Historienm
alerei
(Geschichtsmalerei), s. Malerei.
Historienmalerei
670 Wörter, 4'855 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Historienmalerei
(Geschichtsmalerei), s. Malerei.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Historienmalerei
(historische oder Geschichtsmalerei). Der Begriff des Historischen in der bildenden Kunst besagt nach
der Kunstauffassung der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts im weitern Sinne soviel wie stilvolle, ideale
Auffassung. «Historisch» war gleichbedeutend mit der in Form und Ausdruck ausgesprochenen Erhebung des Gegenstandes aus dem
Zufälligen und rein Zuständlichen, wie es das Genre zu geben habe, in die Sphäre des Allgemeingültigen; und diese Auffassung
war keineswegs auf Vorführung thatsächlicher Ereignisse beschränkt, sondern erstreckte sich auf alle
Stoffgebiete figürlicher Komposition, seien sie nun der Geschichtsüberlieferung oder der Dichtung, Sage oder andern Quellen
entlehnt. In diesem Betracht deckte sich der Begriff des Historischen mit dem des Monumentalen, dessen erstes Erfordernis
der Stil war. Er leidet sogar Anwendung auf die Landschaft, insofern der Künstler es unternimmt, die
Naturwelt nach den Stilgesetzen des Historienbildes zu behandeln, d. h. die vorgefundene Erscheinung
zum großartigen und einfachen Ausdruck zu gestalten und ihr eine entsprechende Gesamtphysiognomie zu verleihen. (S. Heroisch.)
Den Forderungen der ältern deutschen Ästhetik an die Historienm
alerei entsprach nur die gleichzeitige deutsche Kunst vollkommen;
namentlich bildete Cornelius ihr Ideal aus.
Schon in Schnorr bemerkte sie eine Hinneigung zur Darstellung des Geschichtswahren als des Zufälligen in der Erscheinung des Dargestellten, in Kaulbach eine Modernität und eine Vorliebe für das symbolisch Geistreiche, die dem strengen Stilbegriffe der Zeit widersprach. Alfred Rethel brachte die Richtung wohl am glänzendsten zum Ausdruck, obgleich bei ihm die Unmittelbarkeit der stilistischen Gestaltung anfangs die Anerkennung zurückhielt. Unter dem Einfluß der koloristischen Schulen Belgiens (Bièfve und Gallait) sowie der Franzosen (Delacroix, Couture, Gleyre u. a.) verschwand diese Kunstart fast ganz, sodaß sie jetzt nur noch von wenigen (Geselschap) geübt wird. Der zu ihrer Pflege gegründete Verein für histor. Kunst kann meist wegen Mangel an Beteiligung seitens der Künstler seine Aufträge gar nicht zur Verteilung bringen.
Im engern Sinne ist die Historienm
alerei richtiger Geschichtsmalerei zu nennen, weil hier nicht sowohl die Auffassung als vielmehr der Stoff
den Ausschlag giebt. Man scheute sich lange vor der Darstellung jüngstvergangener Ereignisse, in welchen
porträtmäßige und kostümgetreue, also genrehaftere Auffassung die Glaubwürdigkeit des Bildes erhöht. Man glaubte nämlich,
es käme hierbei mehr auf geistige Wahrheit als auf allseitige Richtigkeit an und suchte daher auch die moderne Welt im Bilde
zu stilisieren.
Die in diesem Sinne geschaffenen Arbeiten mußten unbefriedigende Ergebnisse liefern. Ebenso jene, welche
die uns geistig fern liegenden Zeiten durch moderne Darstellung uns nahe führen wollten, die also dem histor. Roman entsprechend
geplant waren. Erst neuerdings verbreitet sich mehr und mehr die Erkenntnis, daß die Geschichte nur modern aufzufassen und
das Werk nur dann ein völlig einheitliches sein könne, wenn es auch moderne Gegenstände darstelle.
Frühere Zeiten hatten eine Historienm
alerei nur in dem Sinne, daß sie auch die geschichtlichen Vorgänge naiv im Sinne der Zeit darstellten
oder ihnen ein typisch antikes oder ritterliches Gewand gaben.
Der Gedanke, durch das Bild die geschichtlichen Vorgänge früherer Zeiten in möglichster Treue zurückzurufen,
ist, abgesehen von dem Schlachtenbilde und dem Repräsentationsbilde, so neu wie die reflektierende Geschichtschreibung überhaupt.
Jedoch hat er überall die aufmerksamste Pflege, namentlich durch die öffentlichen Gewalten gefunden, sodaß räumlich die
Historienm
alerei in der modernen Kunst fast den ersten Rang einnimmt. Aber auch dieser Richtung beginnen sich die Künstler
zu entfremden, sodaß sich nur durch die Subvention der Staaten, Kirchen und Städte, welche meist der im Bilde dargestellten
Gegenstände wegen zur Anregung der Vaterlandsliebe oder Religiosität, nicht aus rein künstlerischen Absichten bewilligt
wird, die Historienm
alerei noch erhält. An großen Aufgaben hat es der Historienm
alerei in keinem Lande gefehlt. Doch scheint die
Produktion nachzulassen. Dasselbe gilt vom Historischen Genre (s. d.).
Die jüngere deutsche Historienmalerei
fand einen Höhepunkt in Piloty und seiner Schule, bei der zum Teil, wie bei Makart, das rein Koloristische
die geschichtliche Wahrheit sogar überwog. Große Cyklen histor. Inhalts bot die Ausmalung des Nationalmuseums in München,
[* 2] der Albrechtsburg in Meißen,
[* 3] der Museen und der Ruhmeshalle in Berlin,
[* 4] des Pantheon und des Hôtel de
Ville zu Paris,
[* 5] des Parlamentshauses in London,
[* 6] des Arsenals und der Oper in Wien,
[* 7] des Staatenpalastes in Washington
[* 8] und vieler
anderer Bauten. –
Vgl. Muther, Geschichte der Malerei im 19. Jahrh. (Münch. 1893).