Hode
(Hoden
,
Testikel, Testis,
Orchis, Testiculus), die männliche
Keimdrüse oder das den
Samen
[* 2] bereitende
Organ. Sie
stellt in ihrer einfachsten Form einen
Schlauch dar, von dessen Wandungen sich einzelne
Zellen loslösen und entweder direkt
oder nach mehr oder minder beträchtlichen Umformungen zu Samenzellen oder
Gruppen derselben werden. Anzahl,
Gestalt,
Lage etc. der Hode
bei den einzelnen
Tieren sind äußerst verschieden. Bei den
Wirbeltieren liegt die Hode
fast immer
in der
Bauchhöhle, aus der sie nur unter gewissen Umständen in einen besondern äußern Anhang derselben wandert.
Letzteres Verhalten ist nur bei den
Säugetieren verbreitet: bei den
Embryos derselben befinden sich (wie
bei den meisten niedern
Wirbeltieren und gleich den
Eierstöcken) die Hoden
anfänglich am innern
Rande der
Urnieren, rücken
jedoch während der
Entwickelung weiter nach abwärts bis in die
Leistengegend oder sogar, indem sie Teile der Bauchwand vor
sich her drängen, durch den
Leistenkanal hindurch in die als
Hodensack (s. unten) bekannte Aussackung
der äußern
Haut.
[* 3]
Dabei bleibt gewöhnlich die
Verbindung mit der
Bauchhöhle offen, so daß die Hode
, wie es bei vielen
Säugetieren zur Brunstzeit
regelmäßig geschieht, in sie zeitweilig zurücktreten kann.
Beim
Menschen findet diese
Wanderung der Hode
in den
Sack
im achten
Monat der
Schwangerschaft, seltener erst in der Pubertätszeit oder nur unvollkommen oder auch gar nicht statt; im
letzten
Fall scheinen eine oder auch beide Hoden
zu fehlen (sogen.
Kryptorchismus); unter normalen Umständen verwächst aber
die Öffnung, durch welche die Hode
herabgestiegen, und macht den Rücktritt unmöglich. Die
Nebenhode (s.
unten) ist ein umgewandelter Teil der
Urniere. -
Beim
Menschen (s. Tafel
»Eingeweide
[* 4] II«,
[* 1]
Fig. 3) ist der
Hodensack (scrotum)
eine in zwei Hälften geteilte Hauttasche; seine Wandung zeichnet sich durch den großen
Reichtum an glatten
¶
mehr
Muskelfasern aus, welche eine eigne Fleischschicht (tunica dartos) bilden und bei ihrer Zusammenziehung die Runzelung des
Sackes bewirken. In ihm liegen nebeneinander die beiden Hoden
, Nebenhoden und Samenstränge (s. Samenleiter). Jede Hode
, von eiförmiger
Gestalt, Pflaumengröße und 15-25 g Gewicht, wird von einer glatten Faserhaut umschlossen und besteht aus einer
weichen Masse, von der etwa drei Viertel aus Samenkanälchen, der Rest aus Blut- und Lymphgefäßen sowie aus Nerven
[* 6] und Bindegewebe
gebildet wird.
Letzteres strahlt von einem dicken Wulste der Faserhaut, dem sogen. Corpus Highmori, fächerartig aus und teilt so den Inhalt
der Hode
in 100-200 pyramidenförmige Läppchen. Von diesen setzt sich jedes aus 2-6 Samenröhrchen
oder -Kanälchen zusammen, welche in ihrem Innern aus ihrer Wandung heraus den Samen produzieren. Ihre Gesamtlänge beträgt
270-340 m; sie vereinigen sich aber zu 9-17 weitern Kanälen, die erst unter sich ein Netzwerk
[* 7] (rete Halleri) bilden, dann
nach Durchbohrung der Faserhaut die Hode
verlassen und in die Nebenhode (epididymis) eintreten.
Diese bildet ein einziges dünnes, aber 6½-10 m langes Rohr, welches sämtliche Hode
nkanäle aufnimmt und unter vielen dicht
zusammengedrängten Windungen in den Samenleiter (s. d.) übergeht. Jede Hode ist mit einem Teil ihrer
Nebenhode von einer besondern doppelten Hülle, einem Stück des aus der Bauchhöhle in den Hodensack mit
eingewanderten Bauchfelles, umgeben. Wasseransammlungen zwischen den beiden Blättern derselben werden als Wasserbruch (Hydrocele)
bezeichnet. - Neben der Hode befinden sich noch einige Gebilde, welche anscheinend keine Funktion ausüben, sondern nur Reste
früher thätig gewesener Organe (sogen. rudimentäre Organe) darstellen. Es sind dies der männliche Eierstock (ovarium masculinum),
ein 5-7 mm großer, kolbiger oder warziger Körper, ferner häufig in seiner Nähe ein gestieltes, mit Flüssigkeit erfülltes
Bläschen, die sogen. Morgagnische Hydatide, und das sogen. Giraldèssche Organ (paradidymis), welches im Samenstrang liegt.
Die beiden ersten vertreten im Mann den Eierstock, resp. die Eileiterenden des Weibes; letzteres ist ein Rest
der Urniere.
Die Hode ist mancherlei Krankheiten unterworfen, namentlich Entzündungs- und Geschwulstkrankheiten. Die Hodenentzündung (Orchitis)
ist bald mit Nebenhoden
entzündung (Epididymitis) verbunden, bald tritt sie für sich auf. Sie kann entstehen durch eine
Quetschung oder anderweitige Verletzung der Hode; oft gesellt sie sich zu einer Tripperentzündung der Harnröhre, wenn der Tripper
auf die Harnblase, die Samenbläschen, den Samenleiter etc. bis zur Nebenhode sich fortsetzt.
Eine entzündliche Hodenschwellung gesellt sich merkwürdigerweise oft zur epidemischen Ohrspeicheldrüsenentzündung. Die Hodenentzündung äußert sich vorzugsweise durch schnelle Anschwellung und meistens sehr bedeutende Schmerzhaftigkeit der und Nebenhode, womit Fieber, ausstrahlende Schmerzen in der innern Schenkelfläche etc. verbunden sein können. Die Entzündung nimmt bald einen schnellen, bald einen schleichenden Verlauf. Im erstern Fall bildet sich die entzündliche Hodenschwellung entweder ohne weiteres zurück und geht in Heilung über, oder es kommt zur Eiter- und Absceßbildung in der und Nebenhode, nicht selten mit später folgenden Fistelbildungen.
Nimmt die Krankheit einen schleichenden Verlauf, so kommt es gewöhnlich zur Wucherung des Bindegewebes und zum teilweisen oder vollständigen Untergang des eigentlichen Drüsengewebes in der Hode. Narbige Schrumpfung der und, wenn die Krankheit beide Hoden in ihrer ganzen Ausdehnung [* 8] betraf, Verlust des Zeugungsvermögens sind die Folgen dieser chronischen Hodenentzündung. Die Behandlung bei der akuten Hodenentzündung besteht vor allem in ruhiger Lagerung auf einem Kissen, so daß keine Zerrung der Samenstränge stattfinden kann, dann in der Anwendung örtlicher Blutentziehungen durch Blutegel, [* 9] welche am Hodensack angesetzt werden, sowie in der energischen Anwendung der Kälte, indem man die Hodengeschwulst mit einem Eisbeutel oder in Eiswasser getauchten Kompressen bedeckt.
Sobald sich Eiterung eingestellt hat, ist der Absceß sofort zu eröffnen, und dann sind warme Breiumschläge und ähnliche Mittel am Platz. Eine häufige Krankheit ist die Tuberkulose der und Nebenhode. Sie kommt vorzugsweise bei skrofulösen und tuberkulösen Individuen, doch auch bei scheinbar ganz gesunden Männern vor und betrifft bald nur eine, bald beide Hoden. Es ist eine Krankheit vorzugsweise des mittlern Lebensalters, welche meist mit schmerzloser Schwellung und Verdickung an der Nebenhode beginnt und oft auf diese beschränkt bleibt. Da die Befürchtung begründet ist, daß die Tuberkulose der und Nebenhode Veranlassung zum Ausbruch der Tuberkulose in den Lungen und andern innern Organen geben kann, so ist es zweckmäßig, zur operativen Entfernung der kranken Hode zu schreiten, sobald die Krankheit sicher erkannt ist. Die Ausrottung der Hode wird als Kastration bezeichnet. Über die Scheidenhautwassersucht der Hode oder den Wasserbruch s. d.
Unter den Geschwülsten der Hode, welche man früher unter dem gemeinschaftlichen Namen der Sarkocelen zusammenfaßte, sind die wichtigsten die syphilitischen oder Gummigeschwülste, die Sarkome und die Krebse. Alle genannten Arten betreffen vorzugsweise die Hode selbst und unterscheiden sich daher schon im Beginn von der Tuberkulose der Nebenhode. Die Gummiknoten sind Teilerscheinung einer allgemeinen Syphilis und als solche zu behandeln. Die bösartigen Neubildungen kommen nicht so selten schon bei Kindern vor, sie wachsen meist schnell, sind oft sehr schmerzhaft und erfordern insgesamt eine möglichst frühzeitige Entfernung durch Kastration. Gegenüber den gewöhnlichen weichen Krebsen oder Markschwämmen hat man eine mehr gutartige Form (Cancroid) den Schornsteinfegerkrebs genannt, weil man beobachtet haben will (namentlich in England), daß die Krankheit sich vorzugsweise bei Schornsteinfegern finde. Auch diesem Übel gegenüber ist die frühzeitige operative Ausrottung der krankhaften Neubildung das einzige Erfolg versprechende Mittel.