksal bewahrt. Die
Schlacht auf den Katalaunischen
Feldern (451), welche die Hunnen
macht brach, ist eins der wichtigsten Ereignisse in der
Weltgeschichte (s.
Attila). Nach
Attilas
Tod (453) stritten sich seine zahlreichen
Söhne sowie die Häuptlinge der unterworfenen
Stämme um die
Oberherrschaft.
In dem blutigen und entscheidenden
Kampf an den
Ufern des
Flusses Netad in
Pannonien (454) stritten
Gepiden,
Goten,
Sueven,
Heruler und
Alanen gegen die asiatischen Eindringlinge und errangen ihre Selbständigkeit.
Attilas ältester Sohn, Ellak,
¶
mehr
verlor in diesem Kampf Krone und Leben. Sein Bruder Dengesich behauptete sich noch mehrere Jahre an den Ufern des Donaustroms, doch
auch er wurde in einer blutigen Schlacht von den Oströmern besiegt und bald darauf getötet (469). Den Rest des Volkes führte
Attilas jüngster Sohn, Irnak, nach den Steppen der Wolga, wo er sich unter andern Nomadenstämmen verlor.
Attilas Palast und das alte Dacien von den Karpathen an bis an das Schwarze Meer ward Sitz einer neuen, von dem Gepidenkönig
Ardarich gegründeten Macht, und Pannonien von Wien
[* 14] bis Sirmium nahmen die Ostgoten in Besitz. So war kaum ein Menschenalter
nach Attilas Tode das unermeßliche Hunnen
reich als solches verschwunden, und wenn die Schriftsteller des
Mittelalters immer noch von Hunnen
sprechen, so hat man darunter ihnen unbekannte, aus dem Nordosten stammende
Horden zu verstehen, welche das Altertum ebenso unbestimmt und allgemein mit dem Namen Skythen belegt haben würde.
Vgl. Deguignes, Histoire des Huns, des Turcs, etc. (Par. 1756-58, 3 Bde.);
Neumann, Die Völker des südlichen Rußland (2. Aufl., Leipz. 1855);