Holtei
,
Karl von, Dichter und Schriftsteller, geb. zu Breslau, [* 2] ward nach dem Tod seiner Mutter in dem Hause seiner Großmutter erzogen, besuchte dann das Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt, gab aus Neigung zum Theater [* 3] die akademische Laufbahn, für die er sich vorbereiten wollte, auf und debütierte 1819 als Mortimer in Schillers »Maria Stuart« auf der Breslauer Bühne. Schon ¶
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nach zwei Jahren entsagte er nach einem in Dresden
[* 5] erlebten Unfall der ausübenden Kunst wieder, verheiratete sich mit der Schauspielerin
Luise Rogée (s. unten) und wurde Theatersekretär und Theaterdichter zu Breslau. 1823 siedelte er nach Berlin,
[* 6] wo seine Frau
am Hoftheater ein Engagement erhielt, über. Holtei
verfaßte hier die mit größtem Beilall aufgenommenen
Liederspiele: »Die Wiener in Berlin« und »Die Berliner
[* 7] in Wien«
[* 8] und gab auch »Gedichte« (Berl.
1826; 5. Aufl., Bresl. 1861) heraus.
Für die Königsstädtische Bühne, der er sich nach dem frühen Tod seiner Gattin anschloß, lieferte er eine große Anzahl
von Stücken, darunter die allbekannten: »Der alte Feldherr« und »Lenore«, die teils in den von Holtei
herausgegebenen.
Bänden 8-10 des »Jahrbuchs deutscher Bühnenspiele«, teils in seinen
»Beiträgen für das Königsstädter Theater« (Wiesb. 1832, 2 Bde.) gedruckt erschienen.
Gleichzeitig gab er die Sammlung »Schlesische Gedichte« (Berl. 1830, 18. Aufl. 1883) in schlesischer
Mundart heraus und trat öffentlich als Vorleser klassischer Dramen (besonders Shakespeares) auf.
Mit seiner zweiten Frau, Julie Holzbecher (s. unten),
nahm er ein Engagement in Darmstadt [* 9] an, kehrte aber 1830 nach Berlin zurück, schrieb hier das »Trauerspiel in Berlin«, in dem er den Berliner Jargon zu tragischen Zwecken benutzte, dichtete den Text zu Gläsers längere Zeit beliebter Oper »Des Adlers Horst« und schrieb das Schauspiel »Der dumme Peter«. Auch betrat er 1833 selbst wieder die Bühne und machte mit seiner Gattin eine Kunstreise, für welche er unter anderm die Dramen: »Lorbeerbaum und Bettelstab« und »Shakespeare in der Heimat« (beide Schleus. 1840) schrieb.
Seit 1837 führte er die Direktion des Rigaer Theaters, legte dieselbe aber nach dem Tod seiner zweiten Gattin (1839) nieder und trat von neuem ein Wanderleben durch Norddeutschland an, bis er die Direktion des Theaters zu Breslau übernahm. In dieser Zeit ließ er außer seinen »Briefen aus und nach Grafenort« (Altona [* 10] 1841) und dem autobiographischen Werk »Vierzig Jahre« (Berl. 1843-50, 8 Bde.; 2. Aufl., Bresl. 1859, 6 Bde.),
dem sich später als Anhang »Noch ein Jahr in Schlesien«
[* 11] (Berl. 1864, 2 Bde.)
anschloß, seine dramatischen Werke in einem Band
[* 12] als »Theater« (Bresl. 1845; Ausg. letzter Hand,
[* 13] das. 1867, 6 Bde.) erscheinen.
Seit 1850 lebte er abwechselnd in verschiedenen deutschen Städten, längere Jahre zu Graz,
[* 14] zuletzt wieder
zu Breslau, wo er im Kloster der Barmherzigen Brüder starb. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde ihm auf der sogen. Ziegelbastion
daselbst (jetzt Holteihöhe
genannt) ein Denkmal errichtet. Außer den genannten Schriften hat auch eine
Reihe von Romanen geschrieben, wie: »Die Vagabunden« (Bresl. 1851, 4 Bde.; 7. Aufl.
1886),
»Christian Lammfell« (das. 1853, 5 Bde.; 4. Aufl. 1878),
»Die Eselsfresser« (das. 1860, 3 Bde.),
»Noblesse oblige« (Prag [* 15] 1857),
»Ein Schneider« (Bresl. 1854, 3 Bde.; 2. Aufl. 1858),
»Ein Mord in Riga« [* 16] (Prag 1855),
»Schwarzwaldau« (das. 1856),
»Haus Treustein« (Bresl. 1866, 3 Tle.),
»Der letzte Komödiant« (das. 1863) u. a., welche sämtlich in seinen
»Erzählenden Schriften« (das. 1861-66, 39 Bde.)
gesammelt erschienen. Diese Romane entbehren nicht einzelner lebendiger, liebenswürdiger Züge, leiden aber an Lockerheit
der Komposition und Flüchtigkeit der Darstellung. Dagegen gebührt ihm das unbestreitbare Verdienst, das
Vaudeville in Form des deutschen gemütlichen Liederspiels in Deutschland
[* 17] eingebürgert zu haben. Viele seiner Lieder, von denen
er unter dem Titel: »Deutsche
[* 18] Lieder« (Schleus. 1834, 2. Aufl. 1836) eine Sammlung herausgab,
sind volkstümlich geworden. Auch
die »Schlesischen Gedichte«, deren Wert man erst in neuerer Zeit erkannte, müssen als eine der
schönsten Gaben der Holtei
schen Muse betrachtet werden. Der Krieg von 1870/71 begeisterte den greisen Dichter zu einer Sammlung
seiner »Königslieder« (3. Aufl., Leipz.
1878). Außerdem nennen wir von seinen Veröffentlichungen der letzten Zeit: »Charpie« (Bresl. 1866, 2 Bde.);
»Nachlese. Erzählungen und Plaudereien« (das. 1871, 3 Bde.);
»An Grabes Rande. Blätter und Blumen« (2. Ausg. 1876) und »Fürstbischof und Vagabund« (das. 1882),
worin
Holtei
sein Verhältnis zum Fürstbischof Förster schildert. Auch gab er in den letzten Jahren aus seinen Autographenschätzen mehrere
Sammlungen von Briefen heraus.
Vgl. »Karl v. Holtei
, Biographie« (Prag 1857);
Kurnick ^[richtig: Kurnik], K. v. ein Lebensbild (Bresl. 1880). -
Seine erste Gattin, Luise, geborne Rogée, geboren um 1800, betrat zuerst 1820 die Breslauer Bühne und starb als Mitglied
des königlichen Theaters zu Berlin 1825. Sie war in naiven und sentimentalen Rollen
[* 19] ausgezeichnet und besonders unübertroffen
als Käthchen von Heilbronn.
[* 20] Holtei
feierte sie durch eine Sammlung von Gedichten: »Blumen auf das Grab der
Schauspielerin Holtei«.
Seine zweite Gattin, Julie, geborne Holzbecher, geb. 1809 zu Berlin, seit 1823 Mitglied des Königsstädter
Theaters daselbst, 1830 des Theaters zu Darmstadt, kehrte 1831 nach Berlin zurück, starb 1839 in Riga. Sie war im Lustspiel, namentlich
in Berliner Lokalstücken, durch Keckheit und Anmut bezaubernd.